Die Welt unter Strom. Arthur Firstenberg
für Geistesgestörte füllten sich mit Patienten, die an der Influenza erkrankt waren; Menschen, die unterschiedlich stark an Depressionen, Manie, Paranoia oder Halluzinationen litten. „Die Zahl der Aufnahmen erreichte ein nie zuvor gesehenes Ausmaß“, berichtete Albert Leledy 1891 in der Beauregard Anstalt in Bourges. „Die Aufnahmen für das Jahr übertreffen die des Vorjahres“, berichtete Thomas Clouston, Superintendierender Arzt der Anstalt Royal Edinburgh Asylum for the Insane im Jahr 1892. „Keine Epidemie einer Krankheit hat solche mentalen Auswirkungen gehabt“, schrieb er. Im Jahr 1893 überprüfte Althaus zahlreiche Artikel über Psychosen nach Influenza und die Vorgeschichte von Hunderten seiner eigenen und anderer Patienten, die in den letzten drei Jahren nach der Grippeerkrankung geistig gestört waren. Es erstaunte ihn, dass sich die meisten Psychosen nach Influenza bei Männern und Frauen in der Blütezeit ihres Lebens zwischen 21 und 50 Jahren entwickelten, dass sie am wahrscheinlichsten nach meist milden oder leichten Erkrankungsfällen auftraten und dass mehr als ein Drittel dieser Menschen noch nicht genesen war.
Die häufige Abwesenheit von Atemwegserkrankungen wurde auch bei der noch tödlicheren Pandemie von 1918 festgestellt. In seinem Lehrbuch von 1978 schrieb Beveridge, der sie miterlebt hatte, dass die Hälfte aller Influenzapatienten bei dieser Pandemie keine der frühen Symptome wie Nasenausfluss, Niesen oder Halsschmerzen hatte.43
Die Altersgruppen sind ebenfalls nicht ausschlaggebend, wenn es hier um eine Ansteckung gehen soll. Bei anderen Arten von Infektionskrankheiten wie Masern und Mumps gilt: Je aggressiver ein Virusstamm ist und je schneller er sich ausbreitet, desto schneller bauen Erwachsene Immunität auf und desto jünger ist die Bevölkerung, die jedes Jahr an ihm erkrankt. Laut Hope-Simpson bedeutet dies, dass während der Zeit von Pandemien die Influenza hauptsächlich sehr kleine Kinder angreifen sollte. Aber die Influenza trifft nach wie vor hartnäckig die Erwachsenen. Das Durchschnittsalter liegt fast immer zwischen zwanzig und vierzig, egal ob während einer Pandemie oder nicht. Das Jahr 1889 war keine Ausnahme: Die Influenza erwischte bevorzugt starke junge Erwachsene in der Blütezeit ihres Lebens, als würde sie böswillig die Stärksten anstelle der Schwächsten unserer Spezies ins Visier nehmen.
Dann gibt es die Verwirrung über Tierinfektionen, die Jahr für Jahr in den Nachrichten auftauchen und uns alle Angst machen, dass wir durch Schweine oder Vögel mit Influenza infiziert werden könnten.
Die unangenehme Tatsache ist jedoch, dass im Laufe der Geschichte seit Tausenden von Jahren alle Arten von Tieren gleichzeitig mit Menschen an der Grippe erkrankt sind. Als die Armee des bayerischen Königs Karlmann 876 n. Chr. an der Influenza erkrankte, dezimierte dies auch die Hunde und Vögel.44 In späteren Epidemien, einschließlich der des 20. Jahrhunderts, wurde allgemein berichtet, dass bei Hunden, Katzen, Pferden, Maultieren, Schafen, Kühen, Vögel, Hirschen, Kaninchen und sogar Fischen Erkrankungen zur gleichen Zeit wie bei den Menschen ausbrechen.45 Beveridge nannte zwölf Epidemien im 18. und 19. Jahrhundert, in denen Pferde an der Grippe erkrankten, generell ein oder zwei Monate vor den Menschen. Tatsächlich wurde diese Verbindung als so zuverlässig angesehen, dass Symes Thompson Anfang Dezember 1889, als er eine grippeähnliche Krankheit bei britischen Pferden beobachtete, an das British Medical Journal schrieb und einen bevorstehenden Ausbruch beim Menschen vorhersagte – eine Prognose, die sich kurze Zeit später als richtig erwies.46 Während der Pandemie von 1918–1919 kamen Affen in Südafrika und Madagaskar in großer Zahl ums Leben, auch Schafe im Nordwesten Englands, Pferde in Frankreich, Elche im Norden Kanadas und Büffel in Yellowstone.47 Das ist aber ohnehin kein Geheimnis. Weder bekommen wir die Grippe von Tieren, noch bekommen die Tiere sie von uns. Wenn Influenza durch abnormale elektromagnetische Bedingungen in der Atmosphäre verursacht wird, sind alle Lebewesen gleichzeitig betroffen, einschließlich Lebewesen, die nicht dieselben Viren teilen oder eng zusammen leben.
