Stoner McTavish. Sarah Dreher

Stoner McTavish - Sarah Dreher


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Aber wir haben hier draußen ein sehr zerbrechliches ökologisches Gefüge.«

      »Ich weiß«, sagte Stoner. »Fisch- und Wildbestand hat mir davon erzählt.«

      »Fisch- und Wildbestand! Was wissen die denn. Sitzen auf ihren fetten Hintern in vollklimatisierten Büros. Schreiben Berichte, die kein Mensch mit ein bisschen Verstand jemals lesen würde, und wenn sie trotzdem mal gelesen werden müssen, sind sie nicht zu verstehen. Die sollten mal hier draußen sein«, er trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte, »hier, wo die Dinge passieren.«

      »Filmleute …«, erinnerte Stoner schüchtern.

      »Ja. Also, wenn die hier ihre Filme drehen, teilt ihnen die Regierung – Gott rette ihre Seele – einen Trupp Forstpersonal zu. Um sicherzugehen, dass hier nichts kaputtgemacht wird.«

      Jemand stand in der Tür! Nein, nur ein kleines Kind auf der Suche nach seiner Mutter. »Kein Regen«, murmelte Stoner.

      »Diese Hollywood-Charaktere«, sagte Smokey. »Sie denken, die kennen sich mit Regen aus? Die haben sich in dem Fach nicht gerade übermäßig gut ausgebildet.« Er schnupfte. »Geld, das ist alles, was sie kennen. Schmeiß was weg, kauf was Neues. Aber Regen kann man nicht kaufen, und Pflanzen brauchen Regen und der Wildbestand braucht Pflanzen und wen suchst du, Kerlchen?«

      »Was? Ich? … Nie … niemand. Es tut mir leid. Sie sprachen vom Regen?«

      Smokey grinste unbehaglich. »Ich bin der, der Ordnung in diesen Haufen bringen muss.«

      »Ich verstehe.« Völlig verwirrt schob sie ihr Haar zur Seite. Keine Minute mehr und sie würde aufspringen, einen Tumult verursachen und davonrennen. Konzentrier dich, befahl sie sich streng. »Ich dachte, es hätte etwas mit … na … es fällt mir nicht mehr ein.«

      »Der Spitzname, Mc Tavish.«

      »Genau. Der Spitzname.« Ihr wurde langsam schwindelig. »Am Ende ist es wohl doch besser, wenn ich richtig frühstücke.«

      Smokey winkte der Kellnerin. »Die sind es, die dieses ganze ›Smokey‹-Geschäft gestartet haben. Die halten es für klug.«

      »Können Sie sich nicht versetzen lassen?«

      »Beim Forstpersonal ist es wie in der Army«, grummelte er. »Und das Schlimmste von allem ist, dass sie mich mögen. So was macht die Runde. Wann immer so ein Verein hier anrückt, ist es das Gleiche. ›Wo ist Smokey Flanagan?‹ Tja«, er spreizte seine Hände zu einer Geste der Hilflosigkeit, »Hauptsache, die Steuerzahler sind zufrieden.«

      Stoner musste grinsen. »Ich glaube, Sie mögen das.«

      »Mag das! Mc Tavish, mach dich nicht unglücklich.«

      Stoner zuckte die Achseln. Er sah sie verstohlen an. »Na gut«, sagte er, »ich denke, es könnte schlimmer sein. Kollegen von mir müssen Wanderer durch die Natur führen, oben in der Gegend um Colter Bay. Das ist ein wirklich hartes Brot. Was macht ein Mädchen wie du so ganz allein hier draußen?«

      »Bitte«, sagte Stoner zusammenzuckend, »nennen Sie mich nicht Mädchen.«

      »Verzeihung. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.«

      »Es ist schon in Ordnung. Ich lege eben nur Wert darauf.« Sie nahm einen Schluck Kaffee und spähte angespannt zur Tür. Es sah immer mehr so aus, als würden sie nicht mehr kommen. »Ich bin gewissermaßen geschäftlich hier. Ich habe ein Reisebüro …«

      »Humpf«, machte Smokey.

