Das Abenteuer einer Transformation. Gora Devi
Weise, in tiefen und hochklingenden Tönen, die eine perfekte Harmonie bilden. Der letzte Moment der Einweihung bleibt mir eindrucksvoll in Erinnerung, als der Meister an jedem von uns vorbeiging und uns eine rote Kordel als Siegel des Rituals um den Hals legt. Ich bin bewegt von dem Lächeln, das mir der Lama gibt, weise, zwinkernd, lachend, als kenne und akzeptiere er mich schon seit langer Zeit. Erfüllt von etwas Neuem, einer unbeschreiblichen Kraft, gehe ich hinaus. Jetzt müssen wir die Einweisung üben und meditieren. 14 Tage lang. Dazwischen können wir Lama Sakya Trinzin aufsuchen, wenn wir wollen, für Erläuterungen, um Anweisungen zu bekommen. Ich fühle mich geehrt.
Seit heute haben wir uns zu dritt in unser kleines Zimmer zurückgezogen. Die Meditation ist komplex, sie besteht aus einer langen Aufzählung der verschiedenen Symbole eines Buddha-Ebenbildes, die jedes Mal gelesen werden muss und aus einem langen Mantra, das mit Hilfe eines Rosenkranzes, Mala genannt, zu rezitieren ist.
6. Juni 72. Die größte Schwierigkeit besteht darin, sitzen zu bleiben. Claudio lehrt mich, wie man die Wirbelsäule aufrecht hält, die Beine kreuzt, ohne dass sie einschlafen. Unser westlicher Körper, der an Betten und Stühle gewöhnt ist, hat Mühe, auf dem Boden zu sitzen. Alle Muskeln tun weh. Die Inder dagegen sind unglaublich biegsam, geschmeidig, ob Männer oder Frauen. Seit alters her sind sie es gewohnt, in Kontakt mit der Erde zu leben. Sie gehen barfuß, essen mit den Händen, schlafen auf dem Boden, kochen und putzen immer zusammengekauert am Boden.
Das zweite Riesenproblem ist offensichtlich, den Geist zu beherrschen. Ich versuche es tapfer...
Wir haben den Lama wiedergesehen. Ich habe ihn gefragt, wie es kommt, dass Buddha immer auf einer Lotusblüte sitzend meditiert. Die Lotusblüte, antwortete er, sei ein Symbol unserer Seele: wie die Lotusblüte, diese wunderschöne Blume, ihre Blütenblätter öffnet, während sie auf der Wasseroberfläche - oft in dunklen, stehenden Gewässern - schwebt, so kann sich unsere Seele öffnen durch das Licht der Weisheit, indem sie sich über Finsternis und Ignoranz erhebt.
Delhi, 20. Juni 72. Wir sind erneut in Delhi und haben die ganze Clique wiedergetroffen. Wir finden uns immer wieder, zufällig, aber es ist, als hätten wir uns in Wirklichkeit verabredet.
Eigentlich sollten wir zurück nach Mussouri für eine weitere Einweihung, aber ich fange wieder an, an Babaji zu denken. Er ist immer noch ein Problem für mich. Er spricht nicht, er gibt mir keine Anweisungen, er bringt mich nicht zum Meditieren. Es scheint, als wäre es etwas, das auf dem Nichts basiert. Und doch stellt Babaji eine unbeschreibliche magische Anziehungskraft dar. Jedes Mal, wenn ich sein Foto ansehe, nehme ich ein intensives Licht wahr, bestimmt eine Halluzination.
22. Juni 72. Ich habe hohes Fieber bekommen und konnte nicht mit Piero und Claudio abreisen. Letzterer hat mir gerade eine kleine Shiva-Figur geschenkt, einen Gott des Yoga, möglicherweise ist Babaji der Gleiche?
Vrindavan, 27. Juni 72. Ich bin zu Babaji zurückgekehrt und erlebte eine starke Emotion. Diesmal hat er mich zu sich gerufen, um mit mir an der Schwelle des Tempels zu sprechen. Er berührte meine Armbänder und hat mich gefragt, warum ich alle diese Ornamente trage. Am Abend ließ er mich vor den Indern tanzen und sagte ihnen, ich sei ein Hippy. Dann betrachtete er die Tätowierung des kleinen OM-Zeichens, das ich auf meiner Hand habe und sagte zu mir: "Full power!", (stark!).
Delhi, 30. Juni 72. Warum weiß ich nicht, aber ich muss nach Delhi zurück. Ich bin unruhig und das Leben im Tempel ist zu schwierig für mich. Wahrscheinlich bin ich nicht bereit, die Freunde fehlen mir und ein freieres, bequemeres Leben.
