Beethoven. William Kinderman

Beethoven - William Kinderman


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war, konzentrierte sich Mozart ganz auf diese Oper.

      Joseph Haydn auf der anderen Seite lebte damals nach wie vor isoliert in Eisenstadt, wo er dem Fürstenhof der Esterházy diente. Erst nach dem Tod seines Dienstherrn Fürst Nikolaus im Jahr 1790 war er frei und kam dank seiner Englandaufenthalte zu beachtlichem Wohlstand. Bereits 1785 war in einer Londoner Zeitung das Ansinnen zu lesen, man möge Haydn, diesen »Shakespeare der Musik«, im Namen der Freiheit kidnappen und nach England bringen: »Käme es für manche aufstrebende Jünglinge nicht einer erfolgreichen Pilgerfahrt gleich, ihn vor seinem Schicksal zu retten und nach Großbritannien zu verpflanzen, jenes Land, für das seine Musik gemacht zu sein scheint?« Da sich Bonn auf Haydns Route befand, unterbrach er dort seine Reise von Wien nach London im Dezember 1790 ebenso wie seine Rückfahrt im Juli 1792. Zu diesem Zeitpunkt trafen einander Haydn und der junge Beethoven, der ihm anscheinend seine bis dahin eindrucksvollste Komposition zeigte: die Kantate auf den Tod Kaiser Josephs II., eine Hommage auf den erst kurz zuvor verstorbenen österreichischen Monarchen.

      Die Lebensläufe des großen musikalischen Triumvirats Haydn–Mozart–Beethoven erstrecken sich über die Ära der Französischen Revolution, wobei sich der umwälzende Einfluss dieses politischen Ereignisses besonders stark im Werk des jüngsten der drei niederschlug. Der jugendliche Beethoven sog den Geist der Aufklärung förmlich auf. Zu seinen Bonner Lehrern und Mentoren gehörten viele, die eng mit aktiven Organisationen jener Zeit verbunden waren – mit Freimaurern, Illuminaten und der Lesegesellschaft. Beethovens Umzug nach Wien bald nach dem Ausbruch der Revolution in Frankreich brachte ihn in ein kulturell reiches Umfeld, die Politik in den habsburgischen Landen nahm nun jedoch eine reaktionäre Richtung. Die Stadt, in der sich Mozart 1781 und Haydn 1790 niedergelassen hatten, wurde 1792 Beethovens Heimat. Es war jenes Jahr, in dem der Konflikt eskalierte und Krieg ausbrach zwischen dem revolutionären Frankreich und absolutistischen Staaten wie Österreich, wo man die Entwicklung in Frankreich beklommen verfolgte. In seinem Tagebuch hielt Beethoven jenen Moment fest, in dem er auf seiner Reise nach Österreich dem Postkutscher ein Trinkgeld gab, als dieser »wie ein Teufel« durch den enger werdenden Frontbereich zwischen französischen und hessischen Truppen fuhr.

      Dieser ereignisreiche historische Hintergrund ist essenziell für das Verstehen von Beethovens turbulenter politischer Gegenwart und er hilft uns auch die Art und Weise zu begreifen, in der seine Musik kulturelle Werte ausdrückt. Die Hoffnungen und unerfüllten Versprechen der Französischen Revolution spielten für die schöpferische Arbeit Beethovens eine große Rolle. Seine Skepsis gegenüber Kaiser Franz und seine Ambivalenz gegenüber Napoleon spiegeln seine Reaktion auf weitreichende Ereignisse wider. Die unerschütterliche Begeisterung des Komponisten für die Prinzipien der Französischen Revolution existierte parallel zu seiner Geringschätzung repressiver absolutistischer Herrschaft. Zentrale Aspekte seiner ästhetischen Auffassung und seiner musikalischen Inhalte sind untrennbar damit verbunden. Kunstwerke müssen äußere Umstände nicht unbedingt widerspiegeln, können jedoch antagonistische Werte darstellen. Wie wir sehen werden, bezieht sich die Schilderung von Heroismus in der Eroica auf einen mythischen Zusammenhang, der Bonapartes Versagen, zum Helden zu werden, bloßstellt. Die Idee einer transformierenden Kraft der Kunst, wie sie von Künstlerkollegen – darunter Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe und Jean Paul Richter – propagiert wurde, übte großen Einfluss auf Beethovens Schöpferkraft aus.

      Dokumente aus Beethovens letzten Jahren zeugen davon, dass er nach wie vor über politische Belange nachdachte und häufig enttäuscht von den Herrschenden war. Im September 1825 unterhielt sich Beethoven mit seinem Pariser Verleger Moritz Schlesinger, der seine Antworten und Kommentare für den tauben Komponisten in ein Konversationsheft schrieb. Schlesinger hielt fest, »wäre [Napoleon] statt unersättlicher Welteroberer 1ter Konsul geblieben, so wär er einer der größten je existierenden Menschen«. Beethovens Antwort ist zwar unbekannt, doch Schlesingers Replik »Der Ehrgeiz« benennt wohl jenen charakterlichen Makel, der Napoleon in Beethovens Augen als wahren Helden disqualifizierte. Über den österreichischen Kaiser Franz spottete Schlesinger während dieser Unterhaltung: »Der Kaiser ist aber ein dummes Vieh, er sagt, ich brauch kein’ Gelehrten, gute Bürger will ich.«

