Schicksalsmomente. Stefan Fröhling

Schicksalsmomente - Stefan Fröhling


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desto heller leuchtet das Licht der Bekehrung.29

      Zudem ist anzumerken, dass die „lukanische“ Darstellung „in typischer Weise auf Jerusalem zentriert ist“. Es liegt jedoch nahe, „die antichristlichen Aktivitäten des Paulus in Damaskus anzusiedeln“, wofür die Textbefunde im Brief an die Galater (1,17 u. 1,22) sowie in der Apostelgeschichte (9,2) Hinweise liefern.30 Der Name „Stephanus“ taucht in den authentischen Paulusbriefen nicht auf.

      Die jüdischen Hellenisten Jerusalems, die aus der Diaspora gekommen waren, hielten ihre Gottesdienste unter Verwendung der Septuaginta in griechischer Sprache, während die in Palästina beheimateten Juden, wie erwähnt, die ihnen vertraute aramäische Sprache pflegten. Ein Zirkel jener Hellenisten mit ihrem Wortführer Stephanus war nun zu den Anhängern des Jesus von Nazaret übergetreten, die von den Juden im Sinne einer Sekte „Nazarener“ genannt wurden.31 Die bereits bestehenden Spannungen zwischen den Juden und den Hellenisten eskalierten bezüglich der Gruppe um Stephanus dermaßen, dass dieser schließlich verhaftet und gesteinigt wurde. Seine Gemeinschaft, die ein eigenes, sieben Personen umfassendes Leitungsgremium hatte, wird vorher – und ähnlich wie Jesus – „Anstoß an den Missständen des Tempelkultes und kleinlichen Praktiken der Gesetzesauslegungen“32 genommen haben und musste nach dem Tod des Stephanus aus Jerusalem fliehen.

      Von ihnen ging danach die erste Missionierung in den, nach christlicher Ansicht, heidnischen Gebieten aus, die der Apostel Paulus in weitaus größerem Umfang fortsetzte. So begründeten sie etwa die aus Juden- und Heidenchristen bestehende Gemeinde in Antiochia (Syrien). Und dort „nannte man die Jünger zum ersten Mal Christen“ (Apg 11,26). Bischof Ignatios von Antiochia (gest. 117 n. Chr.) verwendete außerdem in einem Brief erstmalig den Ausdruck „katholische“ Kirche, was „allgemein“ oder „auf das Ganze bezogen“ bedeutet.33

      Die „Hebräer“, also die aramäisch sprechenden Judenchristen, mit den von Jesus erwählten Zwölf Aposteln an der Spitze – die Zwölfzahl symbolisiert die zwölf Stämme Israels –, konnten hingegen in Jerusalem verbleiben. Die Judenchristen wollten sich nämlich gar nicht von den jüdischen Ritualgesetzen, den Reinheitsgeboten oder der Beschneidung abwenden. Auch Paulus stand für sich selbst dazu. Er vertrat jedoch im Rahmen seiner Missionierungen die Ansicht, dass sich Heiden, die sich zum Christentum bekennen wollen, der Befolgung dieser Gebote oder der Beschneidung nicht zu unterziehen brauchen. Genau das aber führte zu einem Streit mit Petrus und den „Jerusalemer Autoritäten“, obwohl jene dann doch die „gesetzesfreie Heidenmission anerkannt“ haben.34 Nach dem Jahr 70, also nach der Zerstörung Jerusalems und der Verbannung aus dem Judentum, verloren die Judenchristen allerdings erheblich an Bedeutung und wurden zu einer Randgruppe innerhalb der heidenchristlichen Kirche.

       Die Berufung zum Apostel

      Die Bekehrung des Paulus’ war wohl der einschneidendste „Schicksalsmoment“ in seinem Leben. Er dürfte knapp 30 Jahre alt gewesen sein, als er eine Gotteserfahrung machte, die ihn zutiefst veränderte. Paulus hatte sich in seiner Funktion als Pharisäer von Jerusalem aus auf den Weg nach Damaskus begeben. Er „wütete immer noch mit Drohung und Mord gegen die Jünger des Herrn“, wie „Lukas“ in der Apostelgeschichte mitteilt (9,1); und Paulus hatte Sendschreiben des jüdischen Hohenpriesters in Jerusalem bei sich, um in Damaskus „die Anhänger des (neuen) Weges, Männer und Frauen, die er dort finde, zu fesseln und nach Jerusalem zu bringen“ (Apg 9,2).

      Doch kurz vor Damaskus wurden seine ganzen Pläne von einem Augenblick auf den anderen nichtig, als „ihn plötzlich ein Licht vom Himmel umstrahlte. Er stürzte zu Boden und hörte, wie eine Stimme zu ihm sagte: Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Er antwortete: Wer bist du, Herr? Dieser sagte: Ich bin Jesus, den du verfolgst“ (Apg 9,3 – 5). Und nachdem Paulus wieder aufgestanden war und die Augen geöffnet hatte, konnte er nicht mehr sehen; als hätte ihn das göttliche Erstrahlen seines Augenlichts beraubt. Seine Begleiter, die namentlich nicht genannt werden, hatten zwar die Stimme gehört, aber sonst gar nichts zu erkennen vermocht. Sie nahmen Paulus „bei der Hand und führten ihn nach Damaskus hinein. Und er war drei Tage blind, und er aß nicht und trank nicht“ (Apg 9,8 - 9).

