Tausche Einsamkeit gegen Zweisamkeit. Ingrid Schmahl
Kurt bereits in seinem Büro im Kinderzimmer arbeitete, flog Gerda schon bald nach der Hochzeit wieder mit der Worldtours nach Bombay, von wo aus sie erst nach vier Tagen zurückkehrte. Sie kam heim und fühlte sich furchtbar elend. Kurt meinte, dass das wohl von dem langen Flug käme, aber Gerda hatte da so ihre eigenen Gedanken. Sollte sie etwa schon schwanger sein? Und ihre Ahnung trog sie nicht. Pünktlich nach 9 Monaten war Simon, ein wunderschönes Baby da. Allerdings gab Gerda auch trotz der Proteste ihres Mannes und ihrer Mutter nicht den geliebten Beruf als Flugbegleiterin auf. Sie nahm sich eine Auszeit, bis Simon alt genug war, um in eine Kinderkrippe in Stuttgart aufgenommen zu werden. Die Krippe in Stuttgart hatte sie gewählt, weil sie damit rechnete und es erhoffte, dass ihre Mutter Simon versorgen würde, wenn sie selbst wieder arbeitete.
Gerdas Mutter, Elfriede Ostertag, hatte sich nach dem Tod ihres geliebten Mannes ein neues Leben aufgebaut. Die Witwenrente und ihre eigene Rente aus der Zeit ihrer Berufstätigkeit als Sekretärin reichten aus, um ein Leben ohne größere Sorgen zu gewährleisten. Elfriede hätte gerne noch einen netten Mann an ihrer Seite gehabt. Sie kleidete sich sehr sportlich, ging jede Woche einmal zum Kegeln mit netten Menschen. Ein Partner war jedoch nicht in Sicht. Elfriede stellte aber auch ziemlich hohe Ansprüche. Die Ehe mit ihrem Mann war geprägt von Theater- und Konzertbesuchen, und so einen Schatz wie ihren Mann fände man nicht so leicht. Doch sie gab noch nicht auf. Als nun Gerda mit der Bitte, während ihrer Flüge mit der Worldtours für das neue Baby zu sorgen, zu ihr nach Stuttgart kam, war Mama Ostertag eigentlich nicht sehr erfreut, wieder gebraucht zu werden. Sie erklärte sich aber nach längerem Zögern doch bereit, Simon zu betreuen, ihn aus der Krippe abzuholen und für ihn zu sorgen, bis Gerda wieder von einem Flug zurückkäme.
So verging ein Jahr nach dem anderen. Kurt arbeitete als Versicherungsagent und verdiente nicht schlecht. Leider sah Gerda nicht viel von seinem Geld. Auch seinen Anteil an der Miete bekam sie nur, wenn sie daran erinnerte. Was für den Haushalt und die Kinderbetreuung nötig war, bezahlte alleine Gerda. Zwar verdiente sie auch sehr gut, fühlte sich aber doch ein wenig ausgenommen von ihrem Mann. Dann kam nach sieben Jahren Jessy zur Welt. Auch wieder ein wunderschönes Baby, das aber noch mehr Probleme mit sich brachte. Gerdas Mutter war nun nicht bereit, auch noch für Jessy zu sorgen. Sie fühlte sich schon mit der Versorgung des kleinen Simon mehr als ausgelastet. So musste Gerda dann nach ihrer nochmaligen Auszeit für eine Ersatzmutter sorgen, die Jessy rund um die Uhr versorgte. Das kostete natürlich wieder viel Geld, aber nur so konnte Gerda weiterarbeiten. Und ihre Arbeit bei der Worldtours war ihr sehr wichtig. Sie war froh, dass ihr Arbeitsplatz ihr auch nach der zweiten Auszeit gesichert war. Durch dieses unruhige Familienleben, das eigentlich keines war, erlosch die Liebe zwischen Kurt und Gerda so ganz allmählich. Kurt kam immer weniger nach Hause. Er hatte angeblich viele Versicherungstermine, über die er nicht viel sprach oder Gerda gar erzählte, ob sie finanziell erfolgreich waren. Er beteiligte sich immer weniger sowohl finanziell wie auch emotional am Familienleben.
Wenn Gerda nach einem anstrengenden Flug von weither völlig ausgelaugt nach Hause kam, konnte Kurt missmutig fragen: „Nanu, kommst du schon wieder? Dich habe ich überhaupt noch nicht erwartet! Ich habe leider keine Zeit mehr. Ich muss schnell zu einem wichtigen Versicherungstermin.“
Und weg war er. Er schien über ihre Ankunft nicht sehr begeistert. Das konnte sie deutlich merken. Von diesen Terminen kam er meist spät in der Nacht oder am anderen Morgen wieder. Oft riefen Frauen an. Wenn sie dann hörten, dass Gerda am Telefon war, sagten sie superfreundlich:
„Entschuldigung, eigentlich würde ich gerne Herrn Umweg sprechen. Ist er nicht da? Wir hatten doch einen Termin wegen einer Versicherung. Wo bleibt er nur?“
Die Sorge für die Familie war nach Kurts Meinung Frauensache. Dafür hatte er keine Zeit. Kam Gerda müde heim, wartete das häusliche Chaos auf sie. Wäsche musste gewaschen werden; der Kühlschrank war gähnend leer. Kurt übersah dieses Chaos einfach. Auch Simon und Jessy mussten von den jeweiligen Ersatzmüttern abgeholt werden, um bis zu Gerdas nächstem Flug mit ihr und Kurt in der für die Kinder nicht sehr vertrauten Familienwohnung zu leben. Ihr Leben war bei der Oma oder der Tagesmutter. Dort waren auch ihr Teddy oder die Puppen. Wenigstens diese Fahrten hätte Kurt Gerda abnehmen können. Aber er kümmerte sich nur um seine Geschäfte.
