Das Abenteuer einer Transformation. Gora Devi

Das Abenteuer einer Transformation - Gora Devi


Скачать книгу
geführt, einem uralten Tempel inmitten des Dschungels. Die Konstruktion ist aus weißem Marmor mit vielen Muscheln und Statuen, die in den Stein eingemeißelt sind. Babaji wohnt in einem kleinen unterirdischen Zimmer.

      Abends lässt er mich vor einer Hundertschaft von Menschen tanzen; die Inder vergnügen sich. Die meisten von ihnen kommen aus den umliegenden Dörfern und es sind einfache, primitive Leute. Viele von ihnen haben bis heute noch nie einen Menschen aus dem Westen gesehen. Sie betrachten mich, fassen mich an, sie werfen sich vor mir nieder. Ich muss auf mein Ego aufpassen.

      Datha, 20. August 72. Wir sind heute in den Palast eines Maharaja umgezogen, eine echte Festung. Innen große, mit Tigerfellen dekorierte Räume.

      Was mich am meisten beeindruckt, sind die Frauen: sie leben in Isolation, gehen nicht aus, sie sehen keine Männer, abgesehen ihre eigenen Ehemänner. Zusammengekauert halten sie sich alle in den Zimmern und Veranden auf. Es wirkt wie eine mittelalterliche Szene.

      Vrindavan, 25. August 72. Nach Vrindavan zurückgekehrt, hat mich die Polizei gefunden. Mein Visum ist abgelaufen. Ich habe mich nie darum gekümmert, ja, aus einem anarchistischen Impuls heraus lebte ich genüsslich seit sechs Monaten hier, ohne die nötigen Papiere. Innerhalb von drei Tagen muss ich Indien verlassen. Ich laufe zu Babajis Tempel.

      Er fragt mich, was ich tun möchte, ich sage ihm, dass ich gerne nach Nepal ginge, zu den tibetischen Lamas. Er lächelt, holt mich in sein Zimmer und sagt, ich dürfe ihm jetzt Fragen stellen. Es ist das erste Mal. Ich frage ihn, ob ich nach Italien zurückkehren werde. Er antwortet: "Du wirst das ganze Leben in Indien zu meinen Füßen bleiben." Ich frage ihn, wer ich in meinen früheren Leben gewesen sei. Er sagt, ich sei eine Inderin aus Almora gewesen, mit Familie, Kindern, und noch früher eine tibetische Königin und Schülerin Shivas. Er sagt, ich solle mir keine Sorgen machen, denn ich würde zu ihm nach Indien zurückkehren.

      Unterwegs in Nepal

      Kathmandu, 5. September 72. Mit einer zufälligen Reisebekanntschaft, einem sehr freundlichen Amerikaner, bin ich in Nepal angekommen. Ich fühle mich wirklich wie auf einer Abenteuerreise, auch, weil mein Geld quasi ausgegeben ist. Wir finden sofort in einem großen Haus außerhalb von Kathmandu ein Zimmer.

      Es wird hauptsächlich von Amerikanern bewohnt, die seit langem schon in Nepal leben. Es ist ein schöner, sauberer Ort, mit einem großen Garten. Überall in dem kleinen Dorf Swayambhu gibt es Restaurants und tibetische Häuser. Auf dem Berggipfel sind Tempel, sowohl für Hindus, als auch Buddhisten, in denen die beiden Religionen friedlich nebeneinander existieren. Tag und Nacht werden die Glöckchen geläutet, überall sind Votivlampen und es duftet nach Weihrauch. Schwärme von Affen springen von einem Tempel zum anderen. Der Zugang zum Berg führt über eine große Treppe aus weißem Stein, wie bei einem langen Pilgergang, und es ist zudem Brauch, verschiedene Runden mit Verbeugungen um die Tempel herum zu machen. Ich verneige mich immer wieder vor den verschiedenen Buddhas der Vergangenheit, der Gegenwart, der Zukunft...

      15. September 72. Das Nepal-Abenteuer ist faszinierend. Die Amerikaner, die in unserem Haus leben, sind alte Füchse des Orients, Experten in allem. Sie haben sich die Lehren der verschiedenen Meister, sei es der indischen oder tibetischen, zunutze gemacht. Sie schaffen es zu leben, indem sie Geschäfte organisieren, wie Teppichhandel und verschiedene Dinge. Sie haben Geld und sie behandeln einander gut. Es sind Luxus-Hippies, und in Nepal leben sie wie reiche Leute.

      Im Weißen Haus, so heißt der Ort, in dem wir leben, organisieren sie oft große Parties, zu denen viele Westliche kommen, die in der Stadt leben. Es ist eine Menge Haschisch im Umlauf, man ist immer in einem etwas irrealen Zustand, aber sehr mystisch. Einige dieser Leute sind sehr schön, intensiv und ich sehe sie voller Bewunderung an. Ihnen gegenüber fühle ich mich wie ein kleines Mädchen, eine Anfängerin. Aber sie akzeptieren mich in ihrem Kreis. Tagsüber esse ich in den kleinen tibetischen Lokalen dort in der Nähe. Ich fühle mich heimisch. Die Tibeter sind immer freundlich und liebenswert. Ich entdecke auch die Anwesenheit einer großen italienischen Kolonie, einige sind Freunde von Freunden: im Unterschied zu den Amerikanern sind sie Aufschneider, ohne Geld, und einige hängen an harten Drogen.

