Der neue König von Mallorca. Jörg Mehrwald

Der neue König von Mallorca - Jörg Mehrwald


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Bierbad mit Erlebnisgelände, Motel und jeder Menge Stimmung. Dr. Ernst Stefest wollte der Erste in Deutschland sein, der ein solches Mega-Mekka für gestresste Hobby-Trinker auf die Beine stellte. Eine Art Promille-Disney-Land für Erwachsene, in dem Vergnügen rund um die Uhr garantiert wurde.

      Sogar das Terrain war schon ausgesucht. Günstiges Bauland von einer kleinen Gemeinde, die sich mit einem kompletten Gewerbepark an den Rand des Ruins geplant hatte, bekam Stefest für einen »Appel und ein halbes Ei«, wie ein Vermittler von der Landesregierung den Kaufpreis umschrieb. Stefests Erlebnispark versprach erstklassige Steuereinnahmen und Arbeitsplätze. Stehfest hatte auf einem garantierten 24-stündigen Geschäftsbetrieb bestanden. In der Landesregierung war man froh, dass bald eine Gemeinde weniger am Subventionstropf hängen würde, und schon deswegen stimmte man seiner Bedingung in ungewohnter Eile und mit Hilfe einer schnell konstruierten Ausnahmeregelung zu. Nach dem ersten Betriebsjahr plante Stefest den Gang an die Börse. Die Umwandlung des Parks in eine Aktiengesellschaft sollte nebenbei auch den Vermittler der Landesregierung in den gut dotierten Aufsichtsrat bringen.

      *

      »Macht eine Erbschaft, dieses Würstchen, und haut einfach ab nach Mallorca. Nach elf Jahren Ehe! Lässt mich allein und gibt mir nichts ab von der dicken Kohle! Ich will Beweise für eine Scheidung, verstehen Sie? Ich will nur Fotos und Fakten. Also Weiber und alles, was vor Gericht zählt. Nicht, dass Sie auf die Idee kommen, mir diesen Mistkerl hier anzuschleppen«, blökte Cornelia Obertier, nach Luft schnappend, Nina Blauvogel von der Detektei Bluebird an.

      »Keine Angst Frau Obertier, ich bin Detektivin und keine Kopfgeldjägerin«, versuchte Blauvogel zu beschwichtigen. Nach einer knappen halben Stunde in der verrauchten und vor Kitsch strotzenden Wohnstube der nervigen Frau Obertier vermutete die Detektivin, dass wegen dieser dicken Matrone jeder halbwegs klar denkende Mann fröhlich pfeifend sogar in die Wüste ziehen würde. Sie zog mit spitzen Fingern ihren Standardvertrag aus der Handtasche und legte ihn auf den Tisch. Cornelia Obertier schien gleich zu platzen.

      »Nee, nee, ich unterschreibe nichts«, protestierte sie, noch ehe Blauvogel etwas sagen konnte.

      Obertier übernahm jetzt das Kommando: »Passen Sie auf! Sie unterschreiben die Quittung, und ich zahle 1500 Euro Vorschuss. Damit können Sie nach Mallorca fliegen und die Fotos machen. Wenn Sie alles bei mir abliefern, bekommen Sie den Rest. Denken Sie daran, es muss für eine Scheidung reichen! Ich will meine Hälfte von dieser verdammten Erbschaft, am besten gleich!« Obertier schubste mit einer Handbewegung den Vertrag wieder zu Blauvogel. Angeekelt drehte sie den Kopf weg: »Verträge unterschreibe ich nicht mehr, Scheißkleingedrucktes da!«

      Nina Blauvogel überlegte nur kurz und unterschrieb die Quittung. Als sie das Haus verließ, zählte sie vorsichtshalber noch mal die 1500 Euro nach. Für solche Kunden wollte die 28-Jährige eigentlich gar nicht mehr arbeiten, aber bei Bluebird herrschte mal wieder totale Ebbe in der Kasse. Sie warf den Kopf in den Nacken, atmete durch und steckte die Scheine ein: Immerhin hat Bluebird wieder einen Auftrag. Und das zählt!, dachte sie und beschleunigte ihre Schritte.

      Der Flug

      Zwei Tage später wartete Markus Müller vor der Dienstlimousine seines Chefs und schaute auf das protzige Hauptgebäude, das von den hochmodernen Kesselhäusern und Abfüllstraßen der Schippchen-Brauerei umschlossen wurde. Der gesamte Bau wirkte sehr modern, fast schon futuristisch. Vier riesige glänzende Kessel rahmten das zehn Stockwerke hohe Hauptgebäude ein. Das Ganze wirkte auf unbefangene Betrachter wie eine Mischung aus den Startrampen von Cape Canaveral und dem stillgelegten Raumschiff Enterprise.

      Stefest hatte seine Brauerei zu einem Ereignis gemacht. Täglich kamen Touristengruppen und wurden durch das Biermuseum und die Abfüllanlagen geführt. Stefest schien vom Schicksal auserwählt, Chef zu sein und auch so auszusehen. Folgerichtig baute er auch so. Nun aber holte der akademische Trinkerfreund zum ganz großen Schlag aus, nämlich den ultimativen Erlebnispark für alle Freunde von Hopfen und Malz zu schaffen.

