Mrs. Lewis. Patti Callahan

Mrs. Lewis - Patti Callahan


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Joy:

      Natürlich habe ich Der Hobbit gelesen (und meinen Söhnen vorgelesen). Ein außergewöhnliches Buch. Was die Mythen betrifft, habe ich mich früher für meine Neigung zu Mythologie und Fantasie geschämt, aber sie hat mir geholfen, mir einen Reim auf eine scheinbar sinnlose Welt zu machen. Und jetzt bin ich dankbar dafür, denn sie hat mich zu Ihren Werken und zu meinen Überzeugungen geführt. Mit zwölf habe ich MacDonalds Phantastes entdeckt, als ich mich in der Schulbibliothek langweilte. Früher glaubte ich nur an eine dreidimensionale Welt, aber was ich mir wünschte, war eine vierdimensionale Welt, und die fand ich in jenen Geschichten. Im Rückblick scheint ein genialer Plan dahinterzustecken – jede Geschichte war ein Trittstein auf dem Weg dahin, wo ich heute stehe.

       Jack:

      Meine Güte! Was für ein freudiger Zufall – Phantastes war das Buch, das meine eigene Vorstellungskraft getauft hat, und nun hat es Sie zu meinen Werken geführt. Was für eine Freude, eine Brieffreundin zu haben, die ich bewundere und von der ich stets gerne höre. Ich freue mich schon sehr auf Ihren nächsten Brief.

      Chad stand auf und gesellte sich zu Bill und den Kindern im See. Ich ließ langsam den Chianti über meine Zunge rollen und mich von dem warmen Dunst um uns herum einhüllen. Von ferne war ein Donnergrollen zu hören.

      Eva stöhnte. „Nicht schon wieder Regen!“ Sie drehte sich auf die Seite und musterte mich. „Was hat dir geholfen, dieses Jahr zu überstehen“, fragte sie, „wenn doch so viel im Argen liegt?“

      Ich zog meine Beine an mich und legte das leere Glas seitlich ins Gras. „Meine Söhne. Das Schreiben. Mich Gott zu nähern, oder dem, was ich von ihm weiß, so gut ich kann. Manches am Christentum ist mir immer noch nicht so ganz klar wie anscheinend dir.“

      „Mir ist keineswegs alles klar.“ Sie stützte ihr Gesicht auf ihre Handfläche. „Das geht wohl uns allen so.“

      „Werden wir es je verstehen? Du bist schon so viel länger gläubig als ich.“

      „Ich glaube nicht, Joy. Es ist ein Entfalten. Ein beständiges Entfalten hin zu einem neuen Leben – oder im besten Fall ist es so.“

      „Neues Leben.“ Ich sprach die Worte aus, als wollte ich sie schmecken.

       5

       Love will go crazy if the moon is bright

      „Sonnet III“, Joy Davidman

      Ich döste wie in einem nebeligen Wald vor mich hin, als das Gelächter von Davy, Douglas und den Walsh-Mädchen durchs offene Fenster hereindrang. Sie hatten mich aus einem Traum geweckt – wovon hatte ich geträumt?

      Sanft wie Kaschmir fiel der Morgen durch das Fenster herein. Ich drehte mich um und schaute zu dem anderen Bett im Gästezimmer hinüber – Bill war offenbar schon aufgestanden. Ich kuschelte mich noch einmal ins Kissen. Weit entfernt hörte ich das Grummeln der vertrauten Gewitterwolken.

      Das Gelächter der Kinder schlug in lautes Gebrüll um. Ihre geschwisterlichen Kabbeleien erinnerten mich an meinen halb vergessenen Traum – er handelte von Howie und unseren mitternächtlichen Ausflügen in den Zoo. Ich vermisste die Nähe, die wir als Kinder zueinander gehabt hatten; er fehlte mir so sehr, dass ich es wie einen Schmerz unter meinem Herzen spürte. Ich schloss die Augen und gab mich für einen Moment der Erinnerung an die Zeit hin, als er mich noch geliebt hatte – ein besonderes Gefühl, das im Moment schwer zu fassen war.

      Ich öffnete meine Augen für die Morgensonne, die Stimmen der Kinder und den neuen Tag. Für meine Jungen wollte ich eine andere Art Mutter sein, als meine Eltern es für mich gewesen waren. Gelang mir das?