      20. September 72. Ich probiere alles aus. Zum ersten Mal, seit ich unterwegs bin, fühle ich mich in der Zauberhöhle. Hier gibt es wirklich alles und ich versuche, alles auszuprobieren. Jeden Morgen stehe ich früh auf, Erinnerung an Babajis Lehre, und in der Morgendämmerung steige ich die langen Treppen zu den Tempeln hoch, auf den Gipfel des Berges. Von da oben ist die Sicht auf das noch schlafende Kathmandu, in einen rosa Nebelschleier gehüllt, schön und beeindruckend. Dann frühstücke ich mit den Freak-Freunden in einem der örtlichen Restaurants und mache einen schönen Spaziergang hinunter zur Stadt.

      Kathmandu ist anziehend, am Tor zu mehreren Zivilisationen, hier treffen sich Indien, Nepal und Tibet. Die Nepalesen sind ruhig, lächelnd, farbenprächtig; auch hier stehen die Tempel der Hindus und Buddhisten friedlich nebeneinander. Ich besuche sie alle, laufe durch die Straßen des vollen Basars, ich gehe Mittagessen, wo ich gerade bin, es gibt so viele Lokale und sie sind sehr preiswert. Abends bin ich mit den amerikanischen Freunden zusammen und versuche auch ein bisschen etwas von dieser Kultur in mich aufzunehmen. Sie sind versnobt und überheblich, sie waren die ersten, die den Orient entdeckten und einen Weg fanden, profitable Geschäfte zu machen, es ist, als hätten sie schon immer alles gewusst.

      Manchmal gehen wir zum Tanzen in eine Diskothek in der Stadt, eine Mischung aus Orient und Westen, Musik von den Rolling Stones und tibetische Trompeten. Ich vergnüge mich, habe Spaß, rauche Haschisch, tanze ausgelassen und fühle mich frei.

      25. September 72. Letzte Nacht habe ich zu viel geraucht und es ging mir schlecht. Ich muss aufpassen, dass ich es nicht übertreibe, denn sonst ist es kein ganzes Vergnügen mehr. Ich bin zur indischen Botschaft gegangen, um ein neues Visum zu beantragen, aber für den Augenblick haben sie keinerlei Absichten, es mir zu geben. Sie haben nach Neu Delhi geschrieben und Erkundigungen nach mir eingeholt.

      Abdullah, ein marokkanischer Junge, Schauspieler im 'Living Theatre', macht mir den Hof. Aber er gefällt mir nicht, ich habe sogar ein bisschen Angst vor ihm. Er ist ganz in Schwarz gekleidet, mit ungeheuren Augen. Er ist faszinierend, weil er so katzenhaft ist, von der Qualität eines Balletttänzers, biegsam, hexenmeisterhaft. Neulich abends sah ich ihm voller Bewunderung beim Tanzen zu. Aber ich habe keine Lust auf Sex. Oft schaue ich mir das Foto von Babaji an, das neben meinem Bett steht, rein, weiß, strahlend und denke, dass ich gerne Brahmachari werden würde wie er. In diesen Momenten habe ich kein Bedürfnis nach einer körperlichen Beziehung.

      2. Oktober 72. Ich habe kein Geld mehr und das ist jetzt ein echtes Abenteuer für mich. Oft habe ich mich gefragt, wie es die Leute aus dem Westen machen, die den Mut haben, sich in das Wagnis zu stürzen: sie reisen auf gut Glück, oft sitzen sie ohne einen Pfennig da. Und jetzt passiert es mir selbst.

      Ich spüre, dass es eine Prüfung für mein Vertrauen in den Weg ist, den ich eingeschlagen habe, dass ich durchhalten muss. Es widerstrebt mit, meine Eltern um Geld zu bitten, die meine Entscheidung absolut nicht mit mir teilen, und es scheint mir auch nicht richtig. Heute hatte ich nicht keinen Penny in der Tasche und die Mittagszeit rückte näher. Ganz zufällig hat mich jemand eingeladen. Ich bin ohne Fahrschein mit dem Bus gefahren, dem Hausbesitzer muss ich auch noch die Miete bezahlen. Endlich habe ich jemanden gefunden, der mir etwas geliehen hat.

      25. Oktober 72. Eine lange Zeitspanne liegt hinter mir, in der ich unterwegs war, Haschisch rauchte und mit allen redete. Ich bin müde.

      Gestern Abend fühlte ich mich richtig verstört. Als ich nach Hause kam, war Licht in meinem Zimmer. Piero saß auf meinem Bett, rasiert und mit glänzenden Augen. Ich bat ihn, mich mitzunehmen, raus aus der Stadt, zu den tibetischen Lamas. Ich sagte ihm, dass ich von dieser Art Leben enttäuscht sei. Er stimmt mir zu, es scheint, als habe er sich entschlossen, Mönch zu werden.

      Lama Yeshe: Ich fand mich vor ihm sitzend, lachend, wie er,

      


Скачать книгу