Tiere als sprechende Gefährten. Penelope Smith
beurteilen Menschen, die sich solche Fragen stellen, die Intelligenz der Tiere? Gewöhnlich halten sie es für einen Intelligenzbeweis, wenn sich ein Tier mit Hilfe unserer Sprache, Zeichen oder Begriffe mitteilen kann. Verhaltensforscher bedienen sich menschlicher Standards, wenn sie den IQ von Tieren messen. Aber Tiere reagieren, sehen und denken nicht so wie wir. Ihre Intelligenz muss unter Berücksichtigung der biologischen Fähigkeiten erschlossen und eigenständig beschrieben werden.
Andere Wahrnehmungsweisen
Im menschlichen Verstehen anderer Spezies herrscht ein Vakuum: es fehlt an unvoreingenommener Beobachtung, Kommunikation und Einfühlung in andere Spezies. Da ich mich mit Tausenden von Tieren als intelligenten Wesensgeschwistern ausgetauscht habe, staune ich manchmal über die geringe Bereitschaft vieler Menschen, Tiere als intelligent und bewusstseinsbegabt anzusehen.
Sicher sind Wahrnehmung und Bewusstsein anderer Lebewesen anders als beim Menschen, weil sie andere Funktionen zu erfüllen haben. Tiere, deren Umweltbedingungen verändert werden, können ihre angeborene Intelligenz nicht mehr optimal nutzen. Auf Wesen mit weniger analytischem Daseinsbezug kann die menschliche Art zu denken sehr chaotisch wirken und sie verwirren. Menschen verlangen Tieren oft wesensfremde Leistungen ab. Wie sollen sie das verstehen können! Auch kann es bei Tieren zu Panik führen, wenn ihre Sinne durch Maschinen und menschliche Eingriffe in die Natur überhaupt überreizt werden.
Das Zusammenleben mit Menschen kann für Haustiere traumatisch sein. Manche Leute halten Pferde für verrückt oder dumm, weil sie durchgehen oder scheu werden, wenn sie eine Plastikplane flattern sehen oder Regen aufs Wellblechdach tropfen hören, oder weil sie sich plötzlich vor bekannten Dingen aufbäumen. Pferde sind nicht für die Gefangenschaft in Koppeln und Ställen geschaffen. Ihr Erwartungshorizont ist ein anderer. Sie sind für ein Leben in der freien Natur geschaffen, wo die Wahrnehmung ungewohnter Bewegungen ein Signal zur Flucht sind. Ihr Verhalten erscheint logisch, sobald wir uns in sie hineinversetzen. Dass sie sich an Situationen, denen der Mensch sie aussetzt, gewöhnen, ist ihrer Gutmütigkeit und Hilfsbereitschaft zu verdanken.
Eine Besucherin, der ich einmal meine schönen Hühner vorstellte und ihre rege Wachsamkeit rühmte, meinte: „Die sind doch dumm, Hühner laufen vor jedes Auto.“ Das tun auch Kinder und Erwachsene, die nicht an Autos gewöhnt sind. Der Lärm, das Scheinwerferlicht, die Geschwindigkeit der Autos können den Sinnesapparat der Tiere überfordern. Wir sind den Anblick, die Geräusche und Gerüche unserer schnelllebigen industrialisierten Welt gewöhnt. Hühner, Hirsche, Kaninchen, Mäuse und andere Tiere können durch heranrasende Autos oder Maschinen so verwirrt und in Panik versetzt werden, dass sie erstarren oder auf ihrer Flucht unter die Räder kommen. Versuchen Sie einmal, es sich nachts neben einer Landstraße gemütlich zu machen und einzudösen, und erleben Sie, wie es ist, wenn man von einem vorbeibrausenden Auto aufgeschreckt wird.
Beweisen wir unsere Intelligenz, indem wir auf vorgefasste Meinungen verzichten! Anstatt von „dummen Kühen“ oder „Spatzenhirnen“ auszugehen, können wir einmal unvoreingenommen auf das schauen und hören, was uns gerade umgibt. Erst wenn wir das tun und nicht alles an unseren eigenen Standards messen, können wir Intelligenz und Ausdrucksweisen anderer Kulturen, Gruppen oder Spezies erfassen. Ein Beispiel dazu:
Mein großer Blumen-, Gemüse- und Kräutergarten mit einheimischen und fremdländischen klimakompatiblen Pflanzen ist meine große Freude. Zu seinen häufigsten Besuchern zählen Nackt- und Weinbergschnecken, die sich ungeladen an den Delikatessen weiden. Sie leben schon seit unvordenkbaren Zeiten und sind für das ökologische Gleichgewicht zweifellos wichtig. Es stört mich daher nicht, wenn sie einen kleinen Teil meines Junggemüses fressen. Doch vermehren sie sich (für mein Empfinden) manchmal allzu sehr, wenn eine feuchte Witterung ihre Fortpflanzung begünstigt. Dann sammle ich sie in einen Eimer und schütte sie in einiger Entfernung im Wald aus mit der Bitte, nicht zurückzukommen.
