Als Lehrer in Gotha/Thüringen 1950–1990. Heinz Scholz
dreiwöchige Ferienspiel-Durchgang endete mit einer großen „Abschiedsfeier“ am letzten Tag. Jede Gruppe war aufgefordert, einen originellen Vortrag oder Auftritt für das große Abschlussprogramm vorzubereiten. Es war erstaunlich und interessant, wie ideenreich und begeistert die Kinder dann ihre eingeübten Darbietungen zum Besten gaben. Ich erinnere mich an schöne Abschlussveranstaltungen im Beisein der eingeladenen Eltern – mit großem Lagerfeuer und abschließendem Lampion-Zug hinunter in die Stadt.
Es sei noch erwähnt: Die Teilnahme an den Ferienspielen war freiwillig! Sie kostete nur eine geringe Gebühr: zwei Mark pro Durchgang. Die Verpflegung der Kinder und Helfer erfolgte ohne Abgabe von Lebensmittelkarten. Der von der Schule beauftragte Leiter der Ferienspiele wurde von einem Angestellten der Stadtverwaltung unterstützt. Von seiner Behörde zu diesem besonderen Zweck vorübergehend abgestellt, war er für die Verpflegung und wirtschaftliche Verwaltung dieses Stützpunktes der Ferienspiele verantwortlich. Auch Eltern-Frauen, von der Schule geworben und eingewiesen, waren als Ferienspielhelfer im Küchendienst oder als Gruppenleiterin eingesetzt worden. Das Ganze wurde also mit großem Aufwand betrieben.
Abgesehen von den vorgegebenen Richtlinien zur „ideologischen Erziehung“, waren wir mitverantwortlichen Lehrer bestrebt, für die Kinder sinnvolle, erlebnisreiche, frohe Ferienwochen zu gestalten. Die meisten von uns haben sich um heikle oder schwierige politische Themen herumgedrückt oder versucht, diese auf ein vernünftiges Maß abzuwandeln. Wer wollte schon die Kinder in den Ferien aufdringlich agitieren. In den von „oben“ geforderten Berichten nach Abschluss der Ferienspiele hat man natürlich den Vollzug der geforderten „Erziehungspflichten“ im einzelnen genau aufgeführt, damit es keinen Ärger gab.
Im Laufe der 50er Jahre wurde die „Ferienaktion für Kinder“ weiter ausgebaut. Neben den „Örtlichen Ferienspielen“ wurden zunehmend mehrtägige Ferienwanderungen oder -fahrten ermöglicht und gefördert. Eine zentrale Verteilungsstelle bot den Schulen anreizende Wanderquartiere in interessanten Landschaften und Städten der DDR an, in denen Wandergruppen mehrtägig untergebracht und verpflegt werden konnten.
Ich habe davon oft Gebrauch gemacht, denn ich bin gern mit Kindern auf Fahrt gegangen. Es machte mir Freude, meinen Ideen zufolge mit den Schülern auf Entdeckung zu gehen, mit ihnen Sehenswertes zu erschließen und zu erleben und ihren Gesichtskreis zu erweitern. Natürlich war man als Leiter einer Wandergruppe, ob im Thüringischen unterwegs oder im Erzgebirge, im Harz oder in Berlin, so gut wie Tag und Nacht „im Dienst“. Es war anstrengend und verantwortungsvoll bei allem, was man täglich zu leisten hatte. Aber ein Vorteil lockte: War man 8 oder 10 Tage lang als Wandergruppenleiter unterwegs, war man freigestellt von drei Wochen Einsatz in den „örtlichen Ferienspielen“. Somit verlängerte sich für den „wandernden“ Lehrer die Zeit der freien Tage während der Sommerferien um eine Woche.
Eine weitere Form der staatlich gelenkten „Ferienaktion für Kinder“ waren die „Betriebsferienlager“. Die volkseigenen Betriebe wurden angeregt, an einem interessanten Standort ein geeignetes Gebäude zu erwerben und dieses mit Unterkünften, Küche und Sanitäreinrichtungen als Ferienlager auszubauen. Vornehmlich für Kinder der Betriebsangehörigen. Der Betrieb kam nicht umhin, für Verpflegung, Betreuung und Programm zu sorgen und auch Personal für das Ferienlager zu stellen. Später wurden zusätzlich Studenten oder Oberschüler als Helfer eingesetzt.
Schließlich gab es noch die „Zentralen Pionierlager“, von der obersten Leitung der Pionierorganisation eingerichtet und „geführt“! Bewährte, vorbildliche Pioniere durften für drei Ferienwochen an solch einem Lager teilnehmen und hatten das als Auszeichnung für besondere Verdienste zu verstehen. Nicht jeder wollte dahin!
