Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 3 – Showdown in Kroatien. Tino Hemmann

Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 3 – Showdown in Kroatien - Tino Hemmann


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setzte sie auf und schob sie zurecht. Dann lief er zu seinem Fahrzeug, schaltete die Klimaautomatik ein und fuhr quer durch Dresden Richtung BAB 4. Am erstbesten Parkplatz hielt er an, öffnete den schwarzen Koffer, stellte innen für jedes Schloss einen neuen vierstelligen Nummerncode ein und entnahm einer kleinen Mappe die Flugscheine. Der Flieger würde bereits am nächsten Morgen um 4:34 Uhr vom Flughafen Leipzig-Halle starten. 4:34 Uhr! Welch eine familienlogistische Herausforderung!

      Nachdem Sorokin das neue Smartphone betrachtet hatte, nahm er sein altes Handy zur Hand und wählte die heimische Nummer.

      »Ja. Es ist eine Auszeichnung«, sagte er kurz angebunden. »Wir fliegen morgen in aller Frühe nach Kroatien. Kannst du bitte die Koffer packen, Katie?« Trotz der Klimaautomatik lief Sorokin Schweiß über die Schläfen. Er musste die eigene Familie belügen. Die eigene Familie! Zum allerersten Mal!

      17. August

      »Du hast es aber versprochen!« Fedor protestierte vehement, fuchtelte mit den Armen herum und klang, als wollte er jeden Moment zu heulen beginnen. »Und jetzt hältst du dein Versprechen nicht!«

      Vorsichtig fing Sorokin eine der fuchtelnden Hände ein und hielt sie mit beiden Händen fest. »He, Großer. Ich weiß, dass ich dir versprochen habe, dass du ein paar Tage bei Stefan übernachten darfst. Aber manchmal läuft es im Leben eben anders als gedacht. Die Reise wäre verdammt teuer, wenn wir sie selbst bezahlen müssten.«

      »Das ist mir aber scheißegal!«

      Sorokin schnappte sich Fedors linkes Ohr. »Fedor! Nicht in diesem Ton, hörst du! Die Ferienanlage Borik ist eine der schönsten in ganz Kroatien.«

      »Na und? Ich wollte bei Stefan nicht nur schlafen, wir haben alles wochenlang geplant. Wir wollten …«

      Sorokin resignierte. »Es tut mir leid. Was willst du noch hören?«

      »Es tut dir nicht wirklich leid«, widersprach der Junge, entriss dem Vater seine Hand, streckte die Arme ein wenig aus und lief los. Dabei trat er auf ein Spielzeugauto, das unter seinem linken Fuß zerbarst.

      Im gleichen Moment setzte Antons Sirene ein: »Auto! Du chrast Auto puttmacht!« Der Kleine heulte unablässig.

      »Dann lass deine Autos nicht einfach rumstehen!«, brüllte Fedor zurück. »Dämlack!«

      Anton kreischte nun noch lauter. »Auto ist nicht rumstanden, Auto ist fahren!« Er rannte zu Sorokin, umklammerte dessen rechtes Bein und wischte die Nase daran ab.

      »Fedor!«, dröhnte Sorokins Bass, der selbst Anton für Sekunden schweigen ließ. »Entschuldige dich augenblicklich bei deinem kleinen Bruder! Jetzt und sofort!«

      »Vergiss es! Du hast dich auch nicht richtig bei mir entschuldigt!« Fedors Zimmertür krachte zu.

      Vorsichtig setzte Sorokin einen Fuß vor den anderen, was nicht einfach war, denn Anton hing noch immer kreischend an seinem rechten Bein. »Fedor, ich …!«

      Genau in diesem Moment tauchte Jekaterina auf. »Das sind die besten Voraussetzungen für einen harmonischen Urlaub zu fünft.« Ihr gutmütiges Lächeln bedeutete Sorokin, dass er sich um Antons Auto-Problem kümmern sollte, während sie durch die Kinderzimmertür in Fedors Reich schlüpfte und die Tür von innen zudrückte.

      Der blinde Junge lag auf dem Bett, das Gesicht zwischen den Armen vergraben, und er schluchzte herzerweichend.

      Nun setzte sich Jekaterina auf den Bettrand und begann, sanft den Hals des Fünfzehnjährigen zu kraulen. »Zuckernäschen, denkst du, mit uns zusammen am Meer, das wird dir nicht gefallen?«

      »Doch, aber …«

      »Aber was? Hast du etwa Angst, dass dir Stefan die Freundschaft kündigt?«

      Fedor drehte sich zwar um, schwieg jedoch.

