Unternehmensrecht. Bernd-Michael Hümer
Willenserklärung vor. Möglicherweise kann der Erklärende seine Willenserklärung dann aber nach den §§ 119 ff. BGB wegen Irrtums anfechten.
Beispiel: Beim „Trierer Weinversteigerungsfall“ liegt ein wirksames Vertragsangebot vor, das aber analog § 119 Abs. 1 BGB angefochten werden kann.
Abgrenzung: Gefälligkeitsverhältnisse
Keine Willenserklärung ist bei bloßen Gefälligkeitsverhältnissen gegeben. Hierbei handelt es sich um Erklärungen im rein gesellschaftlichen Bereich, bei denen es am sog. Rechtsbindungswillen fehlt. Sie erfolgen i. d. R. aus persönlicher oder freundschaftlicher Verbundenheit. Es kann aus solchen Erklärungen also nicht mit Erfolg auf die Erfüllung des Versprechens geklagt werden.
Beispiel: A sagt seinem Freund B zu, mit ihm ins Kino zu gehen. Wenn A den B nun versetzt, kann B den A nicht auf Erfüllung seines Versprechens in Anspruch nehmen.
2.1.3Wirksamwerden von Willenserklärungen
Abgabe und Zugang von Willenserklärungen
Eine Willenserklärung muss für ihre Wirksamkeit abgegeben werden. Unter der Abgabe einer Willenserklärung versteht man ihre willentliche Entäußerung in den Rechtsverkehr. Hieran fehlt es etwa beim bloßen Entwurf einer Willenserklärung.
Beispiel: A überlegt sich, wen er einmal zu seinen Erben machen könnte. Dafür schreibt er mehrere Namen auf einen Zettel. Dies stellt noch kein Testament dar, sondern nur einen Entwurf.
Des Weiteren ist zwischen empfangsbedürftigen und nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen zu unterscheiden. Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen werden bereits mit ihrer Abgabe rechtswirksam (z. B. ein formwirksames Testament). I. d. R. sind Willenserklärungen aber empfangsbedürftig (z. B. Vertragserklärungen, aber auch Kündigungen). Dann muss die Willenserklärung dem Empfänger zugehen. Der Zugang erfolgt bei mündlichen Äußerungen unter Anwesenden mit der akustischen Wahrnehmbarkeit der Erklärung, also grundsätzlich sofort.
Unter Abwesenden tritt der Zugang einer Willenserklärung ein, sobald sie in den Machtbereich des Erklärungsempfängers gelangt ist, sodass die Möglichkeit zur Kenntnisnahme unter gewöhnlichen Umständen besteht (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Auf die tatsächliche Kenntnisnahme des Empfängers kommt es zum Schutz des Erklärenden hingegen nicht an.
Beispiel: Wenn A dem B am 31.03. um 23.00 Uhr eine Kündigung in den Briefkasten wirft, geht diese erst am 01.04. zu, da ein Briefkasten unter gewöhnlichen Umständen nicht zur Nachtzeit geleert wird. Sollte B allerdings im Urlaub sein, hindert das den Zugang (am 01.04.) nicht, da Urlaubsabwesenheit kein gewöhnlicher Umstand ist.
Lösung zur Handlungssituation (Fallbeispiel 1)
Zu prüfen ist der Anspruch des Verlags „Handwerkswissen“ gegen H auf Abnahme und Bezahlung der angelieferten Bücher gemäß § 433 Abs. 2 BGB.
Voraussetzung für diesen Anspruch ist ein wirksamer Kaufvertrag zwischen dem Verlag und H. Hierzu müssten zwei übereinstimmende Willenserklärungen abgegeben worden sein.
Fraglich ist bereits, ob H ein Angebot gemacht hat. Zwar hat er die Bestellkarte ausgefüllt, doch hat er sie nicht abgeschickt. Bei der Frage, ob H seine Willenserklärung wirksam abgegeben hat, ist aber darauf abzustellen, ob er die Erklärung bewusst in Richtung auf den Verlag geäußert hat. Das ist hier nicht der Fall, weil nicht H, sondern sein WG-Mitbewohner die Postkarte in den Briefkasten geworfen hat. Weil H demnach keine Willenserklärung abgegeben hat, ist auch kein Vertrag mit dem Verlag zustande gekommen.
Ergebnis: H muss die angelieferten Lehrbücher nicht abnehmen und bezahlen.
