Ich geh stiften. Jörg Wolfram

Ich geh stiften - Jörg Wolfram


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auch die Trauerbegleitung einen wichtigen Teil der Arbeit des Kinderhospizes Bärenherz dar.

      Und letztlich noch der Kinder- und Jugendclub Leipzig-Holzhausen, mit welchem ich seit vielen Jahren in meiner damaligen Funktion als Mitglied des Ortschaftsrates zusammengearbeitet habe und mit den Leitern Jana S. und Andre L. freundschaftlich verbunden bin. Dieser Verein hat sich die individuelle Förderung und soziale Integration von jungen Menschen auf die Fahne geschrieben, dient als Ansprechpartner bei sozialen, emotionalen und psychischen Problemlagen von Kindern sowie Jugendlichen und bietet sich als Unterstützer bei schulischen und arbeitsweltbezogenen Herausforderungen an.

      Im Januar 2015 kontaktierte ich schließlich alle drei Vereine telefonisch, stellte mein Projekt vor und fragte, ob sie dieses als Spendenbegünstigte begleiten würden. Ich dachte mir schon, dass dies wohl keiner verneinen würde. Die ersten Reaktionen waren jedoch ziemlich einheitlich: eine Mischung aus Freude und Begeisterung, aber auch Skepsis und Hinterfragen. Ich vereinbarte mit den jeweiligen Ansprechpartnern persönliche Termine, um weitere Details zu besprechen.

      Diese Begegnungen waren sehr herzlich und ich lernte dabei viel über haupt- und ehrenamtliches Engagement im Bereich der Kinder- und Jugendpflege und konnte mir ein genaueres Bild davon machen, wohin die Spendengelder fließen würden. Besonders bewegend war für mich der Besuch des Kinderhospizes in Markkleeberg. Wer einmal in einem Hospiz war, weiß, was die tägliche Arbeit mit und für schwerstkranke Menschen und ihre Familien bedeutet, zumal wenn es sich hier um Kinder und Jugendliche handelt. Ich bin aus diesem Termin anders hinaus- als hineingegangen. Dabei war es nicht nur die bewegende Konfrontation mit dem Tod, sondern vielmehr ein Gefühl der Dankbarkeit und des Trostes, dass es heute Einrichtungen gibt, welche sich für die Patienten und ihre Angehörigen hochgradig engagieren, um die verbleibende Zeit bestmöglich zu gestalten.

      Und alle drei Vereine sind ganz wesentlich auf die Unterstützung von Dritten, insbesondere auf Spendengelder angewiesen, um auch künftig ihre Arbeit an und für Kinder und Jugendliche erbringen zu können.

      Nachdem nun Reiseziel und Reisezeitraum feststanden, war noch die Frage des Reisebudgets zu klären. Einen Versuch, ganz ohne Geld auszukommen und mich gänzlich auf die Gastfreundschaft der Deutschen zu verlassen, verwarf ich schon im Moment der Überlegung. Das Gegenteil, nämlich jeden Abend im 5-Sterne-Hotel mit 4-Gänge-Menü zu nächtigen, schien mir aber genauso unangebracht. Schließlich fand ich die Verbindung zwischen meinem ureigensten Wanderprojekt und dem daran gekoppelten guten Zweck. Ich beschloss, dass mein Wanderbudget maximal zehn Prozent der Spendenzusagen betragen darf. Natürlich würde ich dieses Geld für Übernachtung, Verpflegung und sonstige anfallenden Kosten aus meinem eigenem Portemonnaie finanzieren, hätte damit aber einen großen Anreiz, schon im Vorfeld der Wanderung möglichst viele Spendenzusagen einzuwerben. Schließlich würde das Wissen um ein Dach über dem Kopf und einer warmen Mahlzeit am Tag das ganze Vorhaben etwas entspannter gestalten. Dies bedeutete, dass ich bei Spendenzusagen von 3.000 Euro ein Budget von 300 Euro, bei Spenden von 10.000 Euro ein Budget von 1.000 Euro zur Verfügung hätte. Eine reizvolle Herausforderung, wie ich fand, und ein selbstauferlegtes Reglement, welches mich während der ganzen Reise begleiten sollte.

      Auf das zweiseitige Vorhaben, der Erfüllung eines Traums in Form der Deutschlandwanderung für mich einerseits und der damit verbundenen Spendenaktion andererseits, sollte schließlich noch ein passender Projektname aufmerksam machen. Der Slogan „Ich geh stiften“ kam mir irgendwann im Frühjahr 2015 tatsächlich beim Zähneputzen und sollte unbedingt doppeldeutig verstanden werden.

      3. DAS TAGEBUCH

      Nachdem nunmehr alle Rahmenbedingungen erfüllt waren und die Entscheidung für eine Spendenaktion feststand, ging es zunächst darum, eine möglichst breite Öffentlichkeit zu erreichen. Hierfür erhielt ich Hilfe von meiner Kollegin Doreen K., welche mich beim Erstellen einer Präsentation sowie der Gestaltung von Flyern unterstützte. Mein Freund Jens J. übernahm dankenswerterweise den technischen Part, er richtete eine Homepage ein und half bei deren Gestaltung sowie der eines entsprechenden Facebook-Profils. Damit hatte ich ausreichende Möglichkeiten, um im Kreis meiner Freunde und Bekannten, meiner Kollegen und bei den Vereinen selbst Werbung für mein Wanderprojekt zu machen.

