Die Venusische Trilogie / Engel weinen nicht. Omnec Onec
sagte ich. „Aber wann wird meine Großmutter wieder gesund?“
„Nun, ich weiß es nicht. In der Nacht, als du in ihrem Schoß einschliefst, wurde sie wirklich krank. Weißt du, sie ist zuckerkrank und hat ein schwaches Herz. Sie sollte bald wieder zu Hause sein.“
„Zurück auf dem Land?“
„Nein, sie wird in der Stadt leben, in dem Wohnbauprojekt.“
„Oh ja, das stimmt“, erinnerte ich mich.
Mein Vater fuhr fort zu erklären: „Ich schätze, sie wird dort leben, weil es wirklich billig ist, nur 25 Dollar Miete im Monat.“
„Und werde ich dort zur Schule gehen?“
„Ja“, sagte er.
„Werde ich dich je wiedersehen?“ fragte ich. Ich empfand große Zuneigung zu David.
„Oh sicher, ich werde kommen und dich manchmal holen und in unser Haus bringen, wenn deine Großmutter mich läßt“, antwortete er.
Als ich in dieser Nacht im Bett lag, dachte ich an all die wunderbaren Dinge, die geschehen waren. Ich hatte mich mit einem gleichaltrigen Mädchen vergnügt, und ich hatte meinen ersten Film gesehen. Filme waren eine beliebte Form der Unterhaltung, hatte mir Onkel Odin einmal gesagt.
Auf dem Land zu spielen machte Spaß, aber es war ein Abenteuer, in eine Kinovorstellung zu gehen und eine Kreatur aus dem Weltall zu sehen. Ich vermute, es gibt solche bedrohlichen Kreaturen wie den “Blop” auf der niederen Astralebene, doch ich weiß von keinem solchen Wesen auf der physischen Ebene.
Am nächsten Morgen weckte mich mein Vater, um mich für die Schule anzukleiden. Zunächst zeigte er mir etwas Besonderes.
„Für mich?“ fragte ich, als er es mir gab.
„Sicher“, sagte er lächelnd.
Es war ein Schreibblock mit dem bekannten Countrysänger Gene Autry und seinem Pferd auf dem Deckblatt. „Es ist wunderschön!“ rief ich aus, doch ich verstand nicht, warum die schwarzen Stifte, die er mir gab, so dick waren. Und die Linien auf den Seiten waren so groß. Ich schätze, von Kindern wurde erwartet, daß sie groß schreiben.
An diesem Morgen war ich in der Schule nervös. Janice war schon da, um mich ihren Freunden vorzustellen, aber sie war in einer anderen Klasse.
Meine Lehrerin war eine schöne Frau mit großen braunen Augen und kurzem, lockigen, schwarzen Haar. Sie stellte mich der Klasse vor und sagte, meine Eltern seien viel gereist. Darum fing ich erst im Alter von sieben mit der ersten Klasse an.
Ich war überrascht und glücklich zu sehen, wie nett die anderen Kinder mich behandelten. Einige von ihnen, besonders die Jungen, konnten es nicht lassen, mich zu hänseln, weil ich älter war. Aber nach einer Weile beruhigten sich alle.
Mrs. Lewis war eine wunderbare Lehrerin. Sie war aufrichtig bemüht, mir beim Lernen zu helfen, und ich begann, sie zu lieben. Ich wußte schon, was sie versuchte mir beizubringen, aber ich würde es sie sicher nicht merken lassen. Ich gab vor zu lernen.
Zunächst arbeitete sie mit mir und lehrte mich das ABC, während die anderen Kinder beschäftigt waren. Ich holte die Klasse in kürzester Zeit ein. Bald brauchte Mrs. Lewis keine Sonderausflüge mehr an mein Schreibpult zu machen und zu erklären, was der Rest der Klasse machte.
Als sie sah, wie schnell ich Buchstabieren, Zählen und meinen Namen zu schreiben lernte, wurde ich in die zweite Klasse versetzt. Das war nur zwei Wochen, nachdem mein Vater mich angemeldet hatte. Sheila selbst hatte nie die erste Klasse beendet, und mein Vater und Mrs. Lewis konnten wahrscheinlich nichts anderes denken, als daß ich ein begabtes Kind war.
Ich kam in die zweite Klasse, als unser Lehrer Mr. Reed gerade die Subtraktion einführte.
