Im Paradies des Teufels. Klaus-Peter Enghardt

Im Paradies des Teufels - Klaus-Peter Enghardt


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mit dem Händler über den Preis einigen könnte.

      Als wir schließlich das Geschäft betraten, stand der Händler auf und empfing uns mit dem Gruß, welcher zu einer Zeit gehörte, in der Deutschland ganz Europa in das größte Unglück der Weltgeschichte gestürzt hatte. Er stand mit ausgestrecktem rechten Arm, entbot uns in deutscher Sprache diesen Gruß, hielt erstaunlicherweise in der linken Hand die Uhr, über die wir uns vor dem Geschäft unterhalten hatten und bot sie mir lächelnd an.

      Ich vermutete, dass der Mann sich der Bedeutung dieses Grußes nicht bewusst war und übersah dessen Geste ein wenig peinlich berührt, denn ich hatte von meinen Kollegen bereits erfahren, dass diese Begrüßung kein Einzelfall bleiben würde, außerdem ging es mir ja in erster Linie ohnehin nur um die Armbanduhr.

      In der Auslage kostete sie fünfundzwanzig Dinare und obwohl ich gar nicht feilschte, bot sie mir der Mann für einundzwanzig Dinare an.

      Der Händler bemerkte meine Verwunderung und sagte lächelnd auf Englisch, dass er sehr große Sympathien für Deutschland und seine Menschen empfinde, aber es gab noch einen zweiten Grund, der ihn großzügig stimmte. Wir erfuhren, dass der Bruder des Händlers in Deutschland lebt, er selbst auch ein wenig Deutsch sprach und uns zum Beweis gleich einige Bundesligafußballspieler aufzählte. Er bot uns ein Gläschen Tee an, der es in sich hatte, und im Gegenzug gab ich eine Runde Zigaretten aus. Der Tee war außergewöhnlich und ich ahnte zu jenem Zeitpunkt nicht, dass gerade dieser Tee in den kommenden Monaten für mich zu einem Suchtmittel werden sollte. Ein Teelöffel arabischer Schwarztee, ein Teelöffel Zucker und ein kleiner Schluck Wasser in kleinen Teegläsern serviert, ließen dieses Gebräu gallebitter, aber zugleich auch zuckersüß schmecken. Er war eine der vielen Wonnen Arabiens, die ich kennenlernen durfte.

      Auf dem Weg zurück sahen wir einen Iraker am Fahrbahnrand hocken. Er war mit einer Dschellaba bekleidet. Vor sich hatte er ein Hühnchen sitzen, mit dem er spielte. Ich blieb mit Richard abseits stehen und beobachtete belustigt diese Szene. Ich fragte Richard: „Was treibt der denn da, ist der nicht ganz richtig im Kopf?“

      „Warte mal ab“, grinste mein Kollege, „gleich wirst du sehen, was das für einen Sinn hat, das Hühnchen ist nämlich nur Tarnung.“

      Kurz darauf verstand ich den Grund des Spieles, denn als der Mann aufstand und sein Hühnchen auf den Arm nahm, lag im Rinnstein ein Haufen und der war definitiv nicht vom Hühnchen.

      Wir gingen dann zum Al Tahir Square mit seinem großen Betonrelief, welches dem irakischen Volk vor der Revolution am vierzehnten Juli 1958 gewidmet war und eine beeindruckende Länge von zirka fünfzig Metern und eine Höhe von etwa acht Metern aufwies. Es zeigte den Ankömmlingen vom Saadun oder von der Jumhuriya Brigde schon von weitem den Busbahnhof an.

      Der befand sich nämlich unmittelbar vor diesem Monument in einem riesigen Kreisverkehr, so dass wir diesen Platz als Buskreisel bezeichneten. Der Kreisel war für alle Monteure ein leicht zu findender Treffpunkt. Unter dem Buskreisel reihte sich Geschäft an Geschäft und es war angenehm, dort einzukaufen, da es erfrischend kühl in den Katakomben war.

      In der unmittelbaren Nähe des Buskreisels befand sich ein großes Lokal in englischem Kolonialstil mit großen Säulen im Innenraum. Dieses Lokal gehörte vor vielen Jahren zu einer Karawanserei und war besonders am Donnerstagabend oder am Freitag, dem Sabbat, immer voll besetzt. Aber auch an jenem Tag, einem Mittwoch, gab es fast keinen freien Stuhl. Schließlich fanden wir dann aber doch noch zwei freie Plätze und ich stellte fest, dass Richard in diesem Lokal bereits gut bekannt war, die überschwängliche Begrüßung ließ darauf schließen. Wir bestellten zwei Flaschen Bier und bekamen jeder ein Schälchen Pistazien dazu gereicht. Ebenfalls zu unserem Bier wurde uns die typische arabische Musik serviert, mit der wir die ganze Zeit über beschallt wurden, doch gerade diese Musik machte das arabische Flair komplett und passte in diese Atmosphäre.

