Tausche Einsamkeit gegen Zweisamkeit. Ingrid Schmahl
Kleine, hast du Sorgen?“ Kurt kannte seine Tochter sehr gut.
„Ach Papa, gut dass ich dich treffe. Ich möchte so gerne an diesem Wochenende mit meinen Freundinnen in die Disco. Leider habe ich überhaupt nichts mehr anzuziehen. Kannst du mir nicht die tolle Bluse aus der Boutique hier kaufen? Sie kostet auch nur 120 Euro. Ist doch echt billig!“ Aber nein, Papa schüttelte nur den Kopf: „Tut mir leid, habe selbst nichts. Die Tüten, die ich für Angelika, äh – für meine Kundin trage, sind deren Einkäufe. Ich bin nur der Tütenträger. Ha ha. Frag Mama mal. Die hat doch das große Geld.“
Es war Jessy schon klar, dass diese Angelika Vaters Freundin sein musste, die den spendablen Mann jetzt nach seiner Scheidung ganz für sich haben wollte, nachdem sie sich bereits häuslich bei ihm eingenistet hatte.
Angelika, die das Gespräch zwischen Vater und Tochter staunend mit anhörte, war leicht irritiert: „Ist das deine Tochter? Du hast mir erzählt, du hättest keine Familie, für die du sorgen musst. Wenn du so eine süße Tochter hast, hättest du ihr die Bluse auch kaufen sollen. Mir hast du ja auch gerade die teure Jacke geschenkt.“
Kurt hatte nun keine andere Wahl, und an Jessy gewandt:
„Gut, überredet. Du bekommst die Bluse. Du sollst dich doch nicht über deinen Vater beklagen, auch wenn er jetzt nicht mehr bei euch wohnt. Du warst immer mein Liebling und bist es auch heute noch.“
Kurt sah kurz zu Angelika hin, die aber nun so tat, als hätte sie diese liebevollen Worte zwischen Vater und Tochter nicht gehört. Sie überlegte sich jedoch, dass es vielleicht nicht so ideal wäre, einen Mann wie Kurt, dessen Ex-Familie finanziell noch sehr an ihm hing, an sich zu binden. Gut, dass Kurt nichts von diesen Gedanken ahnte.
Inzwischen wurde in den ganzen Jahren, bis es einfach nicht mehr weiterginge, in der Familie Umweg viel gestritten. Meist ging es um Geld. Und um Geld ging es auch noch nach der Scheidung. Das war auch Kurts Freundin Angelika klar.
3. Kapitel
BLICK ZURÜCK
Wie hatte es denn eigentlich mit Kurt und Gerda angefangen? Sie waren doch so verliebt, als sie sich im Flieger nach Marokko kennenlernten. Gerda arbeitete als Flugbegleiterin. In ihrer schicken Uniform sah sie umwerfend aus, und Kurt konnte die Augen nicht von ihr abwenden. Alle Augenblicke bat er sie um etwas, damit sie sich ihm widmen musste:
„Kann ich wohl noch einen Drink bekommen?“ Dann wieder:
„Ich komme mit meinem Sitz nicht zurecht. Helfen Sie mir?“ Das tat sie natürlich gerne, weil ihr Kurt auch sehr gefiel. Dieser gut aussehende, braungebrannte junge Mann in dem teuer aussehenden hellblauen Armani-Hemd und der weichen, braunen Lederjacke darüber hatte ein so umwerfendes Lächeln, dass Gerda ganz schwach wurde. Sie wusste genau, dass es ihr verboten war, mit den Passagieren zu flirten, aber in diesem Fall dachte sie an keine Verbote und schaute Kurt sehr verliebt an.
„Sehen wir uns in Marokko?“, flüsterte Kurt ihr leise zu. Aber Gerda hatte keinen Aufenthalt in Marokko, sondern musste gleich mit dem nächsten Flieger wieder zurück nach Deutschland. Gerda flüsterte ebenfalls sehr leise und unauffällig: „Schade, das geht leider nicht. Aber wir könnten telefonieren, wenn Sie wieder aus den Ferien zurück sind.“
Mit diesen Worten drückte sie Kurt einen Zettel mit ihrer Telefon-Nummer in die Hand. Das alles musste sehr diskret vor sich gehen. Flugbegleiterinnen war der private Umgang mit den Passagieren verboten.
Kurt nahm den Zettel lächelnd an sich. Er wusste ganz genau, dass er bei Frauen durch sein elegantes Auftreten schnelle Erfolge erzielen konnte. Dass er mit der Flugbegleiterin Gerda einen heißen Flirt während des Fluges hatte, hielt ihn nicht davon ab, sich in Agadir, seinem Feriendomizil, nach einer Urlaubsbegleitung umzusehen. Gleich am ersten Abend saß er in seinem Hotel Colombe an der Bar und neben ihm saß eine aufregende junge Frau, die scheinbar auch alleine hier ihre Ferien verlebte. Sie hatte langes, blauschwarzes Haar, das sie schwungvoll nach hinten warf, wenn sie lachte. Alles, was sie an Kleidung und Schmuck trug, sah sehr teuer aus. Die leicht durchsichtige, rote Bluse ließ ihre gute Figur ahnen. Der kurze schwarze Rock saß sehr eng und versteckte kaum die langen, gutgeformten Beine. Sie blitzte Kurt mit ihren schwarzen, aufregenden Augen an und schien einem Flirt nicht abgeneigt zu sein.