Einmal im Sommer schaffte ich wieder wöchentlich Hunderte von Schnecken fort. Ich vertiefte ich mich ausgiebig in sie und stellte fest, dass es sanfte, sehr empfindsame Wesen mit scharfem Wahrnehmungsvermögen sind. Während ich mich in sie hineinversetzte, nahm ich eine Welt pulsierender Energiewellen wahr. Ihr Gesichtssinn unterscheidet sich offenbar stark von unserem. Sie erfassen Energiewellen und Auren. In ihrem Bewusstsein „bilden“ sich die Körper anderer Geschöpfe mit den von ihnen ausgehenden Energien „ab“. In der Wahrnehmung der Schnecken sind unsere Körper eher amorph als fest. Wir erscheinen ihnen als farbige Fließmuster mit Energiestrahlen, die je nach den Intentionen unserer Bewegungen einen stechenden oder sanften Charakter haben.
Schnecken „hören“ oder spüren Schallschwingungen mit ihrem ganzen Körper. Jede Pore ihrer biegsamen Gestalt gibt ein erspürtes Bild der Welt wieder. Aufgrund ihrer äußerst sinnlichen Natur verkörpern sie beispielhaft Nahrungsaufnahme und sexuelle Aktivität. Sie sind die „Gourmants in der Tierwelt“, nehmen vollständige Verbindung mit ihrer Nahrung auf, sei es nun junges Grün oder Hundekot.
Ich stieß einmal beim Umgraben in meinem Garten auf ein vereintes Schneckenpaar. Schnecken sind Zwitter, deshalb finden sie leicht einen Partner! Ganz im Gegensatz zur vorherrschenden Auffassung, dass Tiere Sexualität rein mechanisch erleben, war das, was ich wahrnahm, eine ekstatische Gemeinschaft. Respektvoll bedeckte ich das Paar wieder mit Laub. Ein paar Tage später schaute ich unter dem Mulch noch einmal nach ihnen. Sie paarten sich immer noch - eine offensichtlich sehr pässliche Sache, die keine Hast vertrug. Wieder spürte ich ihre Intimität, ihre Freude an der Vereinigung, ihr orgasmisches Einssein.
Vielen Menschen fällt es sichtlich schwer, Schnecken und anderen Lebewesen, die sich körperlich und mental stark von uns unterscheiden, Intelligenz und Bewusstsein zuzugestehen. Hier sind Klischees und Vorurteile zu überwinden, ist Kommunikationsbereitschaft aufzubringen, um die Schönheit ihrer Daseinsform zu erkennen. Wir lernen viel dazu, wenn wir uns in die Wahrnehmungs- und Bewusstseinssphären anderer Geschöpfe versetzen.
Bestimmte Tierarten, die von den Menschen als reine Plage empfunden werden, haben es trotz aller Ausrottungsversuche geschafft, in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft weiter zu gedeihen. Ihr Überleben lässt darauf schließen, dass sie die Gedanken und Absichten der Menschen durchschauen. Beispiele sind Ratten, Waschbären, Kojoten und Kakerlaken. Als Allesfresser können sie sogar vom Müll der Menschen leben. Diese Überlebenskünstler sind erstaunlich intelligent, schnell und auffassungsfähig und genießen oft ihre Nähe zum Menschen. Leider gelingt es jedoch wildlebenden Tieren oft nicht, das Vordringen der Menschen in ihr Territorium zu überleben.
Oft wird beim Menschen etwas als rational und bewusst eingestuft, was beim Tier für eine Instinkthandlung gehalten wird. Rüden heben das Bein, urinieren und bellen, um ihr Revier abzugrenzen und andern Hunden ihre Präsenz anzuzeigen. Das wird gewöhnlich als ein Reiz-Reaktions-Mechanismus abgetan, über den die Hunde keine Kontrolle hätten. Doch wenn Menschen Grenzen markieren, Gebiete einzäunen oder um Territorialansprüche kämpfen, hält man das für löblich oder zumindest akzeptabel, da man sich ein Recht auf persönliches Eigentum zugesteht, beziehungsweise ein Recht auf den Ausdruck seiner sozialen oder individuellen Identität. Nach Ansicht vieler Menschen sind sich Hunde und andere Tiere in keinster Weise ihres Verhaltens bewusst. Nur Menschen hält man für fähig, sich über ihr eigenes Verhalten im Klaren zu sein.
Wir begrenzen die Kommunikation mit Tieren nur allzu gern auf unsere Verstandesebene. Die Tiere müssen lernen, sich auf einer uns geläufigen Ebene mitzuteilen, meist durch Körpersprache - wie Bellen, Stupsen, Kratzen, Zerren etc. - oder durch emotionale Botschaften. Ein geistiger Austausch ist selten. In Tierbüchern werden meist nicht alle Kommunikationsebenen der Tiere beschrieben, sondern nur ihre Fähigkeiten im Rahmen einer den Menschen gewohnten Kommunikation. Wenn sich Hunde zum Beispiel nicht mehr anders mitzuteilen wissen, als aufs Sofa zu pinkeln oder ständig zu bellen, wurden sie wahrscheinlich ignoriert, als sie ihre Bedürfnisse auf subtileren emotionalen oder geistigen Ebenen mitteilten. Tiere bedienen sich dann meist notgedrungen der Kommunikationsform, die wir verstehen wollen.
In unserer Kultur herrscht die Ansicht vor, dass Tiere aufgrund ihres mangelnden Bewusstseins kaum Entscheidungen treffen können. Man ist weit entfernt davon zu glauben, dass Tiere ein Bewusstsein von den tiefsten Wahrheiten und