Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 3 – Showdown in Kroatien. Tino Hemmann

Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 3 – Showdown in Kroatien - Tino Hemmann


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einem dicken Kissen und stützte den Kopf mit der linken Hand ab. Hin und wieder fielen ihm die Augen zu oder er gähnte herzhaft.

      »Ich muss morgen früh ziemlich zeitig nach Dresden in den Landtag.«

      »Und warum?«, fragte Fedor, dessen Finger vorsichtig ertasteten, was es zum Abendbrot gab.

      Jekaterina Sorokin schob einen Becher zu Fedors Hand. »Das ist der Fleischsalat, den du so gern isst.« Vor einem Jahr noch hieß die Mutter Wolkowa. Nach der Hochzeit hätte sie in Russland den Nachnamen Sorokina geführt. Doch in Deutschland wollte man das nicht zulassen. Das weibliche »a« am Namensende wurde ihr genommen, im Ausweis stand lediglich Jekaterina Sorokin.

      »Danke«, flüsterte Fedor und wartete auf eine Antwort des Vaters.

      Der aber kaute erst zu Ende.

      In der Zwischenzeit schmierte Jekaterina Sorokin dem kleinen Anton ein Schnittchen und ließ ihn abbeißen. »Du kannst dann gleich ins Bett gehen«, sagte sie.

      Doch Anton protestierte, allerdings sehr leise und weinerlich: »No ya khochu televizor.«

      »Rede bitte deutsch, Antoschka. Und ganz bestimmt wirst du heute nicht mehr fernsehen. Deine Augen fallen ja schon zu.« Erneut ließ Jekaterina Sorokin den Jungen von der Schnitte abbeißen. Die Häppchen wurden allerdings immer kleiner.

      »Mir scheint, als hätten sie eine Überraschung für mich geplant«, sagte Sorokin in diesem Moment. »Vielleicht eine Auszeichnung.«

      »Das wäre ja prima. Verdient hast du sie längst«, meinte Jekaterina Sorokin.

      »Wir sind hier nicht in Sowjetrussland. In Deutschland ist eine Belobigung die Ausnahme.«

      »Und wofür?«, fragte Fedor. »Wofür solltest du eine Auszeichnung bekommen?« In seiner Frage schwang eine gewisse Häme mit.

      Sorokins Antwort war für den blinden Jungen äußerst unbefriedigend. »Keine Ahnung.« Er biss in sein Brot und sprach nun doch mit vollem Mund: »Morgen weiß ich jedenfalls mehr.«

      17. August

      Die jungen Männer – Božidar, Darko und Zlatko – saßen auf den Steinen unmittelbar an der Bucht am Kanal von Zadar unweit des Dörfchens Petrčane in der kroatischen Gespanschaft Zadar, das gerade einmal fünfhundert Einwohner zählte. Es war hochsommerlich heiß.

      Die Bucht wurde von den beiden Halbinseln Punta Skala und Radman Skala gebildet. Das Dörfchen Petrčane war zweigeteilt. Direkt am Meer lag der Ortsteil Donje Petrčane und weiter oben, nur Minuten entfernt, gab es Gornje Petrčane. Zwölf Kilometer entfernt, in südöstlicher Richtung, befand sich die wunderschöne Stadt Zadar. Die jungen Leute interessierten sich heutzutage kaum noch für Fischfang und Landwirtschaft, sie wussten längst, dass Tourismus, Autoverkauf und Software-Entwicklung die besseren Einnahmequellen waren.

      Etliche Touristen befanden sich auf dem Ausflugsboot, welches durch die Bucht schipperte, ein umgebautes Boot, das früher als Fischkutter gedient hatte.

      Doch Božidar, Darko und Zlatko zählten sich nicht zum Durchschnitt der kroatischen Bevölkerung. Nach seinem Studium im Ausland hatte der siebenundzwanzigjährige Božidar eine moderne Informatikfirma in Zadar gegründet, die vornehmlich Programmieraufträge für deutsche Firmen ausführte. Sie verdienten nicht schlecht für kroatische Verhältnisse.

      Todor, der vierte Mann im Bunde, der aber nicht in Božidars Firma TRRK angestellt war, trug trotz der hohen Temperaturen einen maßgeschneiderten Anzug und darunter ein weißes Hemd. Der braun gebrannte, muskulöse Mann stand nah am Ufer und hob jetzt gerade den rechten Arm, als würde er eine große Waffe tragen und mit dieser auf das Touristenboot zielen.

      »Bumm. Bumm. Bumm«, flüsterte er. Er blies den imaginären Rauch vom unsichtbaren Lauf seiner Waffe weg und blickte hinüber zur alten Bartholomäuskirche, die noch aus dem 12. oder 13. Jahrhundert stammte und unablässig von Touristenströmen begafft wurde. Deutlich war der hohe Glockenturm an der Stirnseite zu erkennen.