„Sprechen Sie Deutsch, schöne Frau?“
„Aber sicher. Ich bin doch mit dem gleichen Flugzeug wie Sie aus Stuttgart gekommen. Aber Sie hatten ja während des ganzen Fluges nur Augen für die blonde Flugbegleiterin. Dabei hätte ich Sie sehr gerne kennengelernt.“
„Na ja, das lässt sich ja jetzt nachholen“, lachte Kurt.
„Ich heiße Kurt Umweg.“ Dabei machte er eine kleine Verneigung.
„Oho, der perfekte Gentleman“, lachte nun auch seine neue Bekanntschaft.
„Ich heiße Marie-Lou. Der Nachname spielt hier in den Ferien keine Rolle. Du kannst ruhig Marie-Lou und Du sagen.“
„Darauf müssen wir aber ein Glas Sekt trinken.“
„Sekt? Bin ich dir nicht wenigstens Champagner wert?“
Kurt steckte die kleine Rüge lächelnd ein und bestellte bei dem Barmann zwei Gläser vom besten Champagner. „So recht?“, fragte er Marie-Lou.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht kränken, aber den billigen Sekt vertrage ich nicht.“
Bei dem ersten Glas blieb es natürlich nicht. Kurt und Marie-Lou kamen sich mit ihren Barhockern so nahe, wie die Hocker es nur zuließen.
„Eigentlich wäre doch auch ein Kuss üblich, wenn man zum Du übergeht. Kennst du das nicht?“, fragte Kurt lockend.
Marie-Lou kannte diesen Brauch natürlich auch und so neigte sie sich zu Kurt und es erfolgte ein sehr intensiver Kuss. Mit diesem Kuss an der Bar waren Kurt und Marie-Lou für die übrigen Hotelgäste als Pärchen zusammen, das stand fest. Die beiden hatten Gefallen aneinander und hofften, noch viele Stunden gemeinsam zu genießen.
„So, ich werde jetzt mal langsam ins Bett gehen“, verkündete nach einigen Gläsern Champagner Marie-Lou.
„Bezahlst du für mich mit? Ich habe kein Geld in die Bar mitgenommen.“ „Das ist doch keine Frage, fühle dich eingeladen.“
Marie-Lou rutschte von ihrem Barhocker. Dann blieb sie nachdenklich stehen:
„Hättest du vielleicht Lust, mit mir in meinem Zimmer noch einen kleinen Absacker zu trinken?“ Das ließ sich Kurt natürlich nicht zweimal sagen. So gingen Kurt und Marie-Lou Arm in Arm zum Aufzug und fuhren in Marie-Lou’s Zimmer Nr. 312 im dritten Stock. Dann kam es so, wie es sich die junge Frau und auch Kurt gewünscht hatten. Es wurde ein stürmischer Abend und eine noch stürmischere Nacht, der viele stürmische Nächte folgten. Da die Minibar in Marie-Lou’s Zimmer nur Mineralwasser und Piccolos enthielt, hatte Kurt bei seinen weiteren Besuchen immer eine Flasche eisgekühlten Champagner bei sich, der die Gefühle ordentlich anheizte. Während des Tages wurden die beiden dann im Hotel, außer bei den Mahlzeiten, kaum gesehen. Diese aufregenden Nächte konnten sie nur durch einen ausreichenden Schlaf während des Tages wieder ausgleichen. Kurt sah sein eigenes Zimmer in den ganzen 14 Tagen kaum. Nur zum Wäschewechsel tauchte er dort auf. Das wunderte das Personal des Hotels kaum. So etwas war man gewohnt. Ferienzeit war eben kein Ehealltag.
Dann waren 14 wundervolle Tage und Nächte beendet. Für Kurt und Marie-Lou begannen wieder die Gedanken an den Alltag zuhause. Kurt hätte diese aufregende Beziehung gerne weiter geführt. Aber Marie-Lou erklärte ihm klipp und klar, dass in Friedrichshafen ihr Ehemann auf sie warte.
„Du glaubst doch wohl nicht, dass ich meine Ehe deinetwegen aufs Spiel setze. Das, was mir mein Mann finanziell bietet, kannst du mir nicht bieten. Und nur für einen Urlaubsflirt mit gutem Sex lasse ich diese Beziehung nicht sausen.“
Kurt war wie vor den Kopf geschlagen. Er hatte sich in Gedanken schon eine tolle Zukunft mit Marie-Lou ausgemalt. „Na ja, so sind Frauen eben“, dachte er böse und verletzt.