Terror. D. J. Franzen

Terror - D. J. Franzen


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blickte Lemmy schweigend an.

      »Na also. Fünf Minuten. Und dann lassen wir diese Flüchtlinge rein.«

      Lemmy bedeutete dem kleinen Mann vor dem Zaun, ihm ein Stück weit zu folgen. Als sie außer Hörweite waren, legte er eine Hand auf das Gitter.

      Der kleinere Mann tat es ihm nach. »Wie geht es dir? Du hast dich verändert, mein Freund. Ich hätte dich beinahe nicht wiedererkannt. Reinkarnation?«

      Lemmy nickte. »Ja. Ich hätte nur ganz gerne vorher gewusst, auf was ich mich da einlasse.« Er schüttelte den Kopf. »Wie auch immer, es ist lange her, Longinus. Was machst du hier?«

      »Ich habe erfahren, dass Gabriel und Luzifer immer noch ihre Spielchen treiben, als hätten sie nicht schon genug angerichtet.«

      Lemmy seufzte. »Ja. Die zwei haben diesmal wirklich ganze Arbeit geleistet. Und jetzt streiten sie sich um die Reste wie zwei kleine Kinder um ein Spielzeug. Wenn unsere Gemeinschaft noch kleiner wird, werden sie irgendwann vollkommen außer Kontrolle geraten.«

      Longinus nickte ernst. »Dieser Moment könnte früher kommen, als uns allen lieb ist.«

      »Warum?«

      »Wir sind die letzten fünf. Du, Alexander, ich und diese beiden Hitzköpfe.«

      »Was? Wo sind die anderen?«

      Longinus zuckte mit den Schultern. »Spurlos verschwunden. Ich hatte zuerst vermutet, Gabriel oder Luzifer hätten sie in sich aufgenommen. Aber in dem Fall würden wir jetzt nicht hier stehen, oder?«

      Lemmy atmete tief durch. »Wohl kaum. Ob sich die anderen vielleicht vereint haben?«

      »Wie kommst du darauf?«

      »Spürst du es nicht auch, diesen Ruf, der uns nach Süden zieht? In dieser Gruppe hier sind ein paar Kinder, aber auch Erwachsene, die den Ruf ebenfalls spüren. Und Er ist auch hier.«

      »Wer?«

      »Der Erschaffer der Tore. Aber er weiß nichts von seiner Vergangenheit. Er wurde wiedergeboren und ahnt nichts von seinen Fähigkeiten.«

      Longinus atmete tief durch. »Also sind die anderen doch nicht verschwunden!«

      »Wie meinst du das?«

      »Diesen Ruf verspüre ich auch. Und du sagst, in deiner Gruppe gibt es noch mehr wie uns?«

      Lemmy zuckte mit den Schultern. »Zumindest haben sie einen kleinen Teil unserer Fähigkeiten. Sie spüren den Ruf deutlich und nennen den Ort ›Eden‹. Es scheint ein Refugium zu sein, wo sich die letzten Menschen zusammengefunden haben.«

      Longinus schwieg einen Moment. Sein Blick glitt über die Gruppe Überlebender, die er hierher geführt hatte. »Vielleicht ist das unsere Bestimmung, der Grund für unser Dasein? Das Auslösen der Katharsis, aus der sich dann etwas Besseres, Größeres entwickeln kann?«

      »Das wäre möglich. Wirst du dich uns anschließen?«

      »Nein. Ich werde weitersuchen.«

      Lemmy schüttelte den Kopf. »Nach all den Jahrhunderten suchst du immer noch nach Gott?«

      »Natürlich. Das ist meine Aufgabe. Dafür hat er mich erschaffen.«

      »Und unterwegs sammelst du verlorene Seelen ein, richtig?«

      »Man tut, was man kann«, erwiderte Longinus mit einem Lächeln. »Ich weiß, du glaubst nicht an Gott oder die Existenz von Göttern überhaupt. Aber wenn es Ihn nicht gibt, welchen Sinn hätte unsere Existenz denn sonst? Oder unsere Fähigkeiten, unsere Gemeinschaft?«

      »Vielleicht sind wir nur eine Laune der Natur?«

      Longinus schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, das kann ich nicht glauben. Ich war da, als Sein Sohn starb. Ich wurde Zeuge eines Wunders, das sogar unsere Kräfte übersteigt. Ich kann Seine Existenz nicht anzweifeln.«

      »Also ziehst du weiter durch die Welt und kehrst die Reste zusammen, die Gott zurückgelassen hat. Und ab und an suchst du jemanden, der sich ihrer annimmt.«

      »Es sind einfache Menschen. Sie sind hilflos. Aber in einer Gemeinschaft zusammengebracht könnten sie etwas Neues aufbauen, etwas, das besser ist als das, was jetzt zerbrochen am Boden liegt. Und vielleicht sind die anderen wirklich eine besondere Vereinigung eingegangen, um das, was du Eden nennst, zu erschaffen. Es wäre die Erfüllung einer Bestimmung und Gottes Wille zugleich.«

      Lemmy schnaufte verächtlich. »Wie das Bessere aussieht, habe ich in Schwarmstein gesehen. Und was ich von Gott halte, weißt du. Wir hatten schon öfter unsere Dispute über dieses Thema. Aber was Eden betrifft, könntest du recht haben. Vielleicht haben die anderen wirklich mit ihren vereinten Kräften ein solches Refugium erschaffen.«

      »Schwarmstein existiert nicht mehr, mein alter Freund. Die Zombies haben es überrannt. Es waren aber keine normalen. Sie wurden von irgendeiner Kraft gelenkt, die ich noch nicht ganz verstehe.«

      Lemmy nickte. »Also gut. Ich nehme deine verlorenen Schafe auf. Und ich werde versuchen, die Herde zu diesem Eden zu führen. Aber nur, weil ich dir vertraue, und weil ich niemanden da draußen alleine lassen will.«

      Die beiden Männer machten sich auf den Rückweg.

      »Und was ist mit dem da? Wird er es verstehen?«, fragte Longinus, während er in Jörgs Richtung nickte. »Er macht auf mich den Eindruck, als würde er wieder in die alten Gewohnheiten fallen und sein Revier verteidigen.«

      »Er meint es nur gut, aber er wird auch irgendwann verstehen müssen, dass sich die Welt verändert hat, mein Freund. Denn wenn er nicht akzeptiert, dass jetzt eine neue Ordnung herrscht, in der die letzten Überlebenden zusammenhalten müssen ...« Lemmy zögerte und blieb stehen. »Dann hat auch unsere letzte Stunde geschlagen.«

      »Wirst du auf meine Schafe aufpassen?«

      »Solange sie sich an die Regeln halten, ja.«

      »Ich danke dir.«

      »Willst du schon wieder los? Willst du dich nicht aufwärmen und etwas Vernünftiges essen, bevor du deine Suche fortsetzt?«

      Longinus schüttelte den Kopf. Um seine Lippen spielte ein kleines Lächeln. »Der Herr ist mein Hirte. Es wird mir an nichts mangeln.«

      Lemmy nickte. »Dann leb wohl, Centurio Longinus.«

      »Nein, ich bin schon lange nicht mehr Centurio Longinus, der Mann, der Jesus am Kreuz mit einem Speer die Seite öffnete. Ich bin Longinus der Suchende.«

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