Tausche Einsamkeit gegen Zweisamkeit. Ingrid Schmahl
„Wenn Sie Ihren Lebenslauf und eine kurze Bewerbung mitbringen, reicht mir das schon.“ So war es also abgemacht. „Sage ich Jessy etwas von diesem Treffen?“, sinnierte Gerda. „Lieber nicht. Vielleicht macht sich Jessy dann nur unnötige Sorgen um das Seelenleben ihrer Mama. Nach dem Treffen, wenn es so abläuft, wie ich es mir denke, kann ich ihr ja davon erzählen.“
Dann nahte der Nachmittag, an dem sie sich mit Herrn Korz treffen wollte. Gerda versuchte, ihr elegantes, graues Kostüm anzuziehen. Die Jacke saß ja sehr gut und die weiße Bluse darunter sah auch sehr vorteilhaft aus. Aber der Rock, was war mit dem los? War er bei der letzten Reinigung eingelaufen? Er klemmte ganz schön! „Das war sicher nicht die Reinigung, sondern ich muss unbedingt ein paar Pfund abnehmen“, murmelte sie. Mit einiger Mühe gelang es ihr dann aber, den Rock über die Problemstellen zu zerren. Sie musste nur aufpassen, dass sie bei der Besprechung mit diesem Herrn Korz immer schön gerade saß und den Bauch einzog. Sie sah sich im großen Schlafzimmerspiegel an und fand sich mit diesem Kostüm sehr seriös. Das war ihr wichtig. Sie fuhr mit ihrem kleinen, roten Auto nach Stuttgart. „Hoffentlich finde ich auch gleich einen Parkplatz in der Nähe des Hotels“, dachte sie und fuhr konzentriert durch die Stadt. Da tauchte auch schon das Parkhotel auf, und o Wunder, direkt neben dem Hotel schien ein Parkplatz direkt auf Gerda zu warten. Sie parkte schnell und sicher ein und machte sich auf den Weg zum Hoteleingang, wo in der Lobby sofort nach ihrem Eintritt ein jugendlich wirkender Herr aufstand und auf sie zukam. Das konnte nur Herr Korz sein, der auf sie wartete. Er hatte sich im gestrigen Telefonat gut beschrieben: Groß, sportlich, mit kurzen, blonden Haaren und einer sehr auffallenden Brille; seriös gekleidet mit einem dunkelblauen Anzug, hellblauem Hemd und dunkelblauer Krawatte. Gerade so, wie sich Gerda einen Bankangestellten vorstellte. Er trat auf Gerda zu, zeigte sein charmantestes Lächeln, nahm mit einem festen Griff Gerdas Hand:
„Einen wunderschönen Tag wünsche ich. Sie können nur Frau Umweg sein. Genau so stelle ich mir eine Frau, die erfolgreich sein wird, vor. Ich freue mich, dass Sie sich für unsere Agentur interessieren.“
Gerda war ziemlich beeindruckt von Jürgen Korz. „So könnte der Mann für nette Stunden schon aussehen. Aber der ist bestimmt in festen Händen“, dachte sie mit leichtem Bedauern.
Nach einem einführenden Gespräch über die Agentur Liebeslust und die Durchsicht von Gerdas Papieren, die sie ihm reichte und die er nur sehr flüchtig überflog, kam Herr Korz zur Sache: Gerda könne gleich freie Mitarbeiterin der Partnervermittlung Liebeslust werden. Vorher aber müsse sie sich mit 1.000 Euro einkaufen. So hatte sie sich das eigentlich nicht vorgestellt. Nicht, dass sie keine 1.000 Euro auf dem Sparbuch hätte, aber die waren mühsam erspart und sollten ein Notgroschen sein. Gerda äußerte mit säuerlichem Gesicht ihre Bedenken:
„Was ist, wenn ich mich doch nicht für diese Tätigkeit eigne? Bekomme ich die 1.000 Euro von Ihnen wieder?“
„Ach was, Frau Umweg! Diese 1.000 Euro haben Sie doch schon in den nächsten vier Wochen wieder verdient. Ihre Investition lohnt sich auf jeden Fall.“
Herr Korz konnte Gerda trotz ihres schlechten Bauchgefühls überreden.
„Ich habe aber nicht soviel Geld bei mir“, gab Gerda zu bedenken. Es gefiel ihr überhaupt nicht, wie Jürgen Korz auf ihre 1.000 Euro scharf zu sein schien. „Ist das überhaupt ein seriöses Unternehmen? Ich hörte noch nie davon, dass man Geld einzahlen muss, anstatt es zu verdienen.“ Ganz geheuer war Gerda die Sache nicht. „Ich hätte vielleicht doch zuerst einmal mit Jessy sprechen sollen, anstatt gleich loszurennen.“ Aber dafür war es ja nun zu spät.