Und endlich, nach etlichen weiteren nervtötenden Jahren war Simon zehn Jahre alt, alt genug, um in ein sehr gut renommiertes Internat am Bodensee aufgenommen zu werden. Hier fühlte er sich nach einer längeren Eingewöhnungszeit sehr wohl. Von seiner Mama hatte er nie viel gehabt, so dass er sie nicht sonderlich vermisste. Oma Ostertag besuchte ihn öfters am Bodensee. Von Stuttgart aus war das auch nicht besonders schwierig. So wurde Simon immer von seiner Oma getröstet, wenn er sich einsam fühlte. Nachdem er sich eingewöhnt hatte, kam Jessy, als sie alt genug war, auch in dieses Internat. Nun konnten sich die Geschwister gegenseitig trösten. Aber das kostete natürlich wieder noch mehr Geld; nur die Kinder waren jetzt gut untergebracht. Gerda musste sich keine Sorgen um sie machen und ihr Haushalt sah nicht mehr so chaotisch aus. Es war nur noch ihre eigene Wäsche und die von Kurt zu waschen. Auch ihre Mutter freute sich über diese Erleichterung; hatte ihr eigenes Leben doch durch die Betreuung von Simon sehr gelitten. Die sozialen Kontakte, die sie sich aufgebaut hatte, waren so ganz leise eingeschlafen. Es würde schwierig werden, wieder neue Kontakte aufzubauen. Daran hatten natürlich weder Kurt noch Gerda gedacht. Elfriede fuhr seit langer Zeit ihr eigenes, kleines Auto. Damit fuhr sie nun wieder mehr zum Kegeln und zu den Treffen mit ihren Freundinnen. Auch die Enkel am Bodensee besuchte sie regelmäßig. Als gutaussehende Witwe hatte sie früher noch manchen Flirt gehabt, den sie jedoch nicht allzu ernst nahm. All das hatte sie in der Zeit, in der sie ständig auf Simon aufpassen musste, sträflich vernachlässigt. Elfriede war also wieder mehr als zufrieden mit ihrem Leben.
„Die Jungen sollen selbst für sich und ihre Nachkommen sorgen“, war ihre Devise. Das klappte auch einigermaßen.
Bei Gerda war, bis auf die Geldsorgen, die sie durch die Unterbringung der Kinder im Internat nun verstärkt hatte, alles gut geregelt. Sorgen machte sich Gerda nur, weil Kurt sich immer mehr zurückzog und sich kaum noch an den hohen Kosten ihres Lebensunterhalts beteiligte.
4. Kapitel
SCHEIDUNG – UND DANN?
Nach vielen nervtötenden Jahren dieser Ehe, die oft nicht einmal mehr äußerlich eine war, hatte Gerda endlich von Kurt die Nase voll. Sie machte dieser Farce ein Ende und jagte Kurt nach einem Abend, den sie wieder einmal alleine verbrachte und umsonst auf ihn wartete, zum Teufel. Gerda musste noch immer lachen, wenn sie an Kurts Gesicht dachte, als er von ihrem Anwalt das Schreiben mit ihrem Scheidungsersuchen erhielt. Es hieß in diesem Schreiben, dass Gerda sich scheiden lassen möchte, weil ihre Ehe völlig zerrüttet sei. Kurts ständige und teure Frauengeschichten wurden auch erwähnt. Der Scheidungstermin war für einen Tag in zwei Wochen festgesetzt. Um 9.00 Uhr sollten sich beide beim Amtsgericht in Stuttgart einfinden. Gerda war zum vereinbarten Zeitpunkt mit klopfendem Herzen und mit ihrem Anwalt auf dem Flur des Amtsgerichts. Nur Kurt tauchte nicht auf. Es wurde 9.00 Uhr – immer noch kein Kurt. Gerda betrat nun mit ihrem Anwalt das Zimmer. Nach einer Anhörung, bei der Gerda in Tränen ausbrach, weil ihre ganze verkorkste Ehe vor ihren Augen aufstand, kam der Richter sehr bald zu seinem Urteil: Die Ehe von Kurt und Gerda Umweg wurde nach einem Trennungsjahr geschieden. Dieses Trennungsjahr war durch die ständige Abwesenheit von Gerda als durchgeführt angesehen. Kurt wurde als der schuldige Teil für das Scheitern dieser Ehe in Abwesenheit verurteilt. Er musste weiter für die Ausbildung seiner Kinder Simon und Jessy bezahlen. Aus der ehelichen Wohnung sollte er sobald wie möglich ausziehen. Gerda war mit dieser Entscheidung einverstanden und verließ leichten Herzens mit ihrem Anwalt als geschiedene Frau das Amtsgericht. Kurt war überhaupt nicht damit einverstanden, dass er ausziehen und für die Ausbildung der Kinder zahlen sollte. Da er jedoch nicht bei der Verhandlung anwesend war, hatte der Richter eben so entschieden, wie es von Gerdas Anwalt beantragt wurde.
Nachdem Kurt in Stuttgart für sich und seine momentane Freundin, von der Gerda längst geahnt hatte, eine kleine Wohnung in exklusiver Lage fand, zog er aus der ehelichen Wohnung unter Zurücklassung aller Möbel aus. Nur die persönlichen Sachen packte er in sein Auto und fuhr wütend und grußlos davon. Gerda sah schweigend seinem Auszug zu. Man merkte ihr