Stoner McTavish. Sarah Dreher

Stoner McTavish - Sarah Dreher


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      »In der Tat.« Etwas erstaunt stellte sie fest, dass es möglich war, unsichtbar zu erschauern. Irgendwie drückte der Gin auf die Backenzähne. »Sie trinken nichts?«

      »Macht mich kaputt.« Er seufzte und lehnte sich bequem zurück. »Bin seit fünf Jahren hier draußen. Vermutlich werden es weitere fünf. Sofern es das alles hier dann überhaupt noch gibt. Fallensteller, Zahnjäger, jetzt Touristen.«

      »Zahnjäger?«, fragte Stoner entsetzt.

      »Kommen hierher und wildern nach Wapiti-Zähnen. Wir nennen sie Zahnjäger. Töten die Tiere, reißen die Zähne raus, lassen den Rest liegen.«

      »Wozu?«

      »Schon mal was von den G.S.A.E. gehört?«

      Stoner nickte. »Elche«, sagte sie und versuchte wie eine Eingeweihte zu klingen.

      »›Größte Schweine Auf Erden‹, benutzen sie als Uhrenketten.«

      »Aber es sind keine Elche«, protestierte Stoner, »es sind Wapiti.«

      »Haben Hunderttausende getötet. Haben, verdammt noch mal, fast den gesamten Bestand ausgelöscht.«

      »Oh Gott«, sagte Stoner.

      »Gut, sind inzwischen unter Naturschutz gestellt. Jetzt sind’s die Touristen. Camping, Fahrradwege. Verdammtes Fitness-Zeugs. Ganze Städte aus dem Wald gestampft. Eigentumsapartments. Sehen Sie sich bloß dieses verdammte ›Teton Village‹ an. Schweizer Chalets, französische Restaurants. Die Leute kommen hierher nach Wyoming, um sich wie in Europa zu fühlen. Warum fahren sie dann nicht nach Europa?« Er starrte sie an. »Sagen Sie mir das.«

      »Ich weiß nicht«, murmelte Stoner.

      »Gut, sollten Sie es jemals rausbekommen, lassen Sie es mich wissen. Es würde mich wirklich interessieren«, seufzte er. »Jackson Hole ist heiliges Land für die Indianer. Kein Mensch weiß warum, aber sie übernachten hier nicht einmal. Einige erzählen, es seien so viele Stämme durch das Tal gezogen, dass sie sich darauf geeinigt haben, es von keinem in Besitz nehmen zu lassen, damit es keine Zänkereien gibt. Aber sie waren sowieso nicht die Leute, die irgendwo Land in Besitz genommen hätten. Schätze, sie glaubten, der Große Geist wache über die Berge. Sie werden ja sehen, ob es Ihnen nicht auch so vorkommt. Aber Sie werden es niemals schaffen, einen verdammten Touristen dahin zu kriegen, das zu schlucken.«

      Stoner fühlte sich immer deprimierter.

      »Profit«, fügte ihr Begleiter mürrisch hinzu. »Spekulanten bestimmen den Lauf der Dinge in Jackson Hole. Kaufen ein paar Acker Land mit Aussicht, verschicken ein paar Hochglanzbroschüren, lehnen sich zurück und räkeln sich im Profit.«

      »Warum verkauft ihnen überhaupt irgendwer das Land?«, fragte Stoner.

      »Der einzige Weg, hier draußen etwas mehr vom Leben abzubekommen, ist, außer zu töpfern oder Schmuck zu verkaufen, die Viehzucht. Harte Arbeit, Liebeskummer, Mühsal, Konkurs – Viehzüchters Lebensrhythmus.«

      Um die Wolke voller Trübsal, die über ihr schwebte, zu vertreiben, schaute Stoner aus dem Fenster. Die Berge lagen hinter ihnen. Sie waren wieder über flachem Land. Sand und Steppe glühten in der hereinbrechenden Dunkelheit. Die Aussicht wurde von Städten, Gebäuden und vereinzelten Lichtern unterbrochen.

      »Wasser«, warf der Forstbeamte etwas plötzlich ein. »Das werdet ihr im Osten nie verstehen. Ihr habt mehr Regen in zwei Monaten, als wir in einem ganzen Jahr zu sehen bekommen. Ihr müsstet ohne Wasser sein, um es schätzen zu können.«

      Das war wohl wahr. In New England kam das Wasser herunter, floss ab, gefror, schmolz, hing in der Luft, setzte den Keller unter Wasser oder vernebelte die Hügel. Es machte deine Haare strähnig, deine Kleider muffig, dein Brot schimmelig und deinen Garten kaputt. Es überflutete deinen Vergaser, machte dir Flecken an die Wände und brachte dich dazu, dir die albernsten Klamotten anzuziehen.

