Tausche Einsamkeit gegen Zweisamkeit. Ingrid Schmahl

Tausche Einsamkeit gegen Zweisamkeit - Ingrid Schmahl


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      1. Kapitel

      BITTE AN AMOR

      Gerda Umweg war gerade 58 Jahre alt geworden. Sie war von Kopf bis Fuß eine gutaussehende Frau mit einem bezaubernden Lächeln, wenn sie nicht gerade an ihr neues Singledasein dachte. Nach fünfundzwanzig nicht sehr glücklichen Ehejahren war sie seit der vorigen Woche frisch geschieden. Diese machte ihr das Leben ziemlich schwer. Gerda hatte mit Kurt zwei Kinder, die sich trotz der schwierigen Situation im Hause Umweg sehr gut entwickelten. Gerda musste sich eingestehen, dass das Ende ihrer Ehe mit Kurt vorauszusehen war. Kurts Frauengeschichten waren einfach nicht mehr zu tolerieren. Zu allem Unglück wurde sie auch gerade als Flugbegleiterin der Worldtours in den Vorruhestand geschickt. Sie sei für die ständigen Flüge rund um den Globus nicht mehr fit genug, sagte ihr Chef, Herr Gutedel. Er hatte ihr in einem Gespräch angeboten, weiter beim Bodenpersonal zu arbeiten. Aber davon wollte Gerda nichts wissen. Die Arbeit am Stuttgarter Worldtours-Schalter war in ihren Augen eine Degradierung, die sie nicht hinzunehmen bereit war. Wenn Gerda in ihrer schicken Uniform und dem kessen Käppi auf den blonden, kurzen Locken zusammen mit dem Flugkapitän und den Kolleginnen nach einem Flug aus Hongkong oder einem anderen Punkt auf der Weltkugel durch den Stuttgarter Flughafen schritt, sahen ihr viele Männer bewundernd nach. Bei der Arbeit am Flughafenschalter würde sie nicht einmal von ihrer Arbeit aufsehen können. Da drängelten nervöse, gestresste Männer und wollten möglichst schnell abgefertigt werden. Ehefrauen und quengelige Kinder warteten ungeduldig darauf, dass es nun bald losginge.

      Weil Gerda also nicht auf das Angebot ihres Chefs einging, war sie jetzt ohne Arbeit. Sie langweilte sich sehr und wusste nichts mit sich anzufangen. Sie wohnte in Krähenwinkel, einem kleinen Ort in der Nähe von Stuttgart. Wenn man Krähenwinkel auf der Landkarte suchen würde, wäre es schwer, diesen Ort zu finden.

      Als sie in Stuttgart bei der Worldtours arbeitete, konnte sie nach Feierabend noch durch die Stadt schlendern oder mit den Kolleginnen in einem guten Restaurant etwas essen. In Krähenwinkel gab es kein schickes Restaurant, sondern nur Emilios Pizzeria. Weil sie an diesem Tag vor lauter Frust noch nichts gegessen hatte, entschloss sie sich, am Abend eine Pizza bei Emilio zu essen. Als sie dann jedoch in der Pizzeria stand, entschied sie sich, die Pizza mit nach Hause zu nehmen. Es war ihr einfach zu laut und nach ihren Maßstäben nicht sauber genug in dem Lokal. Also machte sich Gerda an diesem verregneten Abend mit ihrer verführerisch duftenden Pizza quadro statione von Emilio auf den Weg nach Hause. Sie wollte dort zur Beruhigung ihrer Nerven diese Pizza essen und ein Glas Rosèwein, Marke Durbacher Premium trinken.

      Plötzlich schrie sie erschrocken auf, weil eine kleine, pechschwarze Katze aus der Dunkelheit auftauchte und dicht vor ihr stehen blieb.

      „Ksch – mach, dass du wegkommst“, versuchte Gerda, sie zu verscheuchen.

      Die Katze machte ein Gesicht, als ob sie die Frau auslache. Dann stolzierte sie langsam über die zum Glück unbelebte Straße weiter und verschwand im Gebüsch.

      „Was ist nur los mit mir? Warum bin ich so schreckhaft geworden?“

      Ihre Nerven waren wirklich schlecht. In der vergangenen Nacht hatte sie von ihrem Ex-Ehemann Kurt geträumt und war am Morgen total verstört und mit einem Gefühl der Verlassenheit aufgewacht. Den ganzen Tag hatte sie über ihren Traum nachgedacht.

      So saß Gerda Umweg also jetzt am Abend einsam und traurig mit ihrer Pizza und dem Glas Durbacher Rosè in ihrem Lieblingssessel vor dem Fernsehgerät und schaute sich den Liebesfilm „Rote Rosen für die Liebe“ an. Eigentlich sollte sie lieber einen Krimi ansehen; so einen, in dem harte Männer sich gegenseitig umbringen und der Schluss ganz anders ist, als man es gedacht hat. Ein Liebesfilm machte sie einfach zu traurig. Wenn sich die Pärchen küssen und voller Begehren auf die breite Couch sinken, wurde sie neidisch und ihr neues Single-Leben kam ihr vor, als wäre sie von aller Welt abgeschrieben worden.

