Das Abenteuer einer Transformation. Gora Devi
Harmonie, Grazie, aber in einer Weise, die ich als schillernd, keusch wahrnehme. Die bunten Saris sind eine Pracht. Indien beginnt mich einzunehmen und anzuziehen. Jetzt entscheide ich mich, dem Abenteuer zu folgen.
Heute reise ich mit Gianni und Shanti nach Rajasthan. Bevor wir nach Almora gehen, werden wir bei einem von Shantis Gurus vorbeischauen, der in der Nähe von Jaipur wohnt, bei Hari Puri.
Neu Delhi, 27. März 72. Mit dem Flugzeug sind wir in Delhi angekommen. Es ist weniger heiß als in Bombay und es scheint hier etwas zivilisierter zu sein. Wir sind in einem angenehmen Gästehaus und stärken uns an der Straße mit tropischen Früchten, die mit Eiswürfeln serviert werden. Es sei gefährlich, sagt man mir, so unterwegs zu essen, aber ich fühle, dass es eine Kraft gibt, die mich schützt, und dass ich nicht zu zimperlich sein darf. Ich muss mich in diese Geschichte stürzen, ohne Vorbehalte, bis in die Tiefe.
Jaipur, 29. März 72. Hier sind wir also, angekommen in Jaipur in Rajasthan, mit dem Zug. Die Züge sind überfüllt, sehr langsam, schmutzig, staubig, mit Abteilen und Sitzbänken aus Holz. Zum Glück habe ich durch die Reisen in Marokko schon ein bisschen Erfahrung damit.
Mit einer Riksha fahren wir in den Dschungel zu Shantis Meister.
Es ist ein Ort mitten in der Wildnis, voller Sadhus, gleichfalls wild. Sie haben sehr lange Haare, geknotet, die sie nicht kämmen, Körper wie die von Waldkatzen. Die ganze Zeit über rauchen sie Haschisch. Sie erzählen mir ihre Geschichten, etwa wie sie Tiger mit ihren bloßen Händen erlegt haben und dergleichen mehr. Ich verstehe kein Wort von dem, was sie sagen, aber sie fahren fort, mit mir zu sprechen, ganz unbefangen. Ich lege mich neben Gianni hin, um auszuruhen, und einer von ihnen hebt meinen Rock hoch, um zu sehen, ob ich eine Unterhose anhabe. Sie geben mir Haschisch zu rauchen und betäuben mich.
Sie ließen mich den Meister treffen: er ist krank, sehr mager, klein, glatt rasiert, sitzt auf einem Bett. Er hat schwache Augen, die aber eine unglaubliche Liebe ausströmen. Ich würde ihm gerne ein Geschenk machen. Mein silbernes Armband gebe ich ihm, das einzige ein bisschen Wertvolle, das ich habe. Auch mit ihm können wir über nichts Bedeutendes sprechen. Es gibt nur den Austausch dieser Wellen der Liebe. Wahrscheinlich wird er bald sterben, sie schaffen es nicht, ihn zu heilen.
2. April 72. Wir waren auf dem Basar, um Stoffe zu kaufen. Die Geschäfte hier sind Plätze, an denen man verweilt, sich hinsetzt, Tee trinkt, ein bisschen plaudert, sich die Geschichten vom wirklichen Leben erzählt. Und dann ziehen sie dich nach draußen, zeigen dir quasi den ganzen Markt, und vielleicht kauft man auch etwas. Die Männer (Frauen sind nicht in den Geschäften) sitzen im Schneidersitz oder ausgestreckt auf großen weißen Betten, als sei die Zeit stehengeblieben und als seien sie nicht etwa dort, um Kunden zu erwarten, sondern nur einfach um zu leben, quasi zu meditieren.
Dann gehen wir in ein luxuriöses Restaurant zum Essen, alter Maharaja-Stil. Wir werden wie große Herren bedient. Die Menschlichkeit der indischen Bedienung ist unglaublich, sie identifizieren sich vollständig mit dem Servieren. Es ist beschämend, bei all den Privilegien fühlt man sich wie ein alter Kolonialist. Ich spüre sofort, dass ich es vorziehe, bei den armen Indern und ihren Plätzen zu sein.
Die Begegnung mit Babaji
Almora, 3. April 72. Heute früh sind wir nach einer endlos langen Reise in Almora angekommen. Es ist ein Bergstädtchen auf 1.800 m Höhe, aber es ist nicht so kalt wie bei uns in den Bergen. Der Basar ist schmutzig, das Hotel baufällig, ich ziehe es vor, unterwegs in kleinen Restaurants zu trinken und zu essen. Ich hätte nicht erwartet, derart ärmliche Häuser zu sehen, aus morschem Holz. Das Hotel ist voller Läuse - schrecklich. Morgens ist es kalt, das Duschwasser eisig. Ich bin überrascht, denn das Dorf wurde mir als ein idyllischer Ort beschrieben.
5. April 72. Wir sind in dem Landhaus, mitten im Tal, das Shanti und die Rainbow-Gipsy Gruppe gemietet haben. Es ist schön hier und man fühlt sich wohler.