      Todor ließ den rechten Arm sinken und drehte sich rasch um. Dann lief er mit kurzen, eiligen Schritten auf den untersetzten, kahlköpfigen, jedoch mit einem üppigen Vollbart gesegneten Božidar zu, ergriff dessen pinkfarbenes T-Shirt und riss derb daran.

      »Wiederhole, was du gesagt hast! Sag es mir ins Gesicht!« Seine Stimme klang unbeherrscht.

      Božidar, der von seinen Freunden Darek genannt wurde, trat sogleich den geordneten Rückzug an. »Es war nicht so gemeint.«

      Noch ließ der Stärkere das T-Shirt nicht los. Im Gegenteil, er krallte sich tiefer hinein. »Wie war es dann gemeint?«

      Einen Moment zögerte der Bärtige und suchte nach den richtigen Worten. »Dein Hass …«

      »Was ist mit meinem Hass?«, fauchte Todor.

      »… dein Hass passt nicht in unsere Zeit«, vollendete Božidar die Erklärung und blickte Todor ängstlich abwartend an.

      Der ungleich Kräftigere zog ihn am T-Shirt hoch und so nah an sich heran, dass sich beider Gesichter fast berührten. »Du hast keine Ahnung, wie sehr mein Hass in unsere heutige Zeit passt, Darek. Besuchen dich in jeder Nacht die verfluchten Träume? Nein! Sie kommen zu mir! Immer nur zu mir!«

      Božidar lächelte mitleidig.

      Zlatko kam ihm zu Hilfe. »Darek meint damit, dass es falsch ist, dass Unschuldige für deinen Hass bezahlen müssen.«

      Todor gab Božidar einen Stoß, sodass der Schwächere in den Dreck fiel, und zog sich Anzug und Binderknoten zurecht. »Was werdet ihr tun, wenn die NATO in einigen Jahren erneut in unsere Heimat einmarschiert und eure Frauen und Kinder umbringt? Seid ihr erst dann so weit zu begreifen, woher mein Hass kommt? Waren meine Eltern schuldig? Oder waren sie nicht auch Unschuldige, die ermordet wurden?« Er streckte den rechten Arm aus und half Božidar auf. Dann strich er ihm den Schmutz vom Rücken. »Ihr habt nichts damit zu tun. Absolut nichts. Hätte ich euch als Fremder mit der Programmierung beauftragt, dann hättet ihr mir euren Preis gesagt und ihr hättet es getan. Die Routinen könnten ebenso in einem Spielzeugroboter eingesetzt werden. Es ist mein Krieg. Und es bleibt mein Krieg, völlig egal, ob ihr damit einverstanden seid oder nicht.« In aller Ruhe holte Todor seine Zigaretten aus dem Jackett und zündete sich eine an. Langsam zog eine schmale Qualmwolke durch seine Lippen. »Nur«, flüsterte er, »sollte einer von euch der Meinung sein, mich an irgendwen verpfeifen zu müssen, dann gnade ihm Gott.« Todor schoss mit dem rechten Fuß ein Steinchen die Böschung hinunter. »Ihm wird dann weder Zoilo, Simeon, Grisogonus noch Anastasia helfen können.« Zadar stand unter dem Patronat dieser vier Schutzheiligen. Erneut zog Todor an seiner Zigarette. Er wechselte das Thema, seine Stimme klang wieder gefasst und deutlich. »Wann also seid ihr fertig?«

      Darko, der bislang geschwiegen hatte, hüstelte, bevor er sprach: »In zehn Tagen bekommst du, was du bestellt hast. Bis dahin sollten wir uns aus dem Weg gehen, Todor.« Er schaute nicht hinauf zu seinem Auftraggeber. Unsicher setzte Darko hinzu: »Und danach erst recht.«

      Todor nickte zunächst einige Male, dann erst sagte er: »Das ist zu spät! Ich verlange, dass ihr eher fertig seid! Ihr übergebt die Daten am ausgemachten Ort. Anschließend werdet ihr am gleichen Ort euer Bargeld finden. Geht jetzt! Geht jetzt!«, brüllte er plötzlich.

      Božidar, Darko und Zlatko verschwanden augenblicklich. Sie wechselten kein Wort, während sie durch die Büsche zum Weg liefen.

      Lange noch stand Todor da und blickte hinaus in die Bucht, beobachtete das Urlauberschiff und kratzte sich mehrmals am Hals. Dann verschwand auch er. Den weißen Opel Kadett hatte er in der Nähe geparkt.

      Kaum saß er am Steuer, da klingelte sein Handy. Ein Blick auf das Display verriet Todor, dass es wichtig war.

      »Ja?«, fragte er. Das Gespräch wurde in serbischer Sprache geführt.

      »Es ist alles arrangiert.«

      »Sind die Partner zuverlässig?«

      »Absolut.«


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