Vom Wienerwald zur Buckligen Welt. Alexandra Gruber Carina

Vom Wienerwald zur Buckligen Welt - Alexandra Gruber Carina


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überqueren im Wald eine Brücke, bis wir die Steinwandklamm erreichen. Von dort wandern wir in der Schlucht über Stege, Treppen und flache Wege kontinuierlich entlang des Wasserfalls. Singer hat die Klamm von seinem Vater geerbt, der das 35 Hektar große Grundstück in den 1930er Jahren erworben hat. Bis 2010 war sie an den Österreichischen Touristenklub (ÖTK) verpachtet, seither kümmert er sich selbst darum. »Ich bin hier aufgewachsen und kenne jeden Stein«, sagt Singer. Zwei- bis dreimal pro Woche gehe er in die Klamm, um die Steiganlagen zu kontrollieren. Die Wanderwege sind seit 1884 ausgebaut, Kaiser Franz Joseph I. war einer der ersten, der hier durchgegangen ist.

      Nach rund zwanzig Minuten erreichen wir eine Abzweigung, rechts ist der Weg blau markiert, links führt eine rote Markierung zum Rudolf-Decker-Steig, wo mehrere Höhlen durchkrochen und fast senkrechte Leitern überwunden werden müssen. Die längste ist 15 m, kann aber auch auf einer sechs Meter hohen Leiter umgangen werden. Oben kommen wir bei den Wildschützhöhlen an. Von diesem Punkt aus erreichen wir rasch das Türkenloch, wo der Weg wieder mit dem blau markierten Pfad zusammentrifft.

      Beide Routen, sowohl die über den Rudolf-Decker-Steig als auch die blau markierte einfachere Variante führen zu besagtem Türkenloch. In dieser finsteren Höhle sollen sich die Einheimischen im Jahr 1683 vor den Osmanen versteckt haben. Doch sie verrieten sich mit dem Rauch eines Feuers und wurden verschleppt oder getötet. Ob es sich dabei lediglich um eine Sage handelt, ist ungewiss, 1981 fanden Archäologen in der Höhle Münzen, Tonscherben und Knochen. Nach dem Verlassen des Türkenlochs folgen wir einem Waldweg und kehren eine Viertelstunde später beim Wirtshaus Jagasitz ein.

      Bei Eiskaffee und Panoramablick erzählt Singer, dass ihm 1988–1990 auch ein Eintrag ins Buch der Rekorde gelungen sei. »Damals haben wir das größte Spiegelei der Welt mit 2.500 Eiern und einer Größe von 8 m2 gebraten.« Singer sagt, er habe noch viel vor und plane, mindestens 150 Jahre alt zu werden. Der Spruch auf seiner Kappe verrät sein Motto: »Legenden sterben nicht im Bett.«

       Info

       Steinwandklamm

      Steinwandgraben 8, 2564 Furth

      •www.steinwandklamm.at

       Tipp

       Singers Schmankerl

      Singers selbstgemachter Eierlikör soll der beste weit und breit sein. Er ist ebenso käuflich zu erwerben wie seine kaltgeräucherten Lachsforellen aus eigener Zucht.

      Jährlich am ersten sonnigen Sonntag nach Ostern veranstaltet er ein Bärlauchfest, bei dem zur Gratisverkostung der Riesenbärlaucheierspeise aus seiner Rekordpfanne geladen wird.

       Blühende Einöde

      Im jüngsten Naturpark Österreichs lebten einst Mönche, die der Nachwelt ein Kloster, eine lange Steinmauer und einen Ort der Kontemplation hinterließen.

      An den ersten warmen Tagen des Jahres wächst das Frühlingskraut Bärlauch massenhaft auf den feuchten Lichtungen, während die Schneeglöckchen schon wieder ihre Köpfchen hängen lassen. Zwischen schattigen Waldbäumen blitzen violett-blaue Blümchen hervor, Duft von Harz liegt in der Luft. In Mannersdorf, am Westhang des Leithagebirges, erstreckt sich die üppige Vegetation des Naturparks DIE WÜSTE auf einer Fläche von 106 Hektar. Die lateinische Redensart nomen est omen könnte nicht weniger zutreffend sein, denn unter einer »Wüste« stellt man sich etwas gänzlich anderes vor. Doch das Rätsel, wie der Naturpark zu seinem Namen kam, ist rasch gelöst. Die Bezeichnung ist lediglich einer unpräzisen Übersetzung zu verdanken und leitet sich vom griechischen Wort eremos ab, das »Einöde«, »Einsiedelei«, »Wüste« oder »einsam« bedeutet. »Wüste« setzte sich schließlich umgangssprachlich durch. Eine weitere Besonderheit des Naturparks ist die 4,5 km lange steinerne Mauer, die ihn umschließt.