      Ein anderer Kommentar, der Aufschluss über Beethovens konfliktbehaftete Haltung gegenüber Napoleon gibt, stammt von Johann Doležalek, und zwar aus dem Februar 1827, als der Komponist im Sterben lag. Nachdem er sich über das französische Königsgeschlecht der Bourbonen beschwert hatte, sagte Beethoven über Napoleon: »In dem Scheißkerl habe ich mich geirrt.«

      Beethovens Bekenntnis, er hätte falsche Hoffnungen in Napoleon gesetzt, stimmt mit unterschiedlichen Quellen überein, die seine Karriere und seine künstlerischen Errungenschaften in neuem Licht erscheinen lassen. Der Komponist war weit davon entfernt, sich der Politik gegenüber indifferent zu verhalten. Seine Affinität zum Werk Schillers und zu dessen Ideen vom affirmativen Kunstwerk, das Widerstandspotenzial hat, und vom Streben nach »Symbolen des Vortrefflichen« waren von enormer Bedeutung. Der Stoff für Beethovens Oper Fidelio, für den er ein düsteres reales Ereignis aus der Zeit der Schreckensherrschaft in Frankreich wählte, ist von bestechend aktueller politischer Relevanz. Außergewöhnlich ist auch der Einfluss, den Beethovens letzte Sinfonie mit dem Chorsatz nach Schillers Gedicht An die Freude hat – ein Werk, das den Komponisten lange beschäftigt hatte und über das er, wie sich aus den Manuskripten ablesen lässt, einige Zweifel hegte, da er auch einen rein instrumentalen Schlusssatz skizzierte.

      Allerdings haben einige zeitgenössische Kommentatoren skeptischere, alternative Sichtweisen auf Beethovens kulturelles und politisches Format entwickelt. In einem dieser Zugänge wird auch der Versuch unternommen, jene Stücke des Komponisten, die besonders propagandistisch waren – darunter die für den Wiener Kongress geschriebene Kantate Der glorreiche Augenblick – zu rehabilitieren. Eine andere revisionistische Herangehensweise verknüpft Beethovens späten musikalischen Stil mit der reaktionären Ausrichtung der österreichischen Politik Metternichs. In einem radikaleren Ansatz wird der Wert der Freiheit an sich angezweifelt, indem Autonomie als leere Hülle oder getarnte Autorität demaskiert wird. Reduktionistische Sichtweisen verweisen auf den Reiz des Neuen oder den Anschein von Raffinesse – beides würde auf Kosten der ästhetischen Substanz und der historischen Genauigkeit gehen. Weit vielversprechender erweist sich da die Suche nach einem schöpferischen Potenzial jenseits konventioneller Auffassungen.

      Um 1814, während des Wiener Kongresses, als Beethoven mehr Aufmerksamkeit erhielt und mehr Geld verdiente als jemals zuvor oder danach, erklärte der Komponist, lieber als alle Monarchen und Monarchien sei ihm das »geistige Reich«: »Mir ist das geistige Reich das liebste, und die oberste aller geistigen und weltlichen Monarchien.« Vor dem Hintergrund von Beethovens ereignisreichem Leben unternimmt der folgende Essay eine Erkundungsreise durch dessen künstlerisches »geistiges Reich«.

      Während Beethovens prägender Jugendjahre war das Rheinland alles andere als ein beschaulich-friedvoller Ort. Der in Bonn wehende politische Wind unterschied sich radikal von jenem, dem Beethoven in Österreich begegnen sollte. Als junger Hofmusiker profitierte er von einem glücklichen Zusammenwirken anregender Entwicklungen. Da Erzherzog Maximilian Franz, Kaiser Josephs II. jüngster Bruder, seit 1784 als Kurfürst in Bonn residierte, bestanden enge Verbindungen zwischen der kleinen Stadt am Rhein und der fernen, zehnmal so großen Residenzstadt an der Donau. Maximilian Franz setzte jenes Reformwerk, das sein Vorgänger Kurfürst Maximilian Friedrich begonnen hatte, fort – ein Reformwerk, nicht unähnlich jenem Josephs II. in Wien. Der Klerus wurde an die Kandare genommen, die Kunst und ihre Institutionen wurden neu organisiert und gefördert, die Akademie Bonn 1785 in den Rang einer Universität erhoben. Johannes Neeb wurde engagiert, um die Philosophie Immanuel Kants zu lehren, Männer wie der spätere Revolutionär Eulogius Schneider und Friedrich Schillers Freund Bartholomäus Ludwig Fischenich unterrichteten griechische Literatur, Ästhetik, Ethik und Rechtswissenschaften.

      Im Laufe der 1780er-Jahre wurde Bonn zu einem Zentrum der Aufklärung, jener fragilen und doch so enorm produktiven Geistesströmung, die liberale Reformen von oben und nicht aufgrund drohender Revolutionen von unten auslöste. Bonn hätte ein zweites Weimar werden können. Doch die Umwälzungen im Gefolge der französischen Okkupation spülten Maximilian Franz’ Regentschaft 1794 hinweg, weniger als zwei Jahre nach Beethovens Abreise. Niemand


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