Tausche Einsamkeit gegen Zweisamkeit. Ingrid Schmahl
sah sie überhaupt nicht mehr. Kurt jedoch sah sich Marie-Lou’s Mann eingehend an. Ziemlich neidisch schoss es ihm durch den Kopf: „Dachte ich es mir doch, dass dieser Mann außer mit viel Geld eine solche Superfrau nicht halten kann. Tja, so sind die Frauen eben. Aber andere Mütter haben auch schöne Töchter. Und die Flugbegleiterin vom Flug nach Marokko war auch nicht schlecht. Außerdem hatte sie mir doch ihre Telefonnummer gegeben. Man könnte ja einmal versuchen, diese hübsche, kesse Blondine aus dem Flieger anzubaggern. Sie sah eigentlich aus, als wenn sie einem Flirt und weiterem nicht abgeneigt wäre. Aber zuerst muss ich mich jetzt um meine Geschäfte kümmern. Der Urlaub war doch ziemlich teuer.“
Mit diesen trüben Gedanken nahm er seinen Koffer und verließ das Flughafengebäude, um sich wieder dem Alltagsgeschäft zu widmen.
Er setzte sich in sein Büro, um die während seines Urlaubs eingegangenen vielen E-Mails und Anrufe auf dem Anrufbeantworter durchzusehen. So vergingen erst einmal vier Wochen, in denen er keine Zeit hatte, an Gerda zu denken.
Aber als nach vier Wochen Gerda müde von einem Flug aus Indien in ihrer Wohnung vor dem Fernsehgerät saß, um sich wieder einmal bei einem tränenreichen Liebesfilm zu entspannen, klingelte ihr Telefon:
„Hallo, hier ist Kurt Umweg. Erinnern Sie sich noch an mich?“
„Wie könnte ich einen Mann wie Sie denn vergessen?“
„Ich würde Sie gerne wiedersehen. Ich konnte Sie auch in den ganzen 14 Tagen in Marokko nicht vergessen. Die tolle Flugbegleiterin mit dem unwiderstehlichen Lächeln. Was halten Sie von einem Treffen?“
„Holen Sie mich ab?“
„Wo wohnen Sie denn? Sie haben mir zwar ihre Telefonnummer genannt, aber ich müsste schon Ihre Adresse wissen, wenn ich Sie abholen darf.“
„Ach herrje, daran habe ich überhaupt nicht gedacht. Also: Krähenwinkel bei Stuttgart, Lerchenweg 50. Werden Sie das finden?“
„Mit meinem neuen Navigationsgerät finde ich es bestimmt. In einer Stunde stehe ich mit meinem Cabrio vor Ihrer Tür, und dann kann es losgehen!“
Pünktlich nach einer Stunde klingelte es an Gerdas Tür und ein strahlender Kurt stand mit einem süßen kleinen Sträußchen, bestehend aus duftenden Veilchen und Maiglöckchen, vor ihr.
„Kommen Sie doch herein. Wir könnten, bevor wir losfahren, bei mir noch einen Kaffee trinken. Ich bin etwas müde und gebrauche eine Aufmunterung.“
So saßen sich dann Kurt und Gerda ganz brav in der gemütlich eingerichteten Küche gegenüber, tranken ihren Kaffee und unterhielten sich über Kurts Urlaub.
„Waren denn keine jungen Mädchen in Ihrem Hotel, die Ihnen die Zeit vertreiben konnten?“
„Ich muss gestehen, ich habe mich nicht nach jungen Mädchen umgesehen, weil ich immer Ihr Bild vor den Augen hatte. Ich hatte regelrecht Sehnsucht nach Ihnen.“
Sollte sie das glauben? Gerda war etwas skeptisch, ließ sich aber nichts anmerken. Und Kurt wurde nicht einmal rot bei dieser dicken Lüge. Dabei dachte er: „Hoffentlich verspreche ich mich nur nicht bei den Namen.“ Aber bis jetzt waren sie beim Sie. Noch bestand keine Gefahr. Und später würde man eben vorsichtshalber einfach „Liebling“ sagen. Da könnte nichts passieren. So hatte er es bei früheren Frauenbekanntschaften auch gehalten. Das hatte immer funktioniert. Diese Gedanken behielt Kurt aber lieber für sich. Das war besser so.
Dann brachen die beiden auf und es wurde ein wunderschöner Tag. Kurt fuhr mit Gerda flott durch kleine Dörfer mit hübschen Fachwerk-Häusern, auf engen Waldwegen durch dichte Tannenwälder bis hinauf zur Burg Hohenzollern. Hier besichtigten sie die beeindruckende Burg mit ihren vielen Schätzen, die Gerda staunend betrachtete. Sie war hier noch nie gewesen. Kurt freute sich über ihre Begeisterung. Dann traten sie den Heimweg an, der sie jetzt auf einer schnellen Bundesstraße bis nach Stuttgart und weiter nach Krähenwinkel führte. Inzwischen war es schon später Abend geworden. Kurt hielt vor Gerdas Haustür und stieg schnell aus, um der jungen Frau als vollendeter Kavalier die Autotür aufzuhalten. Eine Einladung, Gerda in ihre Wohnung zu begleiten, erfolgte nicht, und so fuhr Kurt, leicht enttäuscht wieder nach Stuttgart. Diesem Tag folgten jedoch noch viele wunderschöne Tage.
