Schwarzes Gold. Dominique Manotti

Schwarzes Gold - Dominique  Manotti


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eingedämmt werden muss. Wenn die Banditen sich gegenseitig umbringen wie in dem Fall, über den wir sprechen, schert die anständigen Leute das wenig. Sie fühlen sich nicht bedroht. Was ich von Ihnen verlange, ist, dass Sie die Identität der Opfer feststellen, damit wir die Bandenkriege und die Entwicklung der Clans nachvollziehen können und nicht überrumpelt werden. Ich erwarte von Ihnen und Ihrem Team, dass Sie in diesem Sinne vorgehen und berichten.«

      Als Daquin das Gericht verlässt, hört er Grimbert, »seine Ermittlung, nicht Ihre«, und sieht sein schiefes Lächeln, dessen Grundstimmung er endlich begreift: desillusioniert.

2

      Fast drei Uhr morgens. Die Nacht ist kalt, duftend und still auf der Promenade des Anglais, für manche eine der schönsten Straßen der Welt. Durch das große Portal des Palais de la Méditerranée verlässt ein Paar die Spielsalons des Casinos. In der Ferne das Geräusch eines anfahrenden Motorrads. Das Paar bleibt im Schutz der hohen Arkaden stehen, die die monumentale Fassade tragen, bombastisches Pappmaché-Dekor, geprägt vom Geist der Dreißigerjahre. Ein Page in Uniform eilt auf den Mann zu. Der stattliche Fünfziger, breite Schultern, massige Gestalt in dezentem dunklem Anzug, gibt ihm seine Wagenschlüssel. Der Page entfernt sich in Richtung Parkplatz. Die junge Frau im hellen, tief ausgeschnittenen Kleid schaudert, als die Kälte sie packt, in den Hügeln des Hinterlands hat es geschneit. Das Brummen eines näherkommenden Motorrads, verborgen hinter den Blumenkübeln, die die Arkaden und den Eingang des Palais vom Bürgersteig der Promenade trennen. Der Mann wendet sich seiner Begleiterin zu, die lächelt, hilft ihr eine bunte Kaschmirstola auf ihren Schultern zurechtzuziehen. Der Page verschwindet um die Hausecke. Das Motorrad hält vor dem roten Teppich, der bis zu den Eingangstüren reicht, der Mitfahrer steigt vom Sozius, bringt sich, ohne den Helm abzunehmen, dem Paar gegenüber in Stellung, nimmt eine stabile Position ein, breitbeinig, hebt eine Pistole mit beiden Händen auf Augenhöhe und schießt. Eine Kugel, der Körper des Mannes zuckt, seine Hand krallt sich in das Schultertuch seiner Begleiterin, zwei, drei, vier Kugeln hintereinander, der Körper des Mannes, die Hand an die Stola geklammert, fällt in Zeitlupe, das Blut spritzt stoßweise, das Gesicht der Frau, ihre nackten Schultern, ihr helles Kleid sind blutüberströmt, ein, zwei, drei, vier weitere Schüsse in Folge, die Frau steht starr, offener Mund, ohne einen Schrei. Der Mann liegt am Boden. Der Mörder jagt noch zwei Kugeln auf den leblosen Körper. Ende der Operation. Er schiebt seine Waffe unter dem Blouson ins Achselholster, berührt dabei mit dem Lauf der Waffe seine linke Brust, brennender Schmerz, er liebt diesen Schmerz, Kontraktion der Bauchmuskeln, Erregung, heftige Lust, er fühlt sich lebendig, sehr lebendig. Er steigt auf das Motorrad, das mit Vollgas davonrast. Die Frau fällt in Ohnmacht, in die Blutlachen, die den roten Teppich tränken, den weißen Marmorboden besudeln.

      Die Szene hat keine zwanzig Sekunden gedauert.

      Der Page kommt vom Parkplatz zurückgerannt, die Angestellten stürmen aus dem Palais, schreien, laufen unter den Arkaden auseinander, die letzten Kunden flüchten zum nahe gelegenen Strand. Dann nähern sich Blaulichter und heulende Sirenen, Polizeiautos, gefolgt von Krankenwagen. Polizisten und Sanitäter machen sich an die Arbeit inmitten einer Szene hysterischer Panik vor diesem Operettenbühnenbild.

      Während die Polizisten versuchen, alle potenziellen Zeugen des Attentats zu beruhigen und in einem der Spielsalons zu versammeln, stellt ein Arzt den Tod des Mannes fest, der von Kugeln durchsiebt am Boden liegt, die Leiche wird mit einer Plane zugedeckt, die Polizei sperrt den Tatort ab, der Notarzt kümmert sich um die junge Frau, die immer noch bewusstlos ist. Niemand weiß, ob sie verletzt ist, ob das Blut, mit dem sie bedeckt ist, ihr eigenes ist oder das des Toten, man transportiert sie ins Krankenhaus. Ein Polizist mit dem Auftrag, so bald wie möglich ihre Zeugenaussage aufzunehmen, fährt im Krankenwagen mit.