      Selbst wenn man das dramaturgische Geschick des Autors negiert und vielleicht sogar, da die Begleiter mit den Augen nichts wahrgenommen haben, eine innere Vision in Betracht zieht, so ist Paulus trotzdem davon derartig geblendet und über die Maßen erschüttert gewesen, dass ihn das Erlebnis einfach umgeworfen hat – äußerlich wie innerlich. Die drei in der Apostelgeschichte vorkommenden Schilderungen des Vorgangs weisen freilich Widersprüche auf. In Kapitel 22, Vers 9, sehen die Paulus-Begleiter zwar das helle Licht, aber sie können die Stimme Jesu nicht hören; in Kapitel 25, Vers 14, stürzen auch die Begleiter aufgrund des Licht-Phänomens zu Boden, aber Paulus erblindet diesmal nicht. Doch durch solche Variationen soll lediglich ein abwechslungsreicheres Bild entstehen.35 Sie sind folglich wohl stilistischer Natur. Paulus hat zwar als Pharisäer Gewalt angewandt, und er mag für Todesurteile gestimmt haben, „aber getötet hat er selbst nicht“.36 „Lukas“ will Paulus schließlich nicht demontieren, sondern ihn mit Bedacht als den Protagonisten der Völkermission literarisch aufbauen.

      Im 1. Brief an die Gemeinde in Korinth (9,1 u. 15,8) sowie im Brief an die Galater (1,12 – 16) erwähnt der Apostel – ohne jedoch näher darauf einzugehen –, dass sich Jesus Christus ihm in einer Erscheinung offenbart habe. Er hält sich für den Letzten der Augenzeugen, denen Jesus nach seiner Auferstehung erschienen ist. Darin erkennt Paulus seine Berufung, nämlich als „Apostel“ des Herrn („Bote“ oder „Gesandter“) missionarisch tätig zu werden und das Wort Gottes zu verkünden. Der Apostel-Begriff wird für ihn zu einer Art Berufsbezeichnung, mit dem er sich in den christlichen Gemeinden „ausweist“ und sich von selbsternannten oder falschen Predigern und Aposteln unterscheidet. Sein Handeln wird durch den an ihn direkt ergangenen Auftrag des Herrn legitimiert. Und das gilt noch entschiedener für die Zwölf Apostel, die von Jesus persönlich für die Nachfolge bestimmt wurden und an deren Seite Paulus stehen möchte.

      Zugleich ringt er mit seinen Zweifeln. Im 1. Brief an die Korinther kommt er zwei Mal darauf zu sprechen. „Bin ich nicht ein Apostel? Habe ich nicht Jesus, unseren Herrn, gesehen? Seid ihr nicht mein Werk im Herrn? Wenn ich für andere kein Apostel bin, bin ich es doch für euch. Ihr seid ja im Herrn das Siegel meines Apostelamtes“ (1 Kor 9,1 – 2). An anderer Stelle des Briefes benennt Paulus diejenigen, welchen wie ihm eine Erscheinungserfahrung zuteilwurde. Christus „ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf. Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen. Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln. Als Letztem von allen erschien er auch mir, dem Unerwarteten, der, Missgeburt’. Denn ich bin der Geringste von den Aposteln; ich bin nicht wert, Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe. Doch durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und sein gnädiges Handeln an mir ist nicht ohne Wirkung geblieben“ (1 Kor 15,4 – 10).

      Ergänzend ist anzumerken, dass „Lukas“ dem Missionar Paulus den Aposteltitel vorenthält. „Das geschieht selbstverständlich nicht, um Paulus zu degradieren.“37 Das Apostelamt soll vielmehr alleinig mit den Zwölf Aposteln und der Mutterkirche in Jerusalem verbunden bleiben.38 Und nebenbei bedeutet das auch, dass der Verfasser der Apostelgeschichte, wie oben schon erwähnt, Paulus nicht gekannt hat. Denn „ein Mann, der Titel und Würde eines Apostels ausschließlich den Zwölfen reserviert und dem Paulus konsequent verweigert, obwohl Paulus den Apostolat für sich beansprucht und verteidigt hat, kann kein Begleiter des Paulus gewesen sein.“39

      Im Übrigen blieb Paulus nicht blind. Ein Jünger namens Hananias in Damaskus hatte nämlich durch eine Vision den Auftrag bekommen, Paulus zu suchen. „Der Herr sagte zu ihm: Steh auf und geh zur sogenannten Geraden Straße, und frag im Haus des Judas nach einem Mann namens Saulus aus Tarsus“ (Apg 9,10 – 11). Aber Hananias ängstigte sich, weil dem Pharisäer Paulus so viel Böses nachgesagt wurde. Schließlich tat er, nach einer göttlichen Ermahnung, wie ihm geheißen, und betrat das Haus des Judas. Dort legte er Paulus segnend die Hände auf: „Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir auf dem Weg hierher


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