„Eigentlich könnten wir ja auch endlich Du zueinander sagen. So gut kennen wir uns ja nun inzwischen“, meinte Kurt beim nächsten Treffen.
Gerda war gerne damit einverstanden. Zum Du gehörte natürlich auch ein Kuss. Und dieser Kuss war sehr intensiv. Gerda hatte sich verliebt wie noch nie. Und auch Kurt schien ganz hingerissen von seiner Freundin zu sein.
„Hast du denn keinen Beruf, dass du so viel Zeit für mich hast?“, wollte Gerda wissen.
„Ich arbeite als Versicherungskaufmann und kann mir meine Zeit frei einteilen. Jetzt geht mir das Zusammensein mit dir vor. Arbeiten kann ich dann später wieder.“ Kurt lächelte und nahm Gerda liebevoll in den Arm. Und endlich, nach einem halben Jahr wurde aus Kurt und Gerda ein Liebespaar. Sie dachten über eine gemeinsame Wohnung nach, die auch bald gefunden wurde. Über einen Bekannten von Gerda bekamen sie in Krähenwinkel, in der Hauptstr. 8 eine hübsche, recht große Wohnung mit einem riesigen Balkon. Leider dauerte es noch einige Zeit, bis das Haus, in dem sich diese wunderschöne Wohnung befand, fertiggestellt war. Noch war nur der Rohbau zu besichtigen. Kurt und Gerda hatten also noch eine Frist, um sich den zukunftsträchtigen Schritt zu überlegen. Die Miete für diese Wohnung würde wahrscheinlich ziemlich hoch sein, aber Kurt meinte:
„Die Miete teilen wir uns, damit keiner so viel zahlen muss.“ Damit war Gerda einverstanden.
„Was hältst du davon, wenn wir heiraten?“, wollte Gerda nach einem weiteren halben Jahr wissen. Kurt hielt nicht so viel von dieser Idee. Er würde lieber unverbindlich mit Gerda zusammenleben Aber weil sie in dem kleinen Krähenwinkel wohnen wollten, ließ sich wegen der sehr konservativen Einwohner des Ortes eine Hochzeit wohl nicht vermeiden.
„Na ja, wenn du meinst. Aber unsere Wohnungseinrichtung wird sicher viel Geld kosten, dass ich unmöglich noch eine große Hochzeit finanzieren kann.“
„Meine Mutter, der auch sehr viel an einer Hochzeit liegt, und die über die nötigen Finanzen verfügt, wird sicher einen größeren Anteil an den Aufwendungen für die Hochzeit übernehmen. Da bin ich mir sicher. Ich habe auch schon mit ihr darüber gesprochen. Sie war sehr erfreut über unsere Pläne. Es machte sie nur traurig, dass ich dich noch nicht bei ihr vorgestellt habe. Bevor wir heiraten, sollten wir uns schon bei ihr in Stuttgart sehen lassen. Sicher wirst du mit deinem Charme gut bei ihr ankommen.“
So war es also ausgemacht. An einem Tag, an dem sowohl Gerda wie auch Kurt Zeit hatten, fuhren sie nach Stuttgart. Hier bewohnte Gerdas Mutter, die schon längere Zeit Witwe war, eine sehr komfortable Eigentumswohnung an der Weinsteige, einem noblen Teil Stuttgarts. Sie hatten sich den Sonntag für den Besuch bei Frau Ostertag ausgesucht. Kurt warf sich für diese wichtige Vorstellung sehr in Schale und kaufte auch noch einen teuren Blumenstrauß, um bei der zukünftigen Schwiegermutter einen guten Eindruck zu machen. Er wusste von Gerda, dass ihre Mutter Rosen über alles liebte. Deshalb bestand der Blumenstrauß aus lauter wunderschönen, rosa Duftrosen und weißem Schleierkraut.
Trotz seiner zur Schau gestellten Selbstsicherheit merkte Gerda deutlich, dass Kurt sehr nervös war. Er nestelte immer wieder an seinem Hemdkragen und der Krawatte.
„Ist sie zu eng?“ Gerda lachte amüsiert. Kurt warf ihr einen hilfesuchenden Blick zu. „Es ist ja meine erste Vorstellung bei einer Schwiegermutter. Im übrigen warst du auch noch nicht bei meinen Eltern. Ich bin gespannt, ob du da nicht nervös bist.“
„Damit lassen wir uns hoffentlich noch ein wenig Zeit. Ich bin nämlich auch nicht so mutig und ich bewundere dich.“
„Wenigstens erkennst du meine Bemühungen an“, murmelte Kurt. Aber seine Angst vor der Vorstellung bei Frau Ostertag war unnötig. Elfriede Ostertag schien ganz begeistert von ihrem zukünftigen Schwiegersohn zu sein.
„Wenn ich jünger wäre, hätte ich mir auch so einen Mann gewünscht. Mein Siegfried war ein gebildeter und liebevoller