Aus, Äpfel, Amen (2) Ria, de Kloa 1948 bis 1951. Mia May-Esch

Aus, Äpfel, Amen (2) Ria, de Kloa 1948 bis 1951 - Mia May-Esch


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Mama direkt vom Mund abgespart hat, stapfe ich durch die sumpfige Wiese und achte auf nichts. Mit vollkommen verdreckten Schuhen, an denen jetzt auch noch ein Absatz fehlt, komme ich heim. Mama ist entsetzt. Sie fängt wegen des fehlenden Absatzes zu schimpfen an. Mama versteht nicht, dass ich einfach genau sehen musste, ob vielleicht auch ein ganzes Ochsengespann oder eine Frau mit einer Kirm auf dem Rücken vorbeischwimmt, wie es Mamas Mutter früher mal bei einem Donauhochwasser gesehen hat.

      Für mich ist das Hochwasser auch interessant, weil dort, wo jetzt der Bach läuft, der Sage nach in ganz, ganz früheren Zeiten ein breiter Fluss gewesen sein soll, der die ganze Breite des Tales ausfüllte. Dieser Fluss wurde von Schiffern mit Booten befahren. Wo das heutige Dorf ist, soll eine Anlegestelle gewesen sein, daher kommt der Name des Dorfes, der damals „Landing“ lautete und später zu Lenting wurde. Oben auf der Höhe, wo heute die Kirche steht, soll eine Kapelle errichtet worden sein, die dem Heiligen Nikolaus, dem Heiligen der Schiffer, geweiht wurde, der auch heute noch der Schutzheilige der Pfarrei ist. Beim Anblick des Hochwassers kann ich mir genau vorstellen, wie das damals ausgesehen hat.

       Auch ein Hochwasser kann also trotz dreckiger Schuhe geistige Anregung bringen.

       Vorbereitungen für meine Heilige Erstkommunion

      Mein neunter Geburtstag verläuft angesichts der bevorstehenden Erstkommunion fast ohne Beachtung. Das große Ereignis der Erstkommunion findet immer am Weißen Sonntag, eine Woche nach Ostern, statt. Dieses Jahr fällt er früh, schon auf den 4. April. Dies ist auch der siebte Geburtstag von Robert, aber auch dem wird es dieses Jahr an Beachtung fehlen. Obwohl Kindergeburtstage generell nicht besonders gefeiert werden.

      Die Vorbereitungen für mein großes Fest beginnen schon lange vorher. Das Wichtigste ist das Kleid. Mama hat noch diesen wunderbaren Stoff mit den Goldfäden. Eigentlich hat ihr der Papa diesen Stoff 1940 einmal mitgebracht. Es sollte eine elegante Bluse für sie werden. Jetzt ist sie froh, dass sie damit das Kleidproblem lösen kann.

      Der Stoff ist für Mama so kostbar, dass sie mein Kleid nicht selbst näht, sondern die Schneiderin Anni den Auftrag bekommt. Die Anni ist eine gute Freundin meiner Tante und erklärt sich bereit, das Kleid zu nähen, obwohl sie gar nicht weiß, wie sie alle Kleider, die sie in Auftrag hat, bis zum Weißen Sonntag fertig haben soll.

      Mutti und Tante tragen auch sonst mit allen Mitteln bei, so bekomme ich eine Garnitur gaaaanz neue Unterwäsche, weiße Strümpfe und weiße Handschuhe. Es ist ein Rätsel, wie sie das geschafft haben. Einen weißen Rosenkranz, ein Kettchen mit einem Kreuz und ein Gebetsbuch bekomme ich schon vorher als Geschenk zu meiner Kommunion. Mama näht mir noch ein neues weißes Strapsleiberl, ein weißes Täschchen sowie weiße Schuhe mit einer Spange und Verzierung.

      Aber es fehlen doch noch sehr wichtige Dinge, nämlich die Kerze und ein Kränzchen. Natürlich sind meine Leute nicht die Einzigen, die solche Raritäten suchen. Die Eltern von reichen Bauernkindern haben da doch noch ganz andere Möglichkeiten, diese Kostbarkeiten irgendwie einzutauschen. Für mich werden die Lebensmittelkarten geopfert. So treibt man doch noch eine Kerze auf. Aber ein Kranz ist nicht zu finden. Es ist schon die Osterwoche, Mama überlegt, ob sie nicht selbst ein Kränzchen basteln und dieses mit den Asparaguszweigen aus Tantes Blumenstock schmücken könnte.

      Da bringt Tante endlich die Nachricht, dass die Frau Herold noch einen Kranz habe. Es ist zwar kein Kränzchen für ein Kommunionkind, sondern ein Brautkranz, und er ist nur gegen viele Zucker- und Fleischmarken zu erhalten, außerdem zwingt der Aufwand sämtliche Vorbereitungspläne für Essen und Backen zu erheblichen Einschränkungen, aber der Kranz wird erworben! Ich bin ausstaffiert und glücklich!

      Und wie wichtig wir Kommunionkinder im Dorf sind! Überall merkt man die Vorbereitungen. Ich, mit meinem Goldfadenkleid, werde bestimmt die Schönste!