Er sagte, „heute werden wir die Subtraktion lernen.“
„Subtraktion?“ platzte es aus mir heraus.
Er sah mich streng an und sagte: „Es ist dir nicht gestattet zu sprechen, es sei denn, du hebst deine Hand.“
„Oh, okay“, sagte ich. So hob ich meine Hand und fragte: „Was ist Subtraktion?“
Mr. Reed klang ungeduldig. „Ich werde es in wenigen Minuten erklären.“ Aber je mehr er darüber sprach, desto verwirrter wurde ich.
„Das ist wirklich merkwürdig“, sagte ich. „Warum wollen Sie etwas von etwas anderem wegnehmen?“
„Ich weiß nicht“, sagte er.
Das irritierte mich. „Sie wissen es nicht? Sie sind unser Lehrer. Was meinen Sie? Sie nehmen eins von zweien weg und bekommen eins. Warum wollen sie eins von zweien wegnehmen?“
„Sheila, solche Fragen ergeben keinen Sinn.“
„Macht das denn Sinn – eins von einem wegzunehmen ergibt Null. Wie können Sie etwas von sich selbst wegnehmen? Sie können das Objekt wegnehmen und nichts haben, doch Sie können es nicht von sich selbst wegnehmen.“ Ich fuhr fort in dem Versuch, meinen Standpunkt klar zu machen; diese neuen mathematischen Ideen stimmten nicht mit dem überein, was mir beigebracht worden war.
„Sheila, wenn du nicht aufhörst, Fragen zu stellen, werde ich dich zum Direktor schicken.“
„Oh, okay“, sagte ich ruhig. „Ich werde nicht mehr fragen.“
Subtraktion machte für mich niemals Sinn und wird es auch niemals tun. Ich mag dies nicht, weil es zu mental ist und nicht den natürlichen Gesetzen der Ausdehnung folgt. In Teutonia wurde mir niemals beigebracht, etwas von etwas anderem wegzunehmen. Wir veränderten nur, was existierte.
Ich hatte auch Probleme mit dem irdischen Zehnersystem. Auf den fortschrittlicheren Planeten existiert die Null nicht, wegen ihrer eigentlichen Natur. Indem wir den Gesetzen der Natur folgen, haben wir gelernt, daß das grundlegende Neunersystem am besten zu uns paßt. Nebenbei gesagt, haben die Regierungen der Erde im Laufe der Jahre abgestürzte fliegende Untertassen untersucht und herausgefunden, daß ihre Dimensionen auf ein Neunerzahlensystem hinweisen.
Um alle zufriedenzustellen, lernte ich Subtraktion. An diesem Abend ging ich heim und erzählte Daddy, was ich gelernt hatte, daß zwei weniger eins gleich eins ist.
„Das ist sehr gut!“, sagte er.
„Ich weiß auch, was zehn weniger fünf ist“, sagte ich.
„Wieviel?“
„Fünf.“
„Woher weißt du das?“ fragte er. Haben sie dir das beigebracht?“
„Sie haben mir beigebracht, eins abzuziehen, und ich habe das andere selbst herausgefunden.“
„He, du bist aber gut darin, oder?“ Er lächelte. „Ich bin wirklich stolz auf dich, weil du mein erstes kleines Mädchen bist. Du siehst deiner Mutter sehr ähnlich.“
„Tu’ ich das?“
„Ja.“
„Sie ist hübsch“, sagte ich und erinnerte mich an Vonics Beschreibung von ihr. „Sie sieht aus wie Marilyn Monroe.“
„Ja, das tut sie“, stimmte er lachend zu.
Ich fragte mich, ob ich Donna je treffen würde und wann das sein würde. Ich hatte von Großmutter und von Tante Ellen so viel über sie gehört, aber ich hatte sie selbst nie gesehen. Dies sollte erst nach einem Jahr meines Lebens auf der Erde geschehen.
Am Freitagabend saßen wir am Eßtisch. Wie gewöhnlich gab es Hot Dogs und Chili, was ich gern aß. Das Telefon klingelte, und Daddy nahm ab.
„Deine Großmutter wird heimkommen“, kündigte er an, und meine Stimmung sank. Ich würde in einer Woche zu ihr zurückkehren. Die Vorstellung zu gehen mochte ich nicht; David und Peggy waren so gut zu mir gewesen. Und was sollte aus all meinen neuen Freunden in der Schule werden, dachte ich?
„Muß ich zurückgehen?“ fragte ich.