Herbst. Ben B. Black

Herbst - Ben B. Black


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      »Bericht!«, forderte Clemens lautstark. »Wie viele Granaten

      haben wir noch?«

      »Keine mehr, Herr Hauptfeldwebel. Die haben wir alle vorhin beim ›Auftürmen‹ verbraucht.«

      »Worauf wartet ihr dann noch? Schießt sie in Stücke, los!«

      Die Männer taten ihr Bestes. Immer wieder gelang es einem von ihnen, einen Wirkungstreffer zu landen, der einem der Zombies entweder seine Deckung entriss, oder ihn sogar direkt endgültig ausschaltete. Trotzdem kamen ihnen die Untoten näher und näher, ihr Zustrom an Nachschub schien weiterhin unbegrenzt zu sein.

      »Verdammte Biester!« Mit grimmiger Miene ließ Blistel das leere Magazin aus seiner P1 fallen, rammte ein neues hinein und ließ den Schlitten der Waffe wieder nach vorne schnellen. »Wir müssen sie zurückdrängen. Los, Männer, gebt alles!«

      In diesem Moment änderte die erste Reihe der Angreifer ihre Strategie. Anstatt sich weiter in Richtung der Soldaten zu bewegen, begannen sie, diese mit Leichenteilen zu bewerfen. Die Männer waren im ersten Moment derart überrascht, dass sie aufhörten zu schießen.

      »Weiterfeuern!«, brüllte Clemens. »Lasst euch doch davon nicht beirren, ihr Idioten!«

      Dann traf ihn ein herrenloser Schädel am Kopf und schickte den Hauptfeldwebel ins Land der Träume. Auf diese Weise bekam er nicht mehr mit, wie seine Stellung vollends überrannt wurde, und auch den Biss, der ihn die Seiten wechseln ließ, war nur ein kurzes Aufleuchten in seinem Unterbewusstsein, bevor es vollends erlosch.

      ***

      Martin schwebte über der Szene und bekam jedes grausige Detail in aller Deutlichkeit mit. Das Knacken brechender Knochen fraß sich ebenso in seine Seele wie die angsterfüllten Schreie der Sterbenden und das Schmatzen, Geifern, Grunzen und Knirschen der Untoten. Aber im Gegensatz zu den Soldaten dort unten bemerkte er den verhüllten Mann, der ein wenig abseits der Zombies stand und diese mit seinen Gedanken lenkte.

      Frank!, durchzuckte es Martin. Ich hätte es mir ja denken können, dass die Knirscher nicht von alleine auf die Idee mit den »Schutzschilden« kommen. Verdammt, sie sind auch so schon gefährlich genug, ohne ihren General …

      Dann bemerkte er die Präsenz eines weiteren Mannes, der ebenfalls nicht zu den Soldaten gehörte – Gabriel! Dieser schien sich an dem Spektakel zu ergötzen, ganz so, als sei das Schlachten und Morden einzig zu seinem Vergnügen inszeniert worden.

      In merkwürdiger Klarheit erkannte Martin das Band, welches den dunklen Mann mit seinem General verband. Er erfasste sogar ein Stück weit, was in den beiden vorging, und das, was er empfing, ließ ihn schaudern. Da war nichts Menschliches mehr in den Emotionen, die Gedanken waren nur auf Hass und Zerstörung ausgerichtet.

      Für einen kurzen Moment vermeinte Martin sogar, tiefer in die Abgründe ihrer Seelen schauen zu können, die wahren Absichten und Motive hinter ihren Taten zu sehen, dann wurde er ein weiteres Mal von einer unbekannten Macht fortgerissen.

      ***

      Frank sah irritiert auf. Seine Augen suchten den Himmel ab, doch er konnte nichts Außergewöhnliches erkennen. Dabei hätte er schwören können, soeben beobachtet worden zu sein.

      »Ich darf mich nicht ablenken lassen«, rief er sich selbst zur Ordnung. »Diese Nacht ist meine Nacht, und daran wird irgendein merkwürdiges Gefühl nichts ändern können!«

      Er blieb stehen und bückte sich. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er den blutigen Fetzen einer Schulterklappe in Händen. Die Überreste des Rangabzeichens waren markant, die Schulterklappe hatte einem Hauptfeldwebel gehört.

      »Willkommen in meiner Armee.« Frank kicherte. »Wer weiß, vielleicht mache ich dich sogar zum Spieß einer meiner Kompanien. Aber nur, wenn du dich nicht zu dämlich anstellst.«

      Sein Geist griff hinaus, tastete nach den Untoten, die sich ganz frisch in den Reihen seiner Soldaten eingefunden hatten, dabei projizierte er das Bild des Rangabzeichens in ihre Gehirne und hoffte auf eine Reaktion. Es dauerte jedoch nicht lange, bis er dieses Unterfangen wieder aufgab, denn jeder der ehemaligen Soldaten reagierte in irgendeiner Weise auf das Abbild, doch nichts daran verriet, ob es sich um den einstigen Besitzer der Schulterklappe handelte.

      Achtlos ließ Frank das Stoffstück wieder fallen. Was kümmerte ihn, was ein Mitglied seiner Armee zu Lebzeiten gewesen war? Jetzt zählte nur noch, dass sie ihm zu folgen hatten, er war ihr