„Kommen Sie“, drängte Herr Korz nun, „wir gehen miteinander zu Ihrer Bank, die ja sicher nicht weit vom Hotel entfernt ist. Da heben Sie einfach das Geld von ihrem Konto ab und geben es mir gegen eine Quittung. Sie haben doch so viel Geld auf ihrem Konto?“ Korz schaute Gerda eindringlich an.
„Sonst wird aus der ganzen Sache eben nichts! Das wäre wirklich schade.“
Mit diesen Worten schleppte er Gerda zu ihrer Bank, und mit Tränen in den Augen hob Gerda das gewünschte Geld ab und gab es Jürgen Korz.
„Vielen Dank auch für Ihr Vertrauen“, lächelte dieser. Wieder im Hotel, überreichte er ihr einen dreiseitigen Vertrag mit vielen Klauseln.
„Lesen Sie sich den Vertrag durch, damit wir ihn unterschreiben können.“ „Kann ich den Vertrag nicht mit nach Hause nehmen, um ihn mit meiner Tochter durchzulesen?“ Gerda fand die Eile, mit der Herr Korz sich ihre Mitarbeit sichern wollte, sehr bedenklich.
„Nein, das geht nicht. Diesen Vertrag dürfen Außenstehende nicht sehen. Sie verstehen, die Konkurrenz!“ Gerda verstand das jedoch überhaupt nicht. Aber wenn sie hier, wo sie schon 1.000 Euro bezahlt hatte, einen Rückzieher machen wollte, waren die 1.000 Euro sicher verloren. Also unterschrieb sie schweren Herzens. Herr Korz unterschrieb nun auch. Dann gab er Gerda noch eine handgeschriebene Quittung über das Geld, das sie ihm gegeben hatte, reichte ihr die Hand und gratulierte ihr zu ihren zukünftigen Erfolgen als Partnervermittlerin. „Diese Quittung werde ich auf jeden Fall mal gut aufheben“, dachte sich Gerda und steckte sie schnell in ihre Handtasche. „Das könnte wichtig sein, wenn diese Partneragentur nur ein fauler Zauber ist.“ Sie dachte dabei an ihr warnendes Bauchgefühl.
Nun war die ehemalige Flugbegleiterin Gerda Umweg also freie Mitarbeiterin der Partneragentur Liebeslust. Zuerst erfolgte eine kurze, theoretische Einarbeitung durch Herrn Korz und eine junge Dame des Unternehmens im Untergeschoss des Hotels, in dem sie Herrn Korz kennengelernt hatte. Diese ziemlich einfache Einarbeitung dauerte nur einen halben Tag und Gerda lernte, dass sie jedes Blatt Papier, das sie von Herrn Korz für ihre Arbeit bekam, bezahlen musste. Sonst kam aus dieser sogenannten Einarbeitung nicht viel heraus. Gerda erfuhr, dass sie mit Zeitungsanzeigen in der örtlichen Presse unter der Rubrik „Heiratswünsche“ um einsame und liebeshungrige Menschen werben musste. Wie das gemacht wurde, erklärte Herr Korz kurz:
„Sprechen Sie den Leser dieser Anzeige so an, dass er sich persönlich angesprochen fühlt. Drücken Sie bei der Formulierung ordentlich auf die Tränendrüse. Erzählen Sie ihm von der liebeshungrigen Witwe mit Vermögen; von dem jungen Witwer mit Haus und Segelboot. Es muss nicht stimmen, was da in Ihrer Anzeige steht, weil es diese angesprochenen Menschen überhaupt nicht gibt.“ Wenn der Leser der Anzeige sich meldet, erklärte Herr Korz weiter, müsse Gerda telefonisch einen Termin mit ihm oder ihr ausmachen, ihn oder sie besuchen und zum Abschluss eines Vertrages mit der Agentur Liebeslust überreden. Dass diese Vermittlung 4.500 Euro kostet, sollte Gerda ihnen natürlich erst ganz zum Schluss sagen. So hatte die Mitarbeiterin zusammen mit Herrn Korz sie und noch zwei andere Bewerber bei der Einarbeitung informiert. „Sonst ist das Gespräch auch schon sehr schnell beendet.“ Als kleine Starthilfe bekam Gerda den Text für ihre erste Anzeige von Herrn Korz kostenlos. Dieser Anzeige konnte man ansehen, dass sie von einem Profi entworfen wurde. Sie zielte bei jedem männlichen Partnersuchenden mitten ins Herz und lautete:
„Gemütvolle, geistreiche Frau im besten Alter,
von Beruf Krankenschwester,
sucht für den Rest des Lebens
einen netten Mann, möglichst Witwer,
der ihr Herz und Heimat bietet und den sie
liebevoll verwöhnen kann.“
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