      Nach gründlicher Untersuchung, bei der nicht eine einzige Verletzung festzustellen ist, einer Beruhigungsspritze und einer heißen Dusche wird die junge Frau in einem Zimmer untergebracht, wo sie die Fragen des Polizisten notdürftig beantwortet. Sie heißt Emily Frickx, amerikanische Staatsbürgerin. Sie verbringt ihren Urlaub in der Region, ihr Ehemann Michael Frickx hat in Saint-Jean-Cap-Ferrat ganzjährig eine kleine Villa gemietet. Ihr Hauptwohnsitz ist Mailand, wo ihr Mann sein Büro hat. Er leitet die europäische Niederlassung von Co Trade, einem Handelsunternehmen für Rohstoffe mit Firmensitz in New York. Nein, zurzeit ist er weder in Cap noch in Mailand, sondern auf Geschäftsreise durch südafrikanische Minen. Ja, man kann ihn bestimmt erreichen, aber das ist nicht einfach, sie weiß nicht, wo er sich gerade aufhält, und nicht überall gibt es Telefon. Man muss es über das Büro der Südafrikanischen Minengesellschaft in Johannesburg versuchen, dort weiß man immer, wo man ihn über Funk kontaktieren kann. Ja, sie kennt den Mann, der an ihrer Seite erschossen wurde, er heißt Maxime Pieri. Er hat mit ihrem Ehemann regelmäßig geschäftlich zu tun. Sie hat ihn übrigens in dessen Büro in Mailand kennengelernt. Sie glaubt, er arbeitet und wohnt in Marseille, aber sicher ist sie sich nicht. Er ist eher ein Bekannter als ein Freund. Gestern hat sie ihn zufällig in einer Kunstgalerie in Villefranche getroffen, die sie regelmäßig besucht. Und er hat sie zum Abendessen in den Palais de la Méditerranée eingeladen. Ja, es war das erste Mal, dass er sie zum Essen eingeladen hat. Es war ein sehr netter Abend. Sie haben sich lange unterhalten, hauptsächlich über zeitgenössische Kunst. Pieri wirkte interessiert, er hat viele Fragen gestellt. Nein, er war weder angespannt noch besorgt. Sie haben getanzt, ein paar ruhige Tänze, und im Casino ein bisschen gespielt. Er war im Begriff, sie nach Hause zu fahren, zu ihrer Villa, bevor er nach Marseille zurückfuhr oder in Nizza übernachtete, sie weiß es nicht, sie haben darüber nicht gesprochen. Als sie die Erschießung schildert, überkommt sie ein nervöses Zittern.

      »Ich habe den Mann gesehen. Groß, mit einem Helm auf dem Kopf. Er stand neben einem Motorrad. Das Visier war hochgeschoben. Aber er war weit weg, weit entfernt von den Lichtern, kein Gesicht unter dem Helm, nur ein schwarzes Loch. Das Antlitz des Todes. Er hat geschossen. Ich konnte nicht weglaufen, ich konnte nicht schreien, ich war gelähmt. Ich begriff gar nicht, was passierte. Ich spürte das heiße Blut auf meinen Augen, in meinem Mund, den Geschmack des Blutes. Entsetzlich. Als er aufgehörte zu schießen, bin ich, glaube ich, ohnmächtig geworden. In mich zusammengesackt wie ein alter Lumpenhaufen.«

      Sie weint. Die Ärzte raten, sie jetzt schlafen zu lassen.

      Am Tatort nehmen Polizisten Zeugenaussagen auf. Zuerst der Page. Er wiederholt vor den mit Stoppuhren ausgerüsteten Polizisten all seine Aktionen vor und während des Attentats. Pieri gab ihm seine Wagenschlüssel. Nein, dabei wirkte er weder beunruhigt noch sonderlich in Eile, und er selbst hat kein Motorrad in der Nähe bemerkt. Mit den Schlüsseln in der Hand ist er Richtung Parkplatz gegangen. Erste Zeitnahme. Der Page wiederholt den Weg, biegt um die Hausecke, bleibt genau an der Stelle stehen, wo er sich befand, als er die ersten Schüsse hörte. Zweite Zeitnahme. Von dort, wo er war, in der Seitenstraße, hatte er den Casinoeingang nicht im Blick. Er blieb überrascht stehen, konnte die Geräusche, die er vernahm, nicht gleich einordnen, horchte. Dann hörte er die zweite Salve. Er rannte los, zurück zum Casinoeingang. Er erinnert sich nicht, weitere Schüsse gehört zu haben. Er erreichte die Avenue genau in dem Moment, als das Motorrad losfuhr. Zeitnahme. Eine schwere Maschine, dunkle Farbe, Fahrer und Sozius, beide in Schwarz, hat er nur von hinten gesehen, mehr kann er nicht sagen, er war in Panik. Er rannte weiter und entdeckte die zwei niedergestreckten Körper am Boden, er erinnert sich an die Blutlachen auf dem weißen Stein. Knapp fünfzehn Sekunden für die eigentliche Aktionsphase. Die Anfahrtsphase hinzugerechnet, folgern die Polizisten, hat die Operation insgesamt nicht länger als dreißig Sekunden gedauert. Sie sehen einander an. Profis, echte Profis. Das wird kein leichter Fall.

      Die Angestellten des Casinos sowie die wenigen verbliebenen Gäste oder Spieler werden einzeln befragt. Sie erzählen von zwei großen Männern, schwarz gekleidet, mit Helmen, einem schweren Motorrad. Der Portier, der sich zum Zeitpunkt des Mordes in der Halle aufhielt, meint das Motorengeräusch einer Ducati erkannt zu haben. Mehr ist nicht zu holen. Im Grunde genommen hat niemand etwas gesehen, und alle haben das Ende der Schüsse abgewartet, ehe sie sich nach draußen wagten. Was verständlich ist. Eine regelrechte Exekution, ausgeführt von waschechten Profis. Italiener vielleicht.


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