Mrs. Lewis. Patti Callahan

Mrs. Lewis - Patti Callahan


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bist, hast du nie an Scheidung gedacht? Ich merke doch, dass dein Herz für Bill verschlossen ist.“

      „Ich versuche es irgendwie hinzukriegen; ich liebe ihn ja doch.“ Ich deutete auf meine Arbeit. „Ich versuche mich an diese Gebote hier zu halten, Süße“, fügte ich mit einem bemüht unbeschwerten Zwinkern hinzu.

      „Ich lasse mich scheiden“, erwiderte sie. Ihre Augen blieben so tränenlos wie ihr Herz für Claude. „Ist das falsch und ‚unbiblisch‘? Mit so einer Religion kann ich nichts anfangen, wenn überhaupt mit irgendeiner.“

      „Nein“, sagte ich warm. „Claude hat dich geschlagen. Und die Kinder. In so einer Situation stecke ich nicht. Mein Herz ist bloß unruhig gegenüber einem Mann, der sagt, dass er mich liebt, während er mich gleichzeitig beschimpft; einem Mann, den ich liebe und jetzt fürchte. Und Renee, mir ist klar geworden, dass es einen Unterschied gibt zwischen Religion und Gott, und zwar einen sehr großen.“

      Renee kam näher und schlug einen weicheren Ton an. „Bill hat mir erzählt, was der Arzt gesagt hat …“

      Ich hob die Augenbrauen. „Ach?“

      „Dass du dich erholen musst, dass du dafür vielleicht woanders hin musst. Wir alle brauchen dich, besonders die Kinder, und wenn du krank und erschöpft bist, nützt du niemandem etwas. Nicht einmal dir selbst. Und schon gar nicht deiner Arbeit.“

      „Ich weiß. Aber ich wüsste nicht, wie ich hier weg könnte. Wie könnte ich denn meine Kinder zurücklassen? Ich bin mir nicht sicher, ob ich das nicht genauso wenig überleben würde.“

      „Es wird vielleicht nicht leicht sein“, sagte sie, „aber es ist nicht unmöglich. Ich habe in letzter Zeit eine Menge Dinge getan, die ich früher für unmöglich hielt.“

      „Ich habe schon mal an England gedacht“, gab ich zu. „Dorthin zu gehen und mich von diesen Krankheiten zu erholen, zu schreiben und mit dem einzigen Freund zu reden, der mir vielleicht helfen könnte. Ich sehne mich danach, die englische Landschaft zu sehen und in ihre Geschichte und Literatur einzutauchen. Ich habe sogar eine Idee für ein Buch, das dort spielen würde, aber mir bleibt nichts anderes übrig, als weiter zu versuchen, die Dinge hier in Ordnung zu bringen. Weiter zu schreiben. Mich weiter um meine Familie zu kümmern.“

      Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Wenn es dein Traum ist, nach England zu gehen, und dein Arzt dasselbe vorschlägt, dann solltest du es tun, Joy. Wir kommen hier schon zurecht.“

      Ich sah meine Cousine staunend an. Vielleicht war es möglich: all die Träume und Wünsche und Fantasien von den Landschaften Englands wahr werden zu lassen.

      „Ich weiß nicht.“ Ich starrte nach draußen, als läge England auf unserem Farmland in Staatsburg. „Chad war dort, und es hat sein Leben verändert. Als er zurückkam, schrieb er sein bisher bestes Buch, und hat seitdem mit dem Schreiben nicht aufgehört.“

      „Es könnte auch dein Leben völlig verändern, Joy. Vielleicht ist das hier deine einzige Chance. Warum ergreifst du sie nicht? Ich bin doch da und kann helfen.“

      Mit einer Freundlichkeit, wie man sie einem kleinen Kind zuwendet, lächelte sie mich an und stand dann auf, um zu gehen.

      Als ich wieder allein war, fiel mir etwas ein, was ich vor gar nicht langer Zeit in Vermont zu Chad gesagt hatte. Was würde aus mir werden, wenn ich je den Mut hätte? Ich hatte das Gefühl, ich würde es bald herausfinden.

       Jack:

       Wie geht es Ihnen mit dem Besuch Ihrer Cousine? Da wir nun wieder über unser Haus verfügen können, haben Warnie und ich einen Gast aus Irland beherbergt – meinen Freund aus Kindertagen, Arthur Greeves –, und nun ruhen wir uns übers Wochenende etwas aus. Selbst der Umstand, dass ich für einen neuen Lehrstuhl am Magdalen College übergangen wurde, kann meine heitere Stimmung nicht trüben. Und letzte Woche habe ich beim Bibliotheksverband einen Vortrag über Kinderliteratur gehalten – ich glaube, ich werde diesen Vortrag zu einem Essay ausarbeiten; er enthält manches, worüber Sie und ich in unseren Briefen geschrieben haben – über gute und schlechte Arten, für Kinder zu schreiben. So geht mir das häufig: Ihre Worte helfen mir, meine klarer zu machen.