      Wenn ich Mama frage, ob ich schön sei, dann meint sie immer: „Du taugst schon nei (hinein) untern Haufen.“ Nie sagt sie, dass ich schön bin! Noch dazu gehe ich schon die ganze Zeit nicht in die Sonne, damit mich an meiner Kommunion ja keine Sommermirl (Sommersprossen) verunstalten – und die Märzensonne ist sehr gefährlich.

      Endlich bin ich einmal wichtig, wo ich doch sonst nur wegen meiner roten Haare und der Sommersprossen auffalle. Sogar die Kinder haben schon hinter mir hergerufen: „Du mit deinen Sommersprossen hast mit dem Teufel Kuhdreck droschen!“ Da hat es Beate gut! Sie hat schöne braune Haare. Ihre Augen sind nie entzündet, kein einziges Sommermirl verunziert ihr Gesicht.

      Jetzt aber stehe ich mal mit schönen Dingen im Mittelpunkt! Meine Wichtigkeit macht sich überall bemerkbar. Voller Einbildung und Stolz rausche ich dahin und bringe Mama mal wieder zu einem ihrer Sprüche, mit dem sie mich ein wenig bremst: „Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz.“ Ich und dumm! Und ich bin doch auch nicht stolz, sondern ich gehöre einfach zu den Wichtigen! Ja mei, des is halt so, wenn man wichtig ist, ist man eben wichtig!

      Ich habe kaum noch Zeit, um mit Beate zu reden. Ich merke zwar, dass sie genervt ist, aber sie verdreht nur missbilligend die Augen, dreht sich um und läuft davon. Sie denkt bestimmt, der Tag geht doch mal vorbei und ich werde wieder froh um sie sein. Übrigens, nächstes Jahr ist sie Kommunionkind, dann werde ich dumm schauen. Aber mein Denken geht nicht über das Ereignis hinaus.

      Ich muss zu den Anproben zur Schneiderin. Meine Haare werden gewaschen und auf Papierwuggerl aufgedreht, damit ich am Weißen Sonntag die schönsten Stopsellocken habe.

      Außerdem muss ich in den Pfarrhof zum Kommunionunterricht. Dann kommen die Proben vor und in der Kirche. Wir üben, wie wir uns aufstellen sollen, wer neben wem steht, wie wir reingehen, was wir singen, was wir sagen, wo wir sitzen, wie wir zur Kommunionbank gehen. Wir üben auch das gemeinsame Sprechen der Erneuerung des Taufgelübdes und des Glaubensbekenntnisses: „Ich glaube an Gott, den Vater und den Sohn … Ich glaube an die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Nachlass der Sünden, Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben. Amen.“

      Aber um den Nachlass der Sünden zu erreichen, kommt vor der Kommunion noch die Beichte. Da muss ich den Beichtspiegel auswendig lernen, nebenbei mein Gewissen genau erforschen, damit ich ja keine Sünde aus meinem sündhaften Leben vergesse!

      Oh je! All meine Verfehlungen soll ich dann unserem Pfarrer beichten. Der kennt mich ja, so wird er dann ganz genau wissen, dass ich gar nicht sooo heilig bin, wie ich immer dreinschaue oder wie ich den Anschein erwecken will. Auch wenn ich bei mir keine Todsünden finde, so hat sich doch schon ein Sündenregister in meinem Leben angesammelt: tägliche Gebete unterlassen, der Mama nicht gefolgt, eingebildet sein, meine kleineren Brüder an den Haaren gezogen, von der Marmelade genascht, neidisch gewesen und, und, und … Ich will noch gar nicht genau darüber nachdenken!

      Da hat es der Papa schön, der beichtet in der Stadt oder er kauft sich einen Beichtzettel, damit er beim Pfarrer den Nachweis erbringen kann, dass er die Osterbeichte abgelegt hat.

       Aber auch die Beichte werde ich überleben.

       Die Osterzeit

      Am Palmsonntag stehe ich schnell auf, damit ich ja nicht der Palmesel werde. Das ist dieses Jahr der Papa. Aber der nimmt das nicht tragisch, sondern lacht nur dazu. Im Hochamt lasse ich die bunten gebundenen Palmkätzchen weihen. Diese steckt Mama hernach hinter das Kreuz in der Küche, damit Gottes Segen immer im Haus ist.

      Die Karwoche ist ruhig und es gibt weniger zu essen. Am Karfreitag läuten keine Glocken, sondern man hört nur die Karfreitagsratschn. Es heißt, die Glocken sind nach Rom geflogen. Von dort werden sie zu Ostern von den Engeln wieder zurückgebracht.

      In der Kirche sind alle Bilder mit violetten Tüchern verhüllt. Vorne an der Kommunionbank liegt ein Kreuz am Boden. Wenn man im Knien dort ankommt und den Leib Christi küsst, erhält man einen Ablass. Wir Kinder sammeln mit Freude einen Ablass nach dem anderen. Wir kommen zur Kirchentüre herein, gehen in die Knie, rutschen


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