Das Abenteuer einer Transformation. Gora Devi

Das Abenteuer einer Transformation - Gora Devi


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entscheide mich, mitzugehen.

      23. Mai 72. Shanti polemisiert weiter mit mir. Er fragt mich, was er mich denn lehre, Babaji? Ich habe Schwierigkeiten, ihm darauf zu antworten: das Mantra zu singen, sage ich, morgens früh aufzustehen. Dann erzähle ich eine Episode, die sich eines Tages in Vrindavan zutrug. Es war am späteren Morgen, der Tempel hatte sich geleert. Babaji hatte mich plötzlich zu sich gerufen. Allein mit ihm, das hat mich sofort nervös gemacht. Er sagte, ich solle mich hinsetzen und auch er blieb still sitzen. Ich nahm wahr, dass mein Geist in frenetische Bewegung geriet, unmöglich, ihn anzuhalten. Babaji sagte, ich solle OM NAMAH SHIVAY wiederholen. Ich versuchte es, aber selbst das schien mir schwierig, unecht. Dann plötzlich, für einige Bruchteile von Sekunden, stand mein Geist still und ich habe eine mir fremde Ruhe entdeckt. Babaji schenkte mir ein großes, breites Lächeln und stand auf. Von diesem Augenblick an dachte ich an diese Stille und habe von da an die Lehre begriffen, die er mir erteilt hat. Als ich Shanti diese Geschichte von dem Schweigen und der Stille erzählte, merkte ich, dass er beeindruckt war: in der Tat, er sagte, das ist es, was es zu lernen gibt, von allen Meistern.

      Sonepat, 24. Mai 72. Mit Shanti und einer lebhaften Gruppe von Freunden sind wir in Sonopat bei Dr. Koshik. Der Arzt ist ein lieber Mann, mit einem schönen, buddhahaften Lächeln, leicht ironisch und mit einer inneren Glückseligkeit. Sein Haus und seine Familie sind sehr einfach und außergewöhnlich gastfreundlich. Wie überall in Indien: für die Gäste ist immer Platz, ganz gleich, wie viele es sind, es ist immer Essen im Überfluss da.

      Mit ihm sitzt man vorwiegend in einer Art Meditation, man spricht auch über viele Dinge, aber friedlich und gelassen. Der Doktor bringt mir und meiner indischen Mission starkes Interesse entgegen, er stellt mich den Nachbarn vor. In seiner Nähe fühle ich großen Frieden. Ich zeige ihm die Fotos von Babaji und erzähle ihm von dem Leben im Tempel. Von Shanti weiß ich bereits, dass er nicht sehr an diese Methoden glaubt, aber ich spüre, dass er es respektiert. Er redet von den spirituellen Erfahrungen in seinem Leben, erzählt uns, wie er zu einer bestimmten Bewusstseinsform gelangt ist, einfach indem er stunden- und tagelang unter einem Baum gesessen hat, um den eigenen Geist zu beobachten, sein Selbst suchend, mit offenen Augen, bei vollem, klaren Bewusstsein. Nach einer Weile in seiner Nähe stelle ich fest, dass ich beginne, in der gleichen, subtilen Art zu lächeln. Ich fühle mich von dieser friedvollen Energie eingehüllt.

      26. Mai 72. Ich bin wieder in Delhi, diesmal, um mit Piero und Claudio zuerst nach Rishikesh abzureisen und dann einen großen tibetischen Lama zu besuchen. Ich spüre, dass es gut für mich ist, andere Meister kennenzulernen, unterschiedliche Lehren, um so mit adäquaten, vergleichenden Maßstäben Babaji einschätzen zu können.

      Rishikesh, 27. Mai 92. Wir sind in der Gruppe in Rishikesh angekommen. Rosa und ich haben im Zug Arm in Arm auf der gleichen Holzbank geschlafen.

      Rishikesh ist schön, grün, an den kiesigen Ufern des Ganges gelegen. Wir sind in dem kleinen Ashram6 von Swami Prakash Bharti, mitten in einem Mangowald. Unsere Anwesenheit ist erheiternd, und wir kochen ein großes Reisgericht mit Tomaten für die Inder, womit wir sie sehr glücklich machen.

      Der Swami hat große, ruhige Augen, braun, warmherzig. Er macht mit uns das Spiel "wer kann länger in die Augen eines anderen schauen, ohne dabei mit den Wimpern zu zucken". Er gewinnt immer. Seine Augen sind wie das Wasser eines stillen Sees. Neulich ist ein etwas ältlicher Sadhu angekommen, mit sehr langem, geknotetem Haar, er ist groß und braun, sehr mager und geht ganz langsam, in speziellen Sandalen aus Holz. Der Swami erklärt uns, dass er ein Jahr lang im Zustand des Samadhi7 gewesen war und die ganze Zeit über sei er in einer Höhle eingeschlossen gewesen, um zu meditieren, ohne zu essen, sogar den Atem, den Herzschlag anhaltend. Kann das möglich sein?

      Rosa führt im Garten völlig nackt perfekte Yogastellungen vor. Der Swami feixt darüber, aber der andere Sadhu ist echt gleichgültig. Sie sind freundlich, sie bieten uns ständig etwas zu essen an und Tee, manchmal rauchen sie auch einen Joint.