Alles ist aber sehr unbequem. Es gibt keine Toiletten, elektrisches Licht fehlt und eine Wasserleitung. Ich übernehme es, zu kochen, Töpfe und Geschirr zu spülen. Ich fühle, dass mir das guttut. Ich gebe mir viel Mühe, alle Dinge kuschend zu tun, bewundere die Inder, denen es gelingt, alles in dieser Weise zu machen. Sie haben sehr bewegliche, geschmeidige Körper. Ich komme mir plump, unbeholfen vor dagegen, aber ich fühle, dass ich eine Arbeit tun muss, die den anderen dient.
In der Gruppe gibt es sehr schöne Menschen. Die beiden Kalifornier aus Bombay sind mit ihren Frauen da, auch Rosa, das italienische Mädchen: geschmeidig führt sie morgens wunderschöne Yoga-Stellungen aus. Wir essen alle zusammen, auf dem Boden sitzend, von großen Platten mit Reis und Gemüse.
Shanti hilft mir: er übersetzt für mich, mit viel Geduld erklärt er mir die Dinge, auch die indischen Traditionen. Er führt mich herum. Auch er, so fühle ich, ist jetzt ein Meister für mich. Die jungen Leute singen zur Gitarre wunderschöne Lieder. Vor allem das Lied, das Daniel singt, berührt mich: "We are one for a universe of love", (Wir sind eins für ein Universum der Liebe).
Langsam passe ich mich an den neuen Tagesrhythmus an, der sich nach einfachen, praktischen Dingen richtet: kochen, waschen, sauber machen, dasitzen und die majestätische Schönheit des Tals betrachten; das Grün der Berge und die schneebedeckten Gipfel des Himalaja in der Ferne. Nachts ist es kalt und wir schlafen alle nah beieinander, zusammengedrängt auf dem Fußboden in einem einzigen Raum. Shanti führt mich zu seinen Freunden in Almora und stellt mich empfehlend den indischen Familien vor; erklärt ihnen, dass ich in Philosophie promoviert habe und dass meine Mutter italienisches Parlamentsmitglied ist. Es scheint, als würden diese Dinge hier viel bedeuten.
Wenn ich die Bäuerinnen sehe, die die Straße entlang schreiten, mit ihren weiten, grünen Röcken und den Körben mit Kräutern auf dem Kopf, überkommt mich das Gefühl von etwas, das mir sehr familiär ist, bekannt, wie schon einmal erlebt.
10. April 72. Shanti hat mich heute mit Tara Devi bekannt gemacht, einer betagten amerikanischen Dame, die seit 20 Jahren in Almora lebt. Sie hat uns eingeladen, in die Stadt zu gehen, um einen indischen Heiligen zu sehen, Babaji, die Inkarnation, sagen sie, eines alten, berühmten Yogi, genannt Haidakhan Baba.
Sie erzählt uns, er habe seinen Körper verjüngt, ohne durch den Tod gegangen zu sein und erscheine jetzt als Zwanzigjähriger, obwohl er in Wirklichkeit 130 Jahre alt sei, der ohne Essen und ohne Schlaf lebe. Ob das wahr ist? Sie sagt uns auch, Babaji habe ihr aufgetragen, sie solle alle Westlichen, die sie in Almora kenne, einladen, denn er suche unter ihnen eine Person, seine Jüngerin aus früheren Leben.
Lachend sagte Shanti zu mir, dass, wer weiß, vielleicht ich das wäre. Gestern las er mir aus der Hand und meinte, ich hätte die Linien einer Yogini, von einer Person, die lange Zeit in Indien leben werde. Es sind sonderbarerweise die gleichen Linien, die auch er hat, drei vereinte Linien, was die Einheit des Geistes und des Herzens bedeute, sagt er.
15. April 72. Wir waren in der Stadt, in Almora, um Babaji zu sehen. Alle Menschen aus dem Westen, die hier in der Umgebung leben, waren da und auch wichtige Meister, wie Shunia Baba und Guru Lama, der Tibeter.
Kaum hatten wir den überfüllten Raum betreten, bemerkte ich sofort Babaji, erhöht saß er da, weiß gekleidet. Verzaubert habe ich ihn betrachtet. Er ist wunderschön, strahlend, wie ein Christus aus vergangenen Zeiten, sehr ernst, streng. Er hat ungeheuer kraftvolle und alles durchdringende dunkle Augen. Ich sah ihm lange in die Augen und habe Angst bekommen von seiner Macht, aber dann sah ich, wie sich sein Blick senkte und mit einer unglaublichen Wärme und Zärtlichkeit füllte. Ich war magnetisiert und habe ihn zwei oder drei Stunden lang betrachtet.
Die Menschen rundum fuhren ununterbrochen fort, zu singen und eine Reihe zu bilden, um sich direkt vor ihm zu verneigen. Jedes Mal, wenn sich einer vor ihm verbeugte, hob er die Hand, um ihn zu segnen und sah ihn mit einem seltsamen Blick voller Mitgefühl an. Mir war nicht danach, hinzugehen und mich zu verneigen, ich fuhr fort, ihn zu bewundern, fasziniert von seiner Schönheit und der Perfektion seiner