      Zentrum des heutigen Erholungsgebietes ist das ehemalige Karmeliterkloster St. Anna, das 1644 gegründet wurde. Mehr als hundert Jahre lang lebten und beteten hier »Unbeschuhte Karmeliten«, ihre Ruhe wurde jedoch zwischenzeitlich durch den Türkeneinfall von 1683 unterbrochen. Die Osmanen brannten das Kloster nieder, die Mönche mussten fliehen. Später wurde es wieder aufgebaut und erlebte unter der streng katholischen Maria Theresia seine Blütezeit. Die fromme Monarchin beehrte die Einsiedelei mehrmals mit ihrem Besuch, ihr Sohn Joseph II. hatte hingegen wenig für die kontemplative Gemeinschaft übrig und löste das Kloster 1783 auf. Danach verfiel das Gebäude im Laufe von 200 Jahren, bis man Teile davon in den 1980er Jahren sanierte. 1986 wurde schließlich der Naturpark eröffnet und ist damit der jüngste in Österreich.

      Die Burgruine Scharfeneck war einst eine wehrhafte Festung, in die sich die Einheimischen flüchteten.

      Zentrum des Naturparks ist das ehemalige Karmeliterkloster St. Anna.

      Vom Parkplatz aus gelangen Besucher nach einem kurzen Spaziergang zum historischen Gotteshaus, das heute als Veranstaltungsort dient. Teiche, Obstwiesen und eine Lindenallee säumen den Weg. Erwachsene finden hier Ruhe und Natur, Kinder können sich austoben. Nahe den Klostermauern befinden sich ein Spielplatz und ein Heckenlabyrinth aus Kirschlorbeer, das die Kleinen zum Fangen und Verstecken spielen nutzen können. Rund um die Anlage grasen Pferde, Hochlandrinder und Ziegen, Blickfang ist eine riesige, angeblich 400 Jahre alte, weiße Platane. Im hinteren Trakt des Gebäudes befindet sich ein kleiner Naturkostladen, in dem an Wochenenden und Feiertagen Getränke und Selbstgemachtes wie Marmeladen, Liköre und hauseigener Speck vom Mangalitzaschwein verkauft werden.

      Ebenfalls sehenswert ist die Burgruine Scharfeneck, die sich auf dem 347 m hohen Schlossberg inmitten des Naturparks erhebt. Ein Wanderweg führt direkt vom Kloster zu den Resten der einst wehrhaften Festung, die den Einheimischen 1683 Zuflucht vor den Türken bot. Die wuchtigen Außenmauern der vermutlich um das Jahr 1000 erbauten Burg ragen zum Teil noch bis zu zehn Meter in die Höhe, auch Reste von Türmen, Räumen und Kasematten sind noch erhalten. Das Betreten des Burghofes ist laut einem Hinweisschild wegen Einsturzgefahr verboten. Doch durch das nicht mehr vorhandene Tor und Maueröffnungen kann man einen Blick in das von der Vegetation überwucherte Innere werfen.

       Industriedenkmal mit kreativem Veranstaltungsprogramm

      Nur wenige Autominuten vom Naturpark entfernt liegt der Kalkofen Baxa, ein historisch einzigartiger Kalkschachtofen, der 1893 errichtet wurde. Der dazugehörige Steinbruch ist noch immer in Betrieb, während der Ofen 1972 stillgelegt wurde. In den Jahren 1996 bis 1998 wurde das Bauwerk generalsaniert und im Obergeschoß ein Kalkofen- und Steinabbaumuseum eingerichtet. Besonders beliebt sind die abwechslungsreichen Veranstaltungen, die in und rund um das Industriedenkmal stattfinden, etwa Ausstellungen, Kreativkurse, ein temporäres Café und ein Adventmarkt. Das innovative Programm wurde 2019 mit einer Auszeichnung in der Kategorie »außergewöhnliche Zusatzangebote« beim Museumsfrühling Niederösterreich belohnt.

       Info

       Naturpark DIE WÜSTE

      Mannersdorf, 2452 Mannersdorf am Leithagebirge

      •www.diewuestemannersdorf.at

       Kalkofen Baxa

      Am Goldberg 1, 2452 Mannersdorf am Leithagebirge

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