Auf Wiedersehen, Kinder!. Lilly Maier
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Lilly Maier
Auf
Wiedersehen,
Kinder!
Ernst Papanek
Revolutionär, Reformpädagoge
und Retter jüdischer Kinder
INHALT
1. Vom Kaiser zur Sozialdemokratie
4. Auf dem Weg in den Untergrund
11. Der Krieg und seine Folgen
14. Teller waschen und Kinder retten
15. »Maseltoff zum baldigen Endsieg«
18. »Flüchtlinge in der eigenen Heimat«
21. Was wurde aus den Kindern?
Für Arthur
und all die anderen Kinder,
denen Ernst Papanek das Leben gerettet hat.
Prolog
Am 20. August 1939 fand in einem Vorort von Paris eine ganz besondere Feier statt. Wochenlang hatten hunderte jüdische Flüchtlingskinder und ein gutes Dutzend Erwachsene heimlich an den Vorbereitungen gearbeitet. Sie verschickten Einladungskarten, schrieben Gedichte und pflückten Blumen. Wenn man in diesen Tagen über die große Wiese vor der Villa Helvetia im Örtchen Montmorency ging, konnte man allerorts verstohlen tuschelnde Kinder und Jugendliche beobachten. Ausnahmsweise drehten sich ihre Gespräche nicht darum, wie sie sich in Frankreich eingelebt hatten oder wie es ihren Eltern in Nazi-Deutschland ging. Es gab nur ein Thema: den 39. Geburtstag ihres Heimleiters Ernst Papanek.
Ernst Papanek, der sich von seinen Schützlingen in sozialistischer Manier mit »Ernst« ansprechen ließ, ahnte von alldem nichts. Auch seine Frau Lene, die als Ärztin im Heim arbeitete, hielt dicht. Schließlich war es soweit: Unter einem Vorwand führte Lene ihren Ehemann auf eine kleine Anhöhe, wo das Paar mit frenetischem Jubel empfangen wurde. Die gut dreihundert jungen Flüchtlinge hatten sich im Halbkreis aufgestellt und klatschten und strahlten um die Wette. In den Bäumen hingen bunte Wimpelketten, in der Wiese standen geschmückte Tische und Stühle. Ernst Papanek wusste noch gar nicht recht, wie ihm geschah, da hatten ihn schon ein paar starke Burschen auf einen Holzstuhl gesetzt und reckten ihn in die Höhe. Wie bei einer jüdischen Hochzeit trugen sie ihn im Kreis über ihren Köpfen. Papanek hielt sich mit beiden Händen krampfhaft fest, machte aber gute Miene zum wackligen Spiel. Wieder auf sicherem Boden gelandet, sangen die Kinder »ihrem Ernst« mehrere Lieder auf Deutsch und Französisch. Dann trat der Heimsprecher Hans Windmüller, ein Teenager aus Dortmund, mit einem Kuchen vor und gratulierte Papanek im Namen aller ganz offiziell zum Geburtstag. Windmüller trug den hochsommerlichen Temperaturen entsprechend kurze Hosen, Ernst Papanek wie üblich einen Anzug. In Verbindung mit seiner Halbglatze wirkte er wesentlich älter als die 39 Jahre, die er an diesem Sommertag feierte.
Nach Windmüller tippelten drei kleine Jungen nach vorne, die alle nicht älter als vier oder fünf Jahre waren. Nacheinander überreichten sie Papanek einen Wiesenblumenstrauß. Zum Abschluss trug eine Gruppe Kinder ein selbst geschriebenes Gedicht vor:
Ernst Papanek macht gute Miene zum wackligen Spiel: Überraschungsparty der Kinder von Montmorency zum 39. Geburtstag ihres Heimleiters am 20. August 1939.
In Montmorency ist es lustig,
in Helvetia ist es schön,
ja, da kann man viel erleben,
ja, da kann man manches seh’n.
Hier ist Ernst der Herr Direktor