      »Ich rufe bei Stefans Mutti an und kläre das. Okay?«

      »Wir haben schon Zeug gekauft.«

      Wahrscheinlich Software und Elektronikbauteile. Jekaterina lächelte, denn Fedor saß nun dicht neben ihr und kuschelte sich an die Stiefmutter heran. Er hielt ihre rechte Hand fest und fuhr unablässig mit den Fingerkuppen über den Handrücken. »Zeug?«, fragte sie.

      »Software und Elektronikbauteile. Wir wollen an unserem neuen Computer bauen.«

      »An deinem neuen Computer«, verbesserte Jekaterina Sorokin. »Das Zeug wird dir nicht weglaufen.«

      »Aber nach dem Urlaub sind die Ferien vorbei.«

      »Es gibt immer Zeit und Möglichkeiten. Glaub das mir.«

      »Glaub mir das«, verbesserte Fedor.

      Die Mutter fuhr über den Hinterkopf durch Fedors Haare. »Du kleiner Besserwisser!«

      »Trotzdem ist es gemein von Papa.«

      »Von Papa?« Jekaterina sprach flüsternd und mit einer geheimnisvollen Stimme. »Glaubst du Dummkopf tatsächlich, dein Papa hätte sich für unseren Urlaub entschieden? So ganz plötzlich?«

      Fedors Fingerspitzen berührten das Gesicht der Frau, als wollte er an ihrer Mimik erkennen, was sie gerade dachte. »Wie meinst du das?«, hauchte er.

      Jekaterina Sorokin spürte Fedors Fingerkuppen auf den Lippen, während sie ebenso leise antwortete: »Ich will doch wetten, dass dein Papa einen Auftrag in Kroatien hat. Er kann mich nicht gut anlügen. Genauso wenig, wie du mich gut anlügen kannst.«

      Gedanken surrten durch Fedors Kopf. Noch immer fuhren seine Fingerkuppen über das Gesicht der Mutter, die sich an diese Form von Fedors »Sehen« längst gewöhnt hatte. »Du meinst, Papa hat einen Geheimauftrag in unserem angeblichen Urlaub?«

      »Hast du etwa nicht seinen neuen Aktenkoffer bemerkt?«, flüsterte Jekaterina.

      »Doch. Ich habe den Koffer gerochen.« Nun ließ Fedor die Hände sinken.

      »Den hatte dein Papa heute Morgen jedenfalls noch nicht, als er nach Dresden gefahren ist.« Sie beugte sich zu Fedors rechtem Ohr und hauchte: »Und er lässt auch niemanden an diesen Koffer ran. Er ist mit einem Zahlenschloss … Wie sagt man zu ›zablokirovannyy‹?«

      »Verschlossen oder verriegelt«, antwortete Fedor sogleich. »Mama! Hast du es etwa ausprobiert?«

      »Aber natürlich habe ich das. Jedenfalls wird dein Papa gute Gründe haben, uns nichts davon zu erzählen.«

      Sekundenlang schwieg der Junge. Dann nahm er flink und geschickt das Handy aus der Halterung.

      »Was hast du vor?«, fragte die Mutter. Sie lächelte, denn sie kannte Fedors Antwort bereits.

      »Ich muss Stefan anrufen.«

      »Und dann entschuldigst du dich bei Anton. Okay?«

      »Okay.« Fedor legte das Handy rasch zurück und erhob sich. »Das mach ich zuerst.«

      Jekaterina hielt den Jungen, der bereits das Zimmer verlassen wollte, noch zurück. »Ich habe eine Frage, Fedor. Was ist ein Dämlack?«

      »Ein Dämlack?« Nun kicherte Fedor. »Das ist so was wie im Russischen ein Glupets. Eben ein Dussel oder ein Trottel.«

      »Antoschka ist doch aber noch so klein.«

      Fedor spürte die Traurigkeit im Gesicht der Mutter, die er über alles mochte. »Es tut mir ja auch leid.« Er umarmte und drückte sie. »Wirklich.«

      *

      Hans Rattner blickte ungläubig drein. »Wie? Was? Urlaub? Du?«

      Ohne zu zögern, antwortete der ungleich jüngere und größere Sorokin: »Ja, Hans. Gewissermaßen ein verordneter Urlaub. Eine Auszeichnungsreise.«

      Die Blicke des Hauptkommissars der Leipziger Mordkommission, einem humanoiden Oldtimer der Polizei, wanderten zunächst zu seinem Kaffee schlürfenden Kollegen Kriminalobermeister Paul Meisner


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