      Während dieser langen, trägen Sommertage hatte ich mich zu der Entscheidung durchgerungen, dass es meine oberste Priorität war, mich um meine Söhne, meinen Mann, meinen Garten, mein Haus zu kümmern – alles Gaben, die mir geschenkt worden waren. Ich wollte meine Ehe gesunden lassen, zurückfinden zu dem frühen Glück unserer ersten gemeinsamen Tage. Ich wollte Ruhe finden in der Sanftheit miteinander, die wir in kleinen Momenten fanden: wenn wir zusammen schrieben, mit unseren Söhnen spielten, uns liebten. Dazu würde es tief greifende Vergebung und Gnade brauchen, aber das waren meine Ziele, und wenn ich sie erreichte, würden sich vielleicht auch Freude und Friede einstellen. Hoffen wir das Beste, dachte ich.

      Mein baumwollenes Nachthemd verhedderte sich in den Betttüchern, als ich aufstand. Lachend streifte ich das Nachthemd über den Kopf hinweg ab und schlüpfte in ein paar Shorts und ein abgetragenes rotes T-Shirt, das noch aus Bills College-Tagen stammte. Dann zog ich den rot karierten Vorhang zur Seite und rief aus dem Fenster: „Guten Morgen, ihr Süßen da draußen.“

      „Mami!“ Douglas winkte mir von der Schaukel aus zu, die am untersten knorrigen Ast einer alten Eiche hing. „Mrs. Walsh macht Pfannkuchen zum Frühstück. Beeil dich!“

       Jack:

       Aber was ist denn da bei uns in ,The Kilns‘ angekommen? Sie haben Warnie und mir einen Schinken geschickt! Vielen herzlichen Dank. Sie können sich nicht vorstellen, was das bedeutet in dieser Zeit, in der Lebensmittel rationiert sind. Uns fehlt es nicht am Essen, aber wir sind die eintönige Auswahl ziemlich leid.

       Joy:

       Sehr gern geschehen. Ich konnte es kaum ertragen, zu wissen, dass es bei Ihnen Tag für Tag immer wieder dasselbe zu essen gibt. Hier in meinem Sommergarten sprießt und gedeiht alles! Ich habe Marmelade gekocht, die Bohnen eingemacht und mit den Äpfeln und Birnen aus meinem Obstgarten habe ich Pasteten gebacken.

      Dort in Vermont tollten die Kinder durch den Wald, sie waren so wild wie die Blumen dort. Ich unternahm mit allen sechs Kindern lange Spaziergänge durch die Wälder, wo wir Pilze suchten und ich ihnen beibrachte, wie all die Dinge, die dort wild wuchsen, hießen und schmeckten. Die Jungen machten sich über die Mädchen lustig, weil sie zu ängstlich waren, um die Sachen zu essen, die ich von dem weichen Waldboden aufhob und ihnen zum Probieren entgegenstreckte. Ich wusste, dass sie mich für ein bisschen verrückt hielten, aber das war mir egal.

      Unsere sommerlichen Stunden mit den Walshs waren redselig und anregend. Wir wanderten und unterhielten uns über Philosophie. Wir spielten Kartenspiele und Scrabble. Wir diskutierten über Bills Gedanken über den Buddhismus, und wir gestanden beide ein, dass wir schon Artikel und Bücher hatten schreiben müssen, zu denen wir nicht unbedingt Lust hatten, um finanziell über die Runden zu kommen. Wir redeten über die Atombombe und darüber, wie sie wohl unsere Welt verändern würde.

      Zuweilen empfand ich während dieser lebhaften und intensiven Debatten dieselbe Freiheit und intellektuelle Stimulation, die ich während meiner vier Sommer in der MacDowell-Kolonie erlebt hatte. In dieser Künstler- und Schriftstellergemeinschaft in New Hampshire mitten in einem unberührten Waldgelände hatte die Kombination aus Ruhe zum Schreiben und dem geselligen Umgang mit Kollegen den kreativen Unterbau für meine besten Arbeiten geliefert. Das war noch zu der Zeit, als das Schreiben das Einzige war, was ich tat, wovon ich redete und woran ich dachte.

       Jack:

       Tut mir leid, dass Sie Mühe mit Ihrer neuen Arbeit über die Zehn Gebote haben. Aber denken Sie daran, Joy, dass etwas, was Sie nicht im Innersten angeht, auch Ihre Leser nicht interessieren wird.

       Joy:

       Oh, Jack, es betrifft mich durchaus im Innersten. Ich finde es nur schwieriger, über Theologie zu schreiben, als ich es vorausgesehen hatte. Vielleicht war ich noch nicht bereit dafür. Aber manchmal müssen wir einfach Dinge tun, für die wir noch nicht ganz bereit sind.


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