2.1.4Der Vertrag
Zustandekommen eines Vertrages
Unter einem Vertrag versteht man die erklärte Willensübereinstimmung zweier oder mehrerer Personen, einen bestimmten Rechtserfolg herbeiführen zu wollen. Es sind daher mindestens zwei übereinstimmende Willenserklärungen für einen wirksamen Vertragsschluss erforderlich. Diese beiden Willenserklärungen heißen Angebot (bzw. Antrag, § 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB).
Handlungssituation (Fallbeispiel 2)
Heinrich (H) entdeckt im Schaufenster von „Katjas Handwerksmoden“ einen schicken Overall, ausgezeichnet für 99,– €. H ist begeistert und erklärt im Laden, er wolle den Overall aus dem Schaufenster kaufen. Katja (K) holt daraufhin den Overall – und verlangt 299,– €. Auf die Entrüstung des H hin erklärt K, der Overall sei falsch ausgezeichnet gewesen. H steht auf dem Standpunkt: „Vertrag ist Vertrag“.
Ist ein Vertrag zustande gekommen? Wenn ja, mit welchem Inhalt? (Lösung Seite 26)
2.1.4.1Angebot
Vertragsangebot
Das Vertragsangebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie muss so eindeutig formuliert sein, dass der andere Teil das Angebot mit einem einfachen „Ja“ annehmen kann. Das ist dann der Fall, wenn die wesentlichen Vertragsbestandteile im Angebot enthalten sind.
Beispiel: Beim Kaufvertrag sind die wesentlichen Vertragsbestandteile der Kaufpreis und die Kaufsache.
Ein Vertragsangebot liegt nur vor, wenn der Erklärende mit Rechtsbindungswillen handelt. An diesem fehlt es, wenn die Auslegung ergibt, dass ein potenzieller Empfänger nur aufgefordert werden soll, seinerseits ein Vertragsangebot zu machen (sog. invitatio ad offerendum).
Beispiel: Auslegen der Ware im Supermarkt bzw. generell Werbung (auch im Internet). Hier möchte sich der Erklärende noch nicht rechtsverbindlich äußern, da er evtl. noch die Zahlungsfähigkeit seiner Kunden überprüfen möchte bzw. gar nicht genügend Ware auf Lager hat, um alle Interessenten zu bedienen.
2.1.4.2Annahme
Vertragsannahme
Durch die Annahmeerklärung gibt der andere Teil sein Einverständnis mit dem Angebot des ersten kund. Daher muss die Annahme auf das Angebot bezogen sein und diesem inhaltlich entsprechen (Übereinstimmen der Willenserklärungen). Hierbei schadet eine Falschbezeichnung nicht, wenn der andere Teil sie genauso versteht.
Beispiel: A bestellt bei Fischhändler B 1 kg „Haakjöringsköd“ im Glauben, hierbei handele es sich um Walfischfleisch. B, der genauso denkt, erklärt sich hiermit einverstanden. In Wahrheit bedeutet „Haakjöringsköd“ im Norwegischen aber Haifischfleisch. Da B jedoch dem gleichen Irrtum wie A unterliegt, kommt ein Vertrag über (das beiderseits gewollte) Walfischfleisch zustande.
Eine Annahme ist nur so lange möglich, wie es der Anbietende zulässt. Deshalb kann der Antragende dem Annehmenden eine (frei bestimmbare) Annahmefrist setzen (§ 148 BGB). Soweit der Anbietende keine Annahmefrist gesetzt hat, kommt es für die Dauer der Annahmemöglichkeit darauf an, ob das Angebot unter Anwesenden oder unter Abwesenden erfolgt. Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nämlich nur sofort angenommen werden (§ 147 Abs. 1 S. 1 BGB). Dies gilt auch bei einem telefonischen Angebot (§ 147 Abs. 1 S. 2 BGB). Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann hingegen so lange angenommen werden, wie es den regelmäßigen Umständen entspricht (§ 147 Abs. 2 BGB). Damit hängt hier die Länge der Annahmemöglichkeit von den Umständen des Einzelfalles ab.
Beispiel: Bei einer Vertragskommunikation per E-Mail beträgt die Annahmefrist grundsätzlich nur wenige Tage, bei einem Briefversand ins Ausland evtl. mehrere Wochen.
Wenn die Annahme zu spät erfolgt, erlischt das Angebot (§ 146 BGB). Allerdings gilt die verspätete Annahme als ein neues Angebot (§ 150 Abs. 1 BGB). Das Gleiche gilt, wenn eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen erfolgt („ja, aber…“), § 150 Abs. 2 BGB. I. d. R. ist auch die Annahme eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Vom