      »Ihr habt zu viel Grünzeug«, fuhr er fort. »Verbringt euer halbes Leben damit, Gräser zu züchten und Unkraut zu jäten. Hier draußen ist der Trick, überhaupt etwas zum Wachsen zu bringen. Wir haben Pflanzen und Bäume in einer gewachsenen Schönheit, wie ihr sie niemals hinkriegen werdet. Aber es dauert da unten in der Prärie fünfzig Jahre, die Steppe fruchtbar zu machen. Und dann ist es noch nicht einmal besonders viel wert.«

      »Das tut mir leid«, sagte Stoner unangebrachterweise.

      »Also sind wir nicht besonders freundlich zu Leuten, die herkommen, nicht darauf achten, wo sie hintreten, an Bäumen rumschnitzen, alles zugrunde richten und töten. Und es Spaß nennen.« Er sah sie flüchtig an. »Sprechen Sie mal mit der Forstverwaltung, die sagt Ihnen das Gleiche. Wir bemühen uns, ein Stückchen hier und drei Stückchen da zu schützen. Aber wir verlieren. Wir zögern es ein wenig hinaus, aber früher oder später werden sie alles niedergemacht haben.«

      »Es muss doch noch ein bisschen Hoffnung geben«, sagte Stoner verzweifelt.

      »Na ja, sie haben Jackson Hole zum Naturschutzgebiet erklärt. Immerhin etwas. Zumindest so lange, bis diese Frackärsche in Washington ihre Meinung ändern und das ganze verdammte Ding hier an Spekulanten verkaufen. Da sind sie!«

      Stoner wirbelte herum, in der Erwartung, dass sich im Gang ein Trupp Spekulanten und Gesetzgeber formierte. »Wer?«

      »Die Tetons.«

      In der Dunkelheit konnte sie gerade noch die Landebahn ausmachen und dahinter die harten, schwarzen Schatten der Berge. Im Norden blitzte ein Fluss im silbernen Mondlicht. Jackson lag am Südende der dunklen Ebene von Jackson Hole. »Wozu gehören die?«, fragte sie und zeigte auf eine vereinsamte Ansammlung von Lichtpunkten.

      »Ein paar Häuschen«, sagte der Mann. Er blickte sich um, um sich zu orientieren. »Signal Mountain vielleicht. Am Jackson Lake.«

      Stoner kniff die Augen zusammen und erblickte ein sich wie Quecksilber ausbreitendes Wasser. Weiter nördlich leuchteten ein paar Lichter in der Dunkelheit.

      »Jackson Lake Lodge«, bemerkte ihr Begleiter.

      »Heißt hier draußen alles Jackson?«

      »Fast alles. Jackson war einer der ersten Trapper hier. Legte seine Fallen in der ganzen Gegend um den Snake River.«

      »Kann man Timberline Lodge von hier aus sehen?«

      Er schüttelte den Kopf. »Es liegt in den Wäldern am Fuße des Teewinot. Wollen Sie dahin?«

      »Ja.«

      »Es wird von Ted und Stell Perkins geleitet. Nette Leute. Von Ted werden Sie nicht viel zu sehen bekommen. Er ist immer unterwegs. Stell führt eine der besten Küchen im Park.«

      »Französisch?«, entfuhr es Stoner.

      Fisch- und Wildbestand lachte. Etwas, wozu Stoner ihn bisher für unfähig gehalten hatte. »Stell würde niemals etwas auf den Tisch stellen, dessen Namen sie nicht aussprechen kann.«

      Die beiden Orte zogen wie Ozeanriesen in einem Meer aus Dunkelheit und Mondlicht vorbei. Stoner fühlte, wie ihr Herz zu klopfen begann. Sie setzte sich aufrecht hin, stellte die Lehne ihres Sitzes gerade und versuchte, alles auf einmal mitzubekommen. Der Pilot ließ das Flugzeug in die Seitenlage gehen und begann seinen Anflug. Sie lehnte sich mit zitternden Händen zurück.

      »Sagen Sie«, fragte sie so ruhig wie möglich, »wie lässt sich diese Gegend am schnellsten erkunden?«

      »Touristen«, seufzte der Mann. »Immer in Eile.«

      »Bitte.«

      »Na ja, Bonneys Reiseführer ist ziemlich gut. Ist zwar seit 1972 nicht mehr neu aufgelegt worden, aber immer noch der beste. Sie werden ihn wohl beim Verein für Naturgeschichte bekommen und bei ähnlichen Stellen. Oder Sie besorgen ihn sich gleich bei der Ankunft in Moos. Wollen Sie irgendwohin ausreiten?«

      »Reiten?« Stoner schüttelte den Kopf. »Ich habe Angst vor Pferden. Aber ich würde vielleicht gerne ein bisschen wandern.«

      »Kaufen Sie


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