Mit den Jahren nahm das Angebot und der Bedarf solcher Ferien-Gestaltungen zu, sodass in den Sommerferien fast alle Schüler mindestens an einer dieser angebotenen Ferien-Aktionen teilnehmen konnten.
Warum ich so ausführlich auf die Ferienaktion eingehe? – Ich will zeigen, mit welchem Aufwand die Staatspartei, das Ministerium für Volksbildung und die Pionier-Organisation das staatlich gesteuerte Ferienprogramm für
Ferienspiele im „Berggarten“ 1951 oder 1952.
Unser kleines schuleigenes Ferienlager im Thüringer Wald 1958.
Kinder forcierten und Schulen, Kommunen und Betriebe zur Verwirklichung rigoros einspannten. Die Parole „Frohe Ferientage für alle Kinder“ hatten die Urheber in ihrem Sinne sicherlich ernst gemeint, aber doch eng verbunden mit dem Ziel, die „politisch-ideologische Erziehung“ der Schuljugend während der sechs Wochen langen Sommerferien weiterzuführen.
Ich denke aber, dass überall in den Ferieneinrichtungen – wie von selbst – die fürsorgliche Betreuung, eine interessante, kind- oder jugendgerechte Gestaltung der Ferientage und eine vernünftige moralische Beeinflussung der Kinder im Vordergrund standen. Viele Lehrer/innen und die beteiligten Eltern haben sich eingesetzt zum puren Wohl und Nutzen der Kinder. Und jeder von uns Lehrern weiß und hat dabei erlebt, wie durch das tägliche gemeinsame Zusammensein mit den Kindern, durch das gegenseitige nähere Kennenlernen, das allgemeine Lehrer-Schüler-Verhältnis auf schöne Weise an Vertrauen und auch an Freundschaft gewinnen kann.
Dann darf nicht vergessen werden, dass in der dürftigen DDR-Nachkriegszeit die Menschen genügsam … und die Kinder (wie auch Eltern) sehr dankbar waren für jegliche Zuwendung außerhalb des Schulunterrichts: für ein einfaches zusätzliches Essen, für einfache interessante, freudige Erlebnisse und für eine einfache fürsorgliche Betreuung in den Schulferien! Ich meine, die Ferienaktion für Kinder in der DDR hat besonders in den fünfziger Jahren einen gemeinnützigen, kinderfreundlichen Wert gehabt!
Vorbereitung eines Schuljahres
Aus dem, was ich eben berichtet habe, ist zu ersehen, dass wir Lehrer während der Sommerferien zur Realisierung und Gestaltung der Ferienaktion eingesetzt wurden. Darüber hinaus waren wir verpflichtet, auch an Weiterbildungslehrgängen teilzunehmen. Von der achtwöchigen Ferienzeit blieben mir meist nur vier Ferienwochen, denn zu Beginn der letzten Ferienwoche, Ende August, in der so genannten „Vorbereitungswoche“, hatten wir uns wieder in der Schule einzufinden. Das Lehrerkollegium hatte die Aufgabe, das neue Schuljahr organisatorisch und inhaltlich vorzubereiten. Als Auftakt dazu diente damals eine ganztägige Kreislehrerkonferenz in der Stadthalle zu Gotha, in der wir einen zweistündigen Vortrag des Schulrates und anschließend das ergänzende Referat eines führenden Genossen der SED-Kreisleitung über uns ergehen lassen mussten. Vollgepackt mit aktuell politischen Themen und propagandistischen Tiraden neuester Ausgabe wurden den 900 Lehrern des Kreises die Hauptziele der „politisch-ideologischen Erziehungsarbeit“ für das kommende Schuljahr ausführlich und weisungsgerecht dargelegt. Am Nachmittag folgten dann die so genannten Diskussionsbeiträge. Dazu bestellte Lehrer traten ans Rednerpult, um in gleicher Parteisprache die hohe schulpolitische Bedeutung der am Vormittag verkündeten Reden und Ziele zu „untermauern“ und ihre Zustimmung zu versichern. Nur ganz vereinzelt kam es vor, dass ein gestandener, kluger bzw. schlauer Genosse es vermochte, am Rande seiner Diskussionsrede, geschickt balancierend, auch auf ein „Problem“ hinzuweisen. Aber ich habe heute noch im Ohr, wie ein eifernder Genosse, ausgerechnet ein Oberschullehrer, zum Thema „Förderung der Arbeiter- und Bauernkinder“, zum Abschluss seiner Rede – gegen alle geheimen Zweifler – laut in den Saal rief: „Und, Genossen, Kollegen, es gibt keine dummen Kinder!“
Diese Kreislehrerkonferenzen wirkten belastend und waren unergiebig. Sie nahmen mir die in den Ferien wieder gestärkte Lust auf Schule und Kinder. So eine Tagung, die uns Lehrer hätte bereichern und optimistisch stimmen sollen, wirkte wie eine endlose politische niederdrückende