      Unaufhörlich duschen wir unter den Mangobäumen, um der Hitze zu widerstehen, und morgens gehen wir zum Fluss. Hier ist der Ganges wunderschön, der Strand weit und weiß, das Wasser sauber. Der Swami lehrt mich das indische Alphabet und Lieder. Er legt mir eine Rudraksha8 um den Hals und sagt, er sei mein Guru. Aber ich spüre, er ist es nicht. Ganz sicher bin ich mir noch nicht, ob es Babaji ist, aber ich denke immer an ihn und betrachte ständig sein Foto. Es gibt da etwas in der Ausstrahlung und Erscheinung Babajis, das ich jetzt nicht mehr Schönheit nenne, sondern Reinheit, es ist eine Reinheit, die kein anderer hat. Es ist die Energie, dessen bin ich mir bewusst, eines engelhaften Wesens.

      Tibetische Initiation

       Lama Sakya Trinzin

      Mussouri, 1. Juni 72. Heute sind wir aus Rishikesh in Mussouri angekommen, das hoch in den Bergen liegt. Piero, Claudio und ich. Wir wollen im Happy Valley leben, einem kleinen tibetischen Dörfchen. Die beiden haben sich entschlossen, herzukommen, um von Sakya Trinzin eine Einweihung zu empfangen. Er ist einer von vier Dalai Lamas, und sie haben akzeptiert, dass ich dabei bin. Mir ist klar, dass das eine ernste Angelegenheit ist. Sie sagen mir, dass ich den Lama persönlich um Erlaubnis fragen müsse, die Weihe zu erhalten. Inzwischen haben wir drei uns in einem kleinen Zimmer mit Strohmatten auf dem Boden eingerichtet. Hier leben nur Tibeter und ich finde sie sehr schön. Ihre orientalischen Gesichter ziehen mich an, mit den hohen Backenknochen, den Mandelaugen, die immer fröhlich sind. Die Männer haben oft lange Zöpfe und sind sehr lieb. Einige machen Stickarbeiten, viele beten unablässig mit großen Rosenkränzen. Sie haben nicht so eine aufregende und eindringliche, lärmende Energie wie die Inder. Sie sind friedlich, respektvoll, ruhig. Sie lächeln immer, zwinkern einem zu, man fühlt sich beschützt. Wir gehen in ihren kleinen Restaurants essen, und es ist eine Nahrung, die uns Italienern vertraut ist, Gemüsesuppe, Nudeln: man fühlt manchmal eine heimatliche Schwingung. In der Ferne sieht man die schneebedeckten Bergketten des Himalaja. Einmal waren wir auch in der Stadt in einem Luxusrestaurant zum Essen; aber auf Dauer bevorzuge ich die kleinen tibetischen Lokale, in denen es nach Gemüse duftet. Ihr Brot, das Momo, ist weiß und weich, leicht. Ständig trinken sie Tee, manchmal gesalzen, mit Butter. Die Frauen sind elegant mit ihren langen, traditionellen Kleidern, viele tragen antiken Schmuck aus Silber, Koralle, Türkisen.

      3. Juni 72. Heute besuchten wir seine Heiligkeit Sakya Trinzin im tibetischen Kloster.

      Jeder von uns darf einzeln eintreten und mit ihm sprechen. Ich bin aufgeregt, auch wegen meinem schlechten Englisch. Ich war verblüfft: der Lama ist jung, dick und irgendwie mütterlich. Er hat ein breites, rundes Gesicht und trägt große Ohrringe aus Türkisen. Er ist das perfekte Bild einer Integration männlicher und weiblicher Energie in menschlicher Gestalt, hat große, grüne Augen, klar, liebevoll, ruhig. Ich habe mich verneigt und er hat leicht seine Hand auf meinen Kopf gelegt. Auch seine Hände sind klein, grazil, er lächelt friedlich und ermutigend. Meine Angst vergeht.

      Er sagt "Dio" zu mir auf italienisch und spricht von Mario, dem ersten Italiener, der vor einigen Jahren zu den tibetischen Lamas vorgedrungen ist. Er fragt mich, ob ich mich auf den Pfad des Dharma begeben wolle. Ich stammle, dass ich wahrscheinlich vom Hinduismus angezogen sei. Er stimmt mir zu. Ich bitte ihn trotzdem, ob ich am nächsten Tag zusammen mit Claudio und Piero die buddhistische Einweihung entgegennehmen dürfte. Er sagt ja und ich bin glücklich darüber. Diese Begegnung hat mich erleichtert, gestärkt.

      4. Juni 72. Von einem großen Lama, dem Guru von Sakya Trinzin, werden wir heute eingeweiht. Es ist ein großer Segen, sagen sie mir. In der Tat, ich werde mit bewusst, dass mir besondere Dinge widerfahren, eines nach dem anderen, als würde diese ganze Reise von unsichtbarer Hand geführt.

      Bei der Einweihung waren nur wir drei Westlichen präsent, alles andere waren tibetische Mönche und Lamas, in Gelb und Dunkelrot gekleidet. Acht Stunden hat die Zeremonie gedauert, den ganzen Tag. Es war sehr schwer, durchzuhalten, Geduld zu haben, mit den steif gewordenen Gelenken auf dem Boden sitzend, und das, ohne ein Wort dieser Sprache zu verstehen, ohne etwas über die verschiedenen Rituale zu wissen, die abgehalten wurden. Ich bin schon überwältigt von dem Klingeln der Glocken und dem starken Duft


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