Was die Entlarvung des Eindringlings, d. h. der Influenza, so erschwert, ist, dass es sich hierbei um zwei verschiedene Dinge handelt. Influenza ist erstens ein Virus und zweitens auch eine klinische Krankheit. Die Verwirrung entsteht, weil die menschliche Influenza seit 1933 durch den in diesem Jahr entdeckten Organismus und nicht durch klinische Symptome definiert wird. Wenn eine Epidemie auftritt und Sie an derselben Krankheit leiden wie alle anderen, aber ein Influenzavirus nicht aus Ihrem Hals isoliert werden kann und Sie keine Antikörper dagegen entwickeln, haben Sie angeblich keine Influenza. Tatsache ist jedoch, dass Influenzaviren zwar auf irgendeine Weise mit Krankheitsepidemien assoziiert werden, aber es wurde nie bewiesen, dass sie diese verursachen.
Beobachtungen in einem Zeitraum von 17 Jahren durch Hope-Simpson in und um die Gemeinde Cirencester in England haben gezeigt, dass Influenza – ungeachtet der allgemein vertretenen Meinung – innerhalb eines Haushalts nicht ohne Weiteres von einer Person zur anderen übertragen werden kann. In 70 Prozent der Fälle erkrankte sogar während der „Hongkong-Grippe“ von 1968 nur eine Person pro Haushalt an der Grippe. Wenn eine zweite Person auch die Grippe hatte, erkrankten beide oft am selben Tag, was bedeutete, dass eine Person nicht von der anderen angesteckt wurde. Manchmal zirkulierten verschiedene kleinere Varianten des Virus im selben Dorf, sogar im selben Haushalt. Einmal hatten zwei junge Brüder, die sich ein Bett teilten, unterschiedliche Varianten des Virus; das beweist, dass sie sich nicht gegenseitig angesteckt haben konnten. Ja, das beweist sogar, dass nicht einmal ein und dieselbe Person beide angesteckt haben konnte.48 1958 kam William S. Jordan, wie auch P. G. Mann im Jahr 1981, zu ähnlichen Schlussfolgerungen über die mangelnde Verbreitung innerhalb von Familien.
Ein weiterer Hinweis darauf, dass etwas mit den vorherrschenden Theorien nicht stimmt, ist das Scheitern von Impfprogrammen. Obwohl bewiesen ist, dass Impfstoffe eine gewisse Immunität gegen bestimmte Grippevirusstämme bieten, haben prominente Virologen im Laufe der Jahre zugegeben, dass Impfungen Epidemien nicht aufhalten konnten und dass sich die entsprechende Krankheit immer noch so verhält wie vor tausend Jahren.49 Nach einer Überprüfung von 259 Impfstudien aus dem British Medical Journal über einen Zeitraum von 45 Jahren kam Tom Jefferson kürzlich zu dem Schluss, dass Influenza-Impfstoffe im Wesentlichen keinen Einfluss auf die tatsächlichen Ergebnisse wie Schulabwesenheiten, verlorene Arbeitstage und grippebedingte Krankheiten und Todesfälle hatten.50
Unter Virologen ist es ein beschämendes Geheimnis, dass es von 1933 bis heute keine experimentellen Studien gibt, die belegen, dass Influenza – weder das Virus noch die Krankheit – jemals durch normalen Kontakt von Mensch zu Mensch übertragen wird. Wie wir im nächsten Kapitel sehen werden, sind alle Bemühungen einer experimentellen Mensch-zu-Mensch-Übertragung gescheitert. Und das sogar inmitten der tödlichsten Krankheitsepidemie, die die Welt je erlebt hat.
KAPITEL 8
Das Rätsel auf der Isle of Wight
Im Jahr 1904 fing auf der Isle of Wight das große Bienensterben an.
Von dieser ruhigen Insel aus, 37 Kilometer lang, 20 Kilometer breit und vor Englands Südküste gelegen, schaut man über den Ärmelkanal zu den fernen Ufern Frankreichs. In den vorangegangenen zehn Jahren beschäftigten sich zwei angesehene Persönlichkeiten auf beiden Seiten des Kanals mit einer neu entdeckten Art von Elektrizität. Einer von ihnen war ein Arzt und Physiker, der andere ein Erfinder und Unternehmer. Die Arbeit beider sollte sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die Zukunft unserer Welt haben.
Am westlichsten Ende der Isle of Wight, in der Nähe von The Needles („Die Nadeln“), einer der Küste vorgelagerten Kreideformation, errichtete 1897 ein attraktiver junger Mann namens Guglielmo Marconi seine eigene „Nadel“, einen Turm, der so hoch wie ein zwölfstöckiges Gebäude war. Darauf setzte er die Antenne für den ersten dauerhaft platzierten Radiosender der Welt. Marconi entließ mit den Drähten eine Elektrizität, die mit fast einer Million Zyklen pro Sekunde nahe dem Megahertz-Bereich vibrierte, und ließ sie durch die Luft strahlen. Er machte sich keinerlei Gedanken darüber, ob dies überhaupt sicher sei.
Einige Jahre zuvor, und zwar 1890, hatte ein bekannter Arzt, der Direktor des Labors für Biologische Physik am Collège de France in Paris, bereits Untersuchungen zu der wichtigen Frage begonnen, die Marconi in dieser Form nicht stellte: Wie wirkt sich Elektrizität im Hochfrequenzbereich konkret auf lebende Organismen aus? Jacques-Arsène d’Arsonval