      Stoner rieb sich die Stirn. »Oh bitte, ich hab das alles schon mit Fisch- und Wildbestand durchgekaut.«

      »Was durchgekaut?«

      »Touristen, Fallensteller, Ökologie und Wapiti.«

      Smokey lachte. »Das muss Harry gewesen sein. Dieser Herr kam schon auf die Welt mit einer Liste zum Abhaken in seinem …« Er brach ab und räusperte sich. »Entschuldigen Sie.«

      »Es gefällt mir«, sagte sie, »kann ich es zitieren?«

      »Alles, was ich sagen will, Mc Tavish«, sagte er muffig, »ist, dass das Touristengewerbe zu lausig ist, um darin zu arbeiten.«

      »Es hat seine Vorteile. Wir bekommen Preisnachlässe.«

      Die Kellnerin brachte das Frühstück.

      »Stell gibt Ihnen Rabatt?«, fragte Smokey erstaunt.

      »Ich weiß nicht.«

      »Wenn sie es tut, dann bestimmt nicht aus geschäftlichen Gründen. Das hat sie für alle Zeiten nicht mehr nötig. Aber vielleicht macht sie es, weil sie Sie mag. Sie ist ein großartiges Weib.« Er sah sie an. »Ist das in Ordnung? Weib zu sagen?«

      »Sicher. Es tut mir leid, Smokey. Ich wollte nicht pingelig sein.«

      Er tat es mit einem Achselzucken ab. »Manches kann man gut ab, anderes überhaupt nicht. Es würde niemandem besonders gut bekommen, mich Macker zu nennen.«

      Es war spät geworden. Sollten sie doch noch kommen, müsste es jeden Moment so weit sein. Die Kletterer hatten sich lärmend entfernt – bereit, die Natur zu terrorisieren, keine Frage. Die Kellnerinnen räumten diskret die Tische ab. Die wenigen Frühstücksgäste, die noch da waren, ließen sich Zeit. Stoner kaute gedankenverloren an ihren Pfannkuchen mit Sirup und beobachtete die Tür. Das Prickeln in ihrem Rückgrat war fast verschwunden.

      »Nach wem halten Sie Ausschau?«, fragte Smokey.

      »Nach der Enkeltochter einer Freundin meiner Tante«, sagte Stoner und errötete grundlos. »Ich habe sie noch nie gesehen.«

      »Wie heißt sie?«

      »Gwen Owens. Sie ist auf ihrer Hochzeitsreise.«

      Er sah sie spöttisch an. »Alleine?«

      »Mit ihrem Mann. Bryan Oxnard. Sind sie Ihnen bei irgendeiner Gelegenheit über den Weg gelaufen?«

      »Bestimmt nicht, wenn sie Hochzeitsreisende sind. Frischvermählte neigen dazu, lange zu schlafen. Wo kommen Sie her?«

      »Boston.«

      »Boston!« Seine Augen hellten sich auf. »Du kommst aus Boston, Mc Tavish? Ist es wahr, dass sie dort am St. Patricks-Tag grünes Bier servieren?«

      »An bestimmten Orten schon. Waren Sie … warst du nie in Boston?«

      Er schüttelte den Kopf. Ein wenig traurig, wie ein begossener Pudel. »Ich war noch nie östlich von Omaha.«

      »Wo bist du geboren?«

      »Nevada.«

      »Ich wusste gar nicht, dass es Iren in Nevada gibt.«

      »Gab«, sagte Smokey, »bis ich wegging.«

      Stoner lachte. »Nevada. Wieder ein Klischee den Bach runter. Schade eigentlich. Aber es sind ja noch ein paar übrig.«

      »Tja«, sagte Smokey und dippte schwermütig ein auf seine Gabel gespießtes Stückchen Schweinekotelett in den Pfannkuchen-Sirup. »Ich fürchte, ich bin keins davon.«

      »Oh, Smokey«, sagte Stoner, »hab ich dich verletzt?«

      »Ach was. Ich hab von einer Schottin nichts anderes erwartet.«

      »Da wir gerade bei den Klischees sind«, sagte Stoner, »hier draußen gibt es irgendwie unendlich viele Feuerstellen und Kamine.«

      »Die wenigsten Leute bleiben den Winter über hier, aber auch im Oktober ist es schon ziemlich frostig. Die Feuerstellen geben genug Wärme, um ihn zu überstehen.«

      »Musst du das ganze Jahr bleiben?«

      »Sicher«, sagte er.

      »Wie macht ihr das mit der Verpflegung?«

      »Wir gucken nicht hin und verhungern. Wir haben hier einen Kandidaten, der kocht so grausam, dass wir vermuten, er hat es während seiner Forstausbildung gelernt.«

      Fast


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