Im Paradies des Teufels. Klaus-Peter Enghardt
gebildet, die an Brutalität und Menschenverachtung nicht zu übertreffen ist.
Die Führungsspitze besteht aus ehemaligen Geheimdienstoffizieren der ehemaligen irakischen Armee, die sich zunächst in Falludscha niedergelassen hatten und überall auf der Welt Gleichgesinnte rekrutieren, um mit Bombenanschlägen, Terrorakten und der Beteiligung an Bürgerkriegen ein sogenanntes Kalifat zu errichten.
Die Terroristen konnten riesige Gebiete im Irak und in Syrien erobern, ebenso kleinere Gebiete in Libyen.
Die Organisation nannte sich ISIS, was bedeutet „Islamischer Staat in Irak und Syrien“, später nur noch IS. Einer ihrer wichtigsten Stützpunkte befand sich, wie bereits angemerkt in Falludscha, im Gouvernement Ramadi.
Nach der Eroberung zusammenhängender Teile Iraks und Syriens rief diese Organisation am neunundzwanzigsten Juni 2014 einen als Kalifat genannten Staat aus.
Ihr Anführer, der sich „Kalif“ nennt, beansprucht demzufolge für sich die Nachfolge Mohammeds als politisches und religiöses Oberhaupt aller Muslime.
Der IS wird von superreichen religiösen Verbänden und ebenso reichen Fanatikern aus Saudi Arabien, Katar und sogar aus den Arabischen Emiraten und Kuwait finanziert. Weitere Finanzierungen setzen sich aus geraubten Kunstschätzen und dem verkauften Öl aus eroberten Ölfeldern zusammen.
Ein nicht zu unterschätzender Betrag wird auch durch Lösegelder nach Geiselnahmen erzielt.
Ihren Ursprung nahm diese Gruppierung im irakischen Widerstand, als sie sich zu der ebenfalls terroristischen Gruppe „Al Quaida“ bekannte, mit der sie jedoch seit dem Jahr 2013 in deutlicher Konkurrenz steht. Ihr Anspruch auf einen eigenen Staat leitet sich daraus hervor, dass die Sunniten, anders als die Schiiten im Süden Iraks, noch nicht über ein eigenes Staatswesen verfügten, sondern unter Fremdherrschaft leben mussten.
Wichtigste politische Ziele des IS waren und sind noch immer die Vertreibung aller „Invasoren“ und „Aggressoren“ aus dem Irak und Syrien und die Schaffung von „Ordnung und Sicherheit“ durch die wörtliche Umsetzung der „Scharia“.
Gemeint ist die Errichtung eines gesamten Kalifats, das die Moslems der entsprechenden Gebiete in das Mittelalter zurück katapultieren würde.
Nach diesem Exkurs in die Gegenwart möchte ich wieder zur bestehenden Handlung zurückkehren.
Ich verabschiedete mich nach dem aufschlussreichen Gespräch schließlich von Mohammed und war gespannt, ob die Ansprache an die ägyptischen Kollegen Wirkung zeigen würde.
Tatsächlich brachte sich am nächsten Tag der überwiegende Teil der Ägypter Speisen und Getränke mit zur Baustelle, aber einige Leute eben doch nicht, unter ihnen war auch Mutawa.
Dass dies nicht gutgehen konnte, war mir klar, denn wie immer versuchte sich Mutawa, heimlich zu verdrücken.
Das musste irgendwann einmal auffallen und konnte nicht ewig unentdeckt bleiben. Doch es kam ganz anders, als ich es erwartet hätte, denn nach zwei, drei Tagen kamen Mohammed und Mutawa nach dem Feierabend zu unserem Bauleiter und baten um ein Gespräch.
Weil der Bauleiter weder des Englischen und erst recht nicht des Arabischen mächtig war, kamen die Männer zu Harald und mir in das Zimmer und baten uns zu dolmetschen.
Da Harald auf Mohammed nicht gut zu sprechen war, erwies sich die Situation als ziemlich angespannt.
Ehe jedoch Mohammed zum Bauleiter auf Englisch sprechen konnte, sprudelte Mutawa auf Arabisch los und ich fing diesen Satz auf: „Mutawa aku kulu Mushkyle. Schams kullu aku, Ramadan maku äschrop Aqua, maku akel.“ Im Grunde brauchte Mohammed das gar nicht ins Englische übersetzen, denn in deutscher Sprache hieß das: „Mutawa hat große Probleme, die Sonne ist sehr heiß und während des Ramadan darf er kein Wasser trinken und nichts essen.“
Es stellte sich im Folgenden heraus, dass Mutawa kündigen wolle, weil er zurück nach Ägypten möchte, da dort nicht so wahnsinnig heiße Temperaturen herrschen. Außerdem war Mutawa schon über zwei Jahre im Irak, allein ein Jahr in unserer Firma, und er war während dieser Zeit nur ein einziges Mal zu Hause bei seiner Familie.