Ich bin zu Babaji zurückgekehrt
Liebesgeschichte
Delhi, 5. Juli 72. Kaum angekommen, treffe ich Sitaram, einen der beiden Amerikaner, die mit Shanti in Almora waren. Ich klammere mich an ihn, weil diesmal in Delhi niemand ist und ich mich verloren fühle. Und so ist eine etwas verrückte Sache geschehen. Wir haben eine Liebesgeschichte angefangen. Ich weiß nicht einmal so recht, wie es überhaupt passiert ist. aber wir fahren jetzt zusammen weg, um uns ein Haus in den Bergen zu suchen.
Simla, 7. Juli 72. Wir sind in Simla, oben in den Bergen, und es regnet ununterbrochen. Mit großen Schirmen und barfuß laufen wir herum. Wir suchen ein Haus, in dem wir die Regenzeit verbringen können. Heute haben wir eine sehr schöne Stelle gesehen, am Ufer eines Flusses, mitten im Grünen.
11. Juli 72. Seit einigen Tagen sind wir in unserem neuen Haus eingerichtet, wir meditieren, kochen und gehen im Fluss baden. Sitaram hat immer einen kompletten Tempel und alle Darstellungen der indischen Heiligen im Gepäck, wenn er reist. Er hat verschiedene Gurus kennengelernt und weiß vieles, er bringt mir Englisch bei. Wir verstehen uns gut, aber ich kann Babaji nicht vergessen.
Vrindavan, 22. Juli 72. Hier bin ich also wieder in Vrindavan, um mich vor Babaji zu verneigen. Diesmal nimmt er mich sehr ernst zur Seite und sagt, dass ich jetzt nicht mehr ohne seine Erlaubnis weggehen kann; ich protestiere, zeige ihm das Foto von Sitaram und erzähle ihm von unserem Haus.
Er sagt, dass er mein Mann sei, das da sei nicht mein Haus, dass in Zukunft nur Haidakhan und Almora mein Zuhause sei. Die Sache beeindruckt mich und ich denke die halbe Nacht darüber nach. Aber mein Gepäck ist in Simla und deshalb werde ich zurückreisen, mit dem Versprechen, wiederzukommen.
Simla, 25. Juli 72. Erneut bin ich in Simla. Seltsamerweise funktioniert überhaupt nichts mehr. Das Bild von Babaji ist eine Art von Obsession geworden. Er hat mir ein Gemälde geschenkt, das er selbst gemalt hat, das den Tempel von Haidakhan darstellt, lieblich, naiv, ich betrachte es ständig.
Jedes mal, wenn ich ihn anschaute, sah ich ihn
umgeben von einem großen Licht.
Rückkehr zu Babaji
Vrindavan, 29. Juli 72. Ich bin nach Vrindavan zurückgekehrt, ohne zu wissen, dass heute Guru Purnima ist, der Vollmond im Juli, der in ganz Indien dem Guru gewidmet ist. Heute Abend ließ mich Babaji die ganze Zeit im festlich geschmückten Tempel tanzen. Jedes Mal, wenn ich ihn ansah, sah ich ihn von einem großen Licht umgeben. Er hat einen Dänen angewiesen, mit mir zu tanzen. Der versuchte, mich anzufassen, aber ich bin ihm immer wieder ausgewichen: ich fing an, mich frei zu fühlen, ganz leicht.
Als ich mich vor Babaji verneigte, dachte ich diesmal, dass er wirklich und einzig mein Guru ist und dass es unnütz ist, noch weiter irgendwo sonst hinzugehen.
4. August 72. Babaji hat mich und viele Inder auf eine Reise mitgenommen. Wir sind nach Ambaji in den Staat Gujarat gefahren, um einen berühmten, uralten Tempel aufzusuchen, der der göttlichen Mutter geweiht ist. Ein unglaublicher Menschenandrang herrscht die ganze Zeit über und hunderte von Personen stehen Schlange, um vor Babaji Pranam9 zu machen.
Stundenlang bleiben wir sitzen, um zu singen und Babaji anzusehen. Ich frage mich, wie das möglich ist, er bleibt einfach sitzen, wir schauen ihn die ganze Zeit an und er beobachtet nur. Da ist eine seltsame Anziehungskraft, magnetisch, schwer zu beschreiben. Aber viele Dinge spielen sich in seiner Gegenwart innerlich ab, als sei er ein großer Katalysator für gebündelte gemeinsame Energie. Seine Gesten, seine Bewegungen, seine Gestalt, sie drücken eine Harmonie und eine faszinierende Perfektion aus. Der Geist tritt in eine andere Dimension ein, in einen Zustand der Ruhe und innerer Betrachtung.
Die Inder verehren ihn offenbar wie einen Gott auf Erden, sie werfen sich ihm mit all ihrer Seele, ihrer Demut, ihren Bitten, ihren Hoffnungen zu Füßen. So sehr wünschte ich mir, wie sie zu sein. Weniger denkend und einfacher, reiner. jedes Mal, wenn ich mich vor Babaji verbeuge, entfesselt sich in meinem Geist ein Höllenlärm, in dem sich absurde und widersprüchliche Gedanken überschlagen, manchmal gewalttätige und unangenehme. Ich hätte gerne mehr Frieden.
Ambaji,