      Neben ihr auf dem Couchtisch stand griffbereit die Flasche mit dem guten Wein, der sie aber auch nicht tröstete. Sie merkte nach dem dritten Glas, dass sie lieber etwas weniger trinken sollte.

      Beim Aufstehen aus ihrem Sessel schwankte sie leicht. Der Wein hatte immerhin 12,5 Prozent Alkohol. Aber er verhalf ihr zu der nötigen Bettschwere.

      Jetzt schlug die große, alte Standuhr, die sie von ihrer Großmutter geerbt hatte, mit dumpfen Schlägen elf Uhr. Das Glas war leer, und in der Flasche war nur noch ein kleiner Rest. Die Käsewürfel hatte Gerda auch längst aufgegessen und der tränenrührige Film im Fernsehen war beendet. Wie es nun einmal im Film so ist, haben sich die beiden Liebenden nach vielen Wirren gefunden. Sie sind glücklich und verliebt. Warum gab es das nur immer im Film und nicht auch einmal für sie?

      Mit diesen trüben Gedanken, die sich auch durch den genossenen Wein nicht vertreiben ließen, ging Gerda mit leichter Schlagseite ins Badezimmer. Sie sah ihr vom Alkohol gerötetes Gesicht und streckte sich selbst die Zunge heraus. Wie konnte man sich nur so gehen lassen! Sie nahm den neuen, hellroten Lippenstift, den sie gerade erst für teures Geld gekauft hatte, drehte ihn bis hinten hin auf, drückte fest und schrieb mit unsicherer Hand auf den Spiegel über dem Waschtisch:

      „MANN GESUCHT!“

      Nach dieser Misshandlung war der teure Lippenstift dann auch prompt abgebrochen. Verflixt und zugenäht! Wie und wo fand sie nur einen netten Partner nach der Scheidung von Kurt? Einen, der nur sie liebte und ihre Interessen teilte? Wo fand sie ihn nur?

      Nach einer Katzenwäsche ging sie mit unsicherem Schritt in ihr riesiges, sehr teuer aus Peddigrohr handgearbeitetes Doppelbett, das sie eigentlich schon längst entsorgen wollte. Die leere Hälfte neben ihr schien sie höhnisch anzugrinsen, als wollte sie sagen: „Selbst schuld!“

      Aber weil Gerda die Hoffnung auf Zweisamkeit noch nicht aufgegeben hatte, ließ sie das Doppelbett in ihrem Schlafzimmer stehen. Man konnte ja nicht wissen!

      Anscheinend war Amor blind und schwerhörig. Gerdas Flehen bemerkte er überhaupt nicht.

      „Warum haben immer nur die anderen Glück? Mich vergisst Amor völlig.“

      Das waren Gerdas Gedanken, die sie schon am vergangenen Abend hatte, und die auch am Morgen wieder in ihrem Kopf Karussell fuhren und sie mit einem riesigen Kater aufwachen ließen. Kopfschüttelnd las sie im Bad, was sie da mit ihrem guten Lippenstift auf den Spiegel geschrieben hatte.

      „Oh je, ich muss doch entschieden zu viel getrunken haben“, dachte sie. „Aber wenn das hilft, mein seelisches Gleichgewicht zu finden, dann war es genau richtig.“

      Sie setzte sich, noch ziemlich schläfrig, in der Küche an den Tisch. Einzig eine Tasse Kaffee konnte sie jetzt retten. Auf der Tischplatte lag immer noch das Gedicht, das sie am Abend vorher so richtig aus der Fassung gebracht hatte. Sie hatte es nach mehrmaligem Lesen aus der Tageszeitung ausgeschnitten und mit Tesafilm auf die Tischplatte geklebt.

      Wieder und wieder las sie dieses Gedicht, das ihrem Kummer die richtigen Worte verlieh:

      Blütenduft und Sonnenschein,

      Liebesfreud soweit man sieht.

      Nur ich sitze hier allein,

      grau und trist ist mein Gemüt.

      Könnt ich nicht auch eng umschlungen

      sitzen hier mit einem jungen

      oder ält’ren Kavalier?

      Ja, ich könnte darum wetten,

      meine Trübsal wär dahin.

      Voll Musik wär dann mein Sinn.

      Ach erhör mich, Gott der Liebe.

      Noch sind nicht verdorrt die Triebe

      und die Lust auf Zärtlichkeit.

      Willst du meiner dich erbarmen,

      sende heut noch dieser Armen

      Liebeslust und Liebesfreud.

      Da kommt schon ein Kavalier,

      und er setzt sich auch zu mir.

      Herzen fliegen


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