       Joy:

       Es ist schön, eine Freundin im Haus zu haben. Es bringt aber auch alte Kindheitserinnerungen zurück. Renee hat einen Job in Poughkeepsie angenommen, sodass jetzt etwas Geld hereinkommt; ihr liegt sehr daran, hier ihren Beitrag zu leisten. Ich schreibe wie eine Wahnsinnige – das Buch über König Karl II. hat meiner Kreativität etwas Raum geschenkt, die Worte fließen wieder.

       Es gibt aufregende Neuigkeiten: Ich plane, nach England zu kommen. Es gibt noch ein paar logistische Probleme zu lösen, aber ich glaube, es ist machbar.

      An einem feuchten Frühjahrsmorgen ging ich zu Bill und Renee und bat sie, mir zuzuhören. Ich wollte ihnen von den Plänen erzählen, die uns alle retten würden.

      Wir saßen im Wohnzimmer, Bill und ich auf dem durchgesessenen Cordsofa, Renee auf der anderen Seite des niedrigen Holzfurnier-Kaffeetisches auf dem steifen Kunstledersessel. Das Zimmer war so sauber wie schon seit Monaten nicht mehr. Dank Renees Mithilfe und der Rückkehr unserer Haushälterin Grace, waren Staub und Unordnung fürs Erste gebannt.

      „Im April“, begann ich, „bekomme ich einen Scheck für meine Artikel. Das Geld würde ich gerne für eine Reise nach Übersee verwenden.“ Ich machte eine Pause. „Nach England.“

      Kleine Fältchen kräuselten Renees Lidstrich, als sie mich anlächelte. Bill rutschte auf dem Sofa herum und drückte seinen Rücken gegen die Armlehne, als wollte er so weit wie möglich auf Abstand zu mir gehen. „England“, mehr als das eine Wort sagte er nicht.

      „Bill“, sagte Renee mit sanfter Stimme, „du weißt ja, dass Dr. Cohen sagte, so etwas wäre genau das Richtige für sie.“

      Bill schaute von Renee zu mir. „Fühlst du dich wieder krank?“

      „Du weißt doch, wie ich mich fühle. Mein Körper schmerzt. Alles in mir tut weh. Aber das ist nicht der einzige Grund. Ich liebe euch beide, und ich liebe die Jungs, aber ich fühle mich wie betäubt – und durcheinander.“

      „Und wovon willst du leben?“ Er senkte seine Stimme, da war keine Spur mehr von Südstaatenakzent.

      „Ich habe die Artikel, und jeden Tag müsste ein Tantiemenscheck von Macmillan eintreffen. Außerdem werde ich mindestens zwei Bücher beenden oder daran arbeiten, während ich dort bin.“ Ich rutschte auf dem Sofa herum, holte tief Luft und sprach die Worte aus, die ich einstudiert hatte. „Wenn ich die Augen zumache, sehe ich dieses satte Grün. Es ist ein Ort, wo wir Freunde haben, bei denen ich unterkommen kann – Phyl ist jetzt in London.“ Ich sah Renee an. „Sie hat letzten Winter, als sie in einer Krise steckte, bei uns gewohnt, und sie hat mit Nachdruck gesagt, dass sie jederzeit ein Bett für mich hat. Außerdem haben wir dort auch einen Freund, der vielleicht ein paar Antworten hat, die uns allen weiterhelfen können.“

      „Mr. Lewis“, sagte Bill.

      „Ja.“ Ich zögerte. Dies war der Punkt, an dem ich das Gleichgewicht verlieren konnte. „Ich habe den Roman über König Karl II. angefangen, und ich glaube, er könnte wirklich Geld einbringen. Aber ich muss nach Edinburgh in die Bibliothek, um dort zu recherchieren. Ich könnte auch die Artikel über die Zehn Gebote fertigstellen. Aus ihnen allen zusammen ließe sich ein ansprechendes Buch machen. Und obendrein ist in England die Gesundheitsversorgung praktisch kostenlos. Selbst den Urlaubstouristen steht es frei, sie zu nutzen. Ich könnte mir endlich alle meine Zähne behandeln und ein paar Untersuchungen vornehmen lassen, die ich schon so lange vor mir hergeschoben habe, weil ...“

      „... wir hier nicht das Geld dafür haben“, unterbrach Bill, aber dann lenkte er ein, rückte näher an mich heran und nahm meine Hände. „Joy, wir wollen, dass es dir besser geht, und ich weiß, dass wir uns die ärztliche Behandlung hier nicht leisten können. Tu, was du tun musst.


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