Sein Sohn Ali wollte jedoch bleiben, auch wenn sein Vater nach Hause fahren sollte. Soviel Geld, wie er im Irak verdiente, konnte er zu Hause nicht in der dreifachen Zeit verdienen und so lange wir ihn behalten wollten, wollte er auch bleiben.
Die Lücke, die Mutawa bei seinem Ausscheiden in der Firma reißen würde, wäre überschaubar, denn Großtaten hatte er nicht vollbracht. Er war sich allerdings nie zu schade gewesen, Arbeiten zu verrichten, bei denen sich andere ägyptische Arbeiter gesträubt hätten. Außerdem war er in seiner kindlichen Einfalt und Gutmütigkeit ein gut zu leidender Mann, so dass es mir schon ein wenig leid tat, dass er gehen wollte.
Wir hatten schon gern mal ein Späßchen auf Mutawas Kosten gemacht und er hatte uns das nie übel genommen.
Nun wollte er uns verlassen und ich wünschte ihm alles Gute.
Am nächsten Morgen erschien er dann auch nicht mehr zur Arbeit, sondern fuhr in die Verwaltung unserer Firma nach Bagdad.
Umso mehr wunderte ich mich, als er einen weiteren Tag später gemeinsam mit den anderen Ägyptern wieder am Bus stand und auf unsere Baustelle mitfahren wollte. Alle Ägypter sprachen aufgeregt durcheinander und erst Mohammed konnte das Durcheinander beenden und die Situation aufklären.
Mutawa war am Vortag nach Bagdad zu unserer Firma gefahren, hatte dort einen Aufhebungsvertrag gemacht und sich seinen Restlohn auszahlen lassen. Dann hatte er sich eine Bank gesucht, um sein Geld nach Ägypten zu überweisen.
Die Logik, warum er das nun ausgerechnet vor seinem Abflug nach Ägypten tun wollte, erschloss sich mir allerdings nicht so recht.
Auf dem Weg zum Bankschalter hatte er, wie es seine Art war, immer wieder einmal Halt gemacht, um sein Geld zu zählen.
Was dann genau passiert war, konnte er nicht mehr sagen, viel zu aufregend waren die folgenden Geschehnisse, doch an eines erinnerte er sich genau. Auf dem Weg zum Bankschalter sprang ein junges Bürschchen hinter einer Säule hervor, riss Mutawa das Geld aus der Hand und floh aus der Bank, ohne dass den Burschen jemand fassen konnte.
Auf der Straße tauchte der Dieb sofort in der Menschenmenge unter. Nun war Mutawa sein gesamtes Geld los, das er sich in den vergangenen Jahren mühsam erspart hatte.
Mutawa kam also in das Camp zurück und dachte, dass er wieder bei unserer Firma arbeiten könnte, um neues Geld zu verdienen.
Wir warteten auf den Bauleiter, um ihn mit der Situation zu konfrontieren. Herbert zeigte sich allerdings nicht bereit, Mutawa noch einmal einzustellen.
Immerhin gestand er ihm weiterhin Wohnrecht im Camp zu, bis er irgendwo eine neue Arbeit gefunden hatte.
Mutawa wohnte noch einige Wochen im Camp der Ägypter, ehe er dann doch in seine Heimat zurückflog, da er bei keiner Firma eine Arbeit fand.
Ihm hatte der Irak kein Glück gebracht, er fuhr so arm nach Hause, wie er zwei Jahre zuvor eingereist war.
Das Flugticket nach Ägypten schenkte ihm sein Sohn Ali.
Ein paar Tage später erwartete uns auf der Baustelle eine nette Überraschung.
Am Mittwoch war der letzte Tag des Ramadan und die ägyptischen Kollegen luden uns für jenen Donnerstagabend zum Id al-Fitr Fest in ihr Camp ein. Dieses Fest, das auch „Seker Bayrami“ genannt wurde, war der Auftakt für eine drei Tage dauernde Feier.
Zu diesem Essen wurden auch Nichtmuslime eingeladen. Gemeinsam mit dem Opferfest war dieses Fest das wichtigste des Islam, ähnlich unserem Weihnachtsfest.
Natürlich nahmen wir diese Einladung an und ich freute mich auf diesen Abend.
Ein Teil der Unterkünfte der ägyptischen Kollegen war extra für diese Feier ausgeräumt worden, so dass wir alle Platz fanden.
Die Tische waren schon mit den verschiedensten Süßspeisen gedeckt. Da gab es Milchreis mit Fruchtmus aus Pfirsichen, Orangen,