      Die Idee, ein Tagebuch zu schreiben, kam dann kurz vor der Wanderung und stammte nicht von mir. Im Gegenteil, ich konnte es mir wirklich nicht vorstellen, an jedem Abend die Erlebnisse des Tages zusammenzufassen und zu Papier oder in mein iPad zu bringen. Unnötige Arbeit aus meiner Sicht, zumal ich sowieso nicht der Typ bin, der gerne im Vergangenen lebt, Fotoalben anschaut und Reiseberichte liest.

      Mein Vater, aber auch einzelne Freunde rieten mir aber eindringlich, meine Tagesereignisse zusammenzufassen, um einerseits diese nochmals am Ende eines Tages Revue passieren zu lassen und um andererseits in der vierten oder fünften Woche sich erinnern zu können, was denn in den ersten Tagen wo und warum geschah. Kein Gedanke bei mir oder bei den Ratgebern daran, vielleicht daraus im Anschluss mal ein Buch zu machen.

      Da ich nun aber mit dem iPad die technische Voraussetzung ohnehin immer am Mann hatte und die Abende meistens allein verbrachte, gab ich meine innere Ablehnung auf und nahm mir vor, an den ersten Tagen mal das Schreiben eines Tagebuchs zu probieren. Es wieder einzustellen, war ja jederzeit möglich. Nicht alle Notizen sind taggleich entstanden, mitunter habe ich am nächsten Tag die Aufzeichnungen in Wanderpausen oder am Nachmittag und Abend nachgeholt. Und da ich ein eher rationaler als emotionaler Mensch bin, habe ich ganz sicher nicht die Gabe, das Erlebte so zu schildern, dass ein Dritter auch nur annähernd wahrnehmen kann, wie es mir in dieser oder jener Situation ergangen ist, wie äußere Eindrücke wirkten und was mich wie innerlich bewegte.

      Daher sind die nachfolgenden Tagebucheinträge in aller erster Linie für meine eigenen Erinnerungen bestimmt und sollen helfen, mich auch noch in einigen Jahren oder vielleicht sogar Jahrzehnten wieder ein Stück in den, nein, in meinen Sommer 2016 zurückzuversetzen.

      Sofern freundlich gestimmte Leser dieses Buches den einen oder anderen Gedanken nachvollziehen, Anregungen aufnehmen oder aber auch nur Spaß am Lesen haben sollten, wäre dies für mich natürlich eine Freude und auch Bestätigung, dass man eigene Meinungen durchaus mal revidieren und Ratschläge anderer annehmen kann.

      4. TAGEBUCHEINTRÄGE

       Der Vorabend

       Donnerstag, 30. Juni 2016

       Leipzig-Stötteritz

      Eigentlich wollte ich schon seit fast drei Wochen unterwegs sein, allein dienstliche Belange hinderten mich am geplanten Start zum 11.06.2016. Zu wichtig waren die letzten Wochen und Monate, als das ich mich mit gutem Gewissen und damit auch in gewisser Hinsicht frei auf meinen Weg hätte begeben können. So hatte ich schon im Mai dieses Jahres eine Verschiebung um drei Wochen einkalkuliert. Anfang Juni stand dies dann endgültig fest und selbst in dieser Woche, ja bis zum heutigen Nachmittag waren unzählige Dinge im Büro zu erledigen, Gespräche zu führen und eine ordentliche Übergabe von Aufgaben sicherzustellen. Aber morgen nun, am 1. Juli 2016, soll es endlich so weit sein, soll die erste Tagesetappe in Angriff genommen werden. Die Fahrkarte von Leipzig nach Klanxbüll mit Umstieg in Hamburg hatte ich mir vor zwei Wochen bereits besorgt, und in den letzten Tagen hatte ich angefangen, die mitzunehmenden Sachen bereitzulegen.

      Als ich später als geplant, kurz nach 18:00 Uhr, in unserer Wohnung in Leipzig-Stötteritz ankomme, herrscht wohltuende Ruhe, das ganze Haus und eben auch unsere Wohnung scheinen angesichts der bereits eingesetzten Schulferien wie ausgestorben. Die Perle ist mit ihrer Tochter bereits seit Dienstag zu einer Freundin nach Hamburg gefahren, um anschließend in Schwerin und an der Ostseeküste den Urlaub zu verbringen. Wir werden uns morgen zum Frühstück noch mal kurz in Altona sehen, bevor es für längere Zeit heißt, Abschied zu nehmen.

      Ich entledige mich der Krawatte, des Hemdes und Anzuges, gieße mir ein Glas Pfälzer Riesling ein und fange konzentriert an, meinen neuen Rucksack mit den bereitgelegten Sachen zu füllen. Den Rucksack habe ich noch nicht unter Last beim Wandern getragen, lediglich eine Proberunde mit der geplanten Füllung habe ich absolviert. Also verstaue ich jetzt im unteren Fach den leichten Schlafsack und eine kleine Alu-Isomatte


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