      Müller erfuhr von diesem Vorhaben erst nach seiner Einstellung. Die Perspektive, dort leitender Manager zu werden, steigerte seinen Ehrgeiz in bislang nicht gekannter Intensität. Für ihn gab es keine bessere Chance, einen Führungsposten zu erklimmen. »Markus Müller, Head of Beer-Park-Development« würde auf seiner Visitenkarte stehen. Nichts durfte dieses Ziel gefährden, das stand fest.

      Während er immer noch wartete, übte er einen kleinen Kartentrick, das einzige Hobby, das selbst von Maybritt geduldet wurde. Markus war seit Jahren Hobby-Zauberer, und das so erfolgreich, dass er als »Samson der Magier« ab und an kleinere Auftritte auf Partys befreundeter Kollegen absolvierte. Seine verblüffenden Zaubertricks begeisterten sogar seinen Chef.

      Ernst Stefest kam aufgekratzt und lachend mit zwei großen Koffern die Treppen herunter.

      »Morgen, Müller!«

      »Guten Morgen, Herr Dr. Stefest.«

      Stefest wuchtete sein Gepäck in den Kofferraum. Anschließend stellte Müller seinen Koffer hinein.

      »Sie werden sich wahrscheinlich seit vorgestern fragen, warum wir schon drei Stunden vor Abflug losfahren?«

      Müller druckste griesgrämig herum. Diese Frage hatte ihn die letzten beiden Nächten am allerwenigsten beschäftigt. Maybritt, seine Lebensabschnittspartnerin mit Niveau, sorgte stattdessen für Albträume. Ihr Zitate-geladener Abgang aus der gemeinsamen Wohnung erfüllte den Anspruch einer abendfüllenden Theaterinszenierung. Müller kannte jetzt ein gutes Dutzend Ansichten aus der Weltliteratur zum Thema Vernachlässigung der Frau bei gleichzeitigem Abgleiten in tiefste Kulturlosigkeit. Auslöser für ihren lautstarken Wutausbruch war Müllers größter und dümmster Fehler: Er erwähnte nur beiläufig den Ort El Arenal.

      Maybritt schluckte kurz, wenig später traf ihn ein Strahl schlimmster Verachtung aus ihren Augen, und er hatte vorläufig das Recht verwirkt, an ihre Seite zu leben. Es dauerte nur noch wenige Augenblicke, bis die Türen so fürchterlich ins Schloss knallten, dass sich einige Teile des Stucks gleich mit verabschiedeten. Der sexuelle Notstand war damit erst einmal unbefristet verlängert worden. Und nun kam Stefest mit dieser Frage.

      »Sie werden sich was dabei gedacht haben, Chef«, antwortete Müller, noch seinen Gedanken nachhängend. Beide setzten sich in den Fond des Mercedes.

      »Sehr richtig. Fahren Sie in die Stadt, Bräsig«, kommandierte Stefest seinen Fahrer.

      »Haben Sie jemals in Ihrem Leben ein Hawaii-Hemd getragen, mein lieber Müller?«, fragte Stefest und schaute schon wieder in ungläubige Augen.

      »Nein, natürlich nicht!«, entrüstete sich der Gepeinigte.

      »Dann werden Sie sich jetzt, bitte, welche kaufen.«

      »Muss das sein?«, protestierte Müller mutig.

      »Ja. Drei Stück, und zwar eine Nummer größer, als Sie gewöhnlich Ihre Hemden tragen. Sie werden sehen, ich meine es nur gut mit Ihnen«, lächelte Stefest vielsagend.

      Eingekleidet mit bunten und zu großen Hawaii-Hemden, von denen Müller das unauffälligste – es hatte eine Farbe weniger als die anderen – gleich anbehielt, betraten die beiden Dienstreisenden die Abflughalle.

      *

      »Großer Gott!«, murmelte Müller fassungslos beim Anblick einer Reisegruppe mit dem überdimensionierten Schild »Wir sind vom o.b.-Team. In der Regel immer voll«. Stefest grinste. »Ich wollte Ihnen das T-Shirt ›Saufen, Ficken, Bumsen‹ ersparen. Es würde wahrscheinlich doch nicht ganz Ihrer Vorstellung von einer Dienstreise entsprechen.«

      Müller war platt. Dieser Stefest schien mit allen Wassern gewaschen zu sein. Die Reisegruppe bestand zu 90% aus Trägern irgendwelcher Slogans, die allesamt recht eindeutige Aussagen zum Thema »Sex und Alkohol« machten.

      »›Saufen, Ficken, Bumsen‹ bringt es eigentlich am besten auf den Punkt«, dachte Markus, nachdem er alle T-Shirts betrachtet hatte, und ertappte sich dabei, wie sein Gesicht rot anlief. Kein Mensch außer mir wird rot bei solchen Gedanken, ärgerte er sich und beschloss, ab sofort etwas


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