      Nach ein paar weiteren Besuchen in diesem Lokal wurde ich ebenso freundlich begrüßt wie Richard und ich war sicher der erste ausländische Gast, von dem eine komplette Kassettenseite der britischen Hardrockband „Black Sabbath“ über die Lautsprecher der Gaststätte gespielt wurde, die ich kurz zuvor bei einem Musikhändler gekauft hatte.

      Erst als die erste Seite vollständig abgelaufen war wurde ich gefragt, ob es möglich wäre, auf Wunsch der anderen Gäste wieder arabische Musik zu spielen. Mir war das unerhört peinlich und ich nahm mir vor, dass mir so eine Entgleisung nicht noch einmal passieren sollte.

      Als ich wenig später ebenfalls zu den Stammgästen gehörte, die das Lokal etwa ein bis zweimal pro Woche besuchten, hatte man mir meinen kleinen Fehltritt längst verziehen. Platzprobleme kannte ich inzwischen ebenfalls nicht mehr.

      Einmal wurden sogar Gäste umplatziert, damit Richard und ich einen freien Tisch bekamen. Zwei Männer mussten sich dabei gar einen Stuhl teilen und taten das lächelnd. Auch das war mir peinlich, doch die beiden Männer gaben uns zu verstehen, dass sie uns ihre Plätze gern überlassen hatten.

      Eine Gastfreundschaft, die von uns Deutschen schwer zu verstehen war.

      Nach dem Restaurantbesuch waren es dann nur wenige Schritte bis zu unserer Bushaltestelle.

      Von dort überquerten wir den Tigris über die Jumhuriya Bridge und fuhren über die Yaffa Street, die 14. Juli Street und die Gailani Street zurück nach Abu Ghraib.

      Wir kamen an riesigen Saddam-Hussein-Monumenten und Wandgemälden vorüber, auf denen er, mit einer Dschellaba bekleidet, eine Maschinenpistole in der Hand hielt, als entschlossener Freiheitskämpfer mit erhobenem Karabiner dargestellt wurde, als Bauer hinter dem Pflug, oder in kurdischer Kleidung mit Säbel.

      Das war allerdings umso verlogener, da Saddam Hussein Zeit seiner Regierung einen ständigen Kampf mit der kurdischen Bevölkerung ausgefochten hatte. Selbst in Bussen, Taxis, ja sogar in Privat-Pkws konnte man die Bildnisse von Saddam Hussein sehen. Sie waren ähnlich einem heiligen Schrein, bunt geschmückt.

      Der Saddam-Kult war übergroß und ich nahm zum Beginn meines Aufenthaltes im Irak an, dass dies große Achtung, Ehrfurcht und Liebe ausdrücken sollte. Später stellte ich fest, dass es oft nur dem Selbsterhaltungstrieb diente, um vor dem System nicht aufzufallen, abgesehen von einigen verblendeten Regimeanhängern, die dem Kult aus Überzeugung frönten.

      Mir selbst war dieser Mann zum Beginn meines Aufenthalts ebenfalls sehr sympathisch, allerdings war das eine rein visuelle Wahrnehmung, sein wahres Wesen eröffnete sich mir erst Monate später.

      Wenige Jahre vor meinem Einsatz erstarkte im Süden des Landes die Schiitenbewegung, eine fundamentale Glaubensrichtung, die Saddam Hussein bis auf den Tod hasste, denn er war Sunnid.

      Der bedeutendste Schiitenführer mit großem Einfluss war der damals in Nadjef lebende Ajatollah Khomeini. Dieser wurde 1964 vom Schah Reza Pahlevi aus dem Iran ausgewiesen und lebte seitdem in dieser Stadt, einer der heiligen Städte im Irak und scharte dort unzählige Anhänger um sich.

      Saddam Hussein hatte im Jahr 1978 mit dem Schah einen Vertrag über die Nutzung des Schatt Al Arab abgeschlossen und im Gegenzug unbequeme Gegner des iranischen Regimes im Irak aufgenommen. Als der Vertrag ratifiziert war, wies Saddam Hussein allerdings im gleichen Jahr alle Iraner aus dem Land aus, darunter auch den Ajatollah Khomeini.

      Khomeini ging in das Exil nach Paris und arbeitete dort am Sturz des Schahs.

      Inzwischen wütete der irakische Geheimdienst unter den Schiiten des Landes und nahm reihenweise Exekutionen vor.

      Über 20.000 Schiiten flohen daraufhin in den Iran und ließen ihre Häuser und ihr Hab und Gut zurück. 1979 kehrte auch der Ajatollah Khomeini in den Iran zurück und stürzte mit seinen Anhängern den Schah. Gleichzeitig versetzte er damit das Land hunderte Jahre zurück in eine islamische religiöse Diktatur. Heute würde man sagen, dass er ein Kalifat gegründet hatte. Saddam Hussein warnte daraufhin auf den arabischen Konferenzen die anderen arabischen Nationen vor dem Regime Khomeinis und hatte damit Erfolg. Er gewann zunehmend Einfluss bei den übrigen arabischen Staaten und erhielt von ihnen Unterstützung. Hussein machte den arabischen Staaten klar, dass nur ein Krieg das Regime Khomeinis im Iran zerstören konnte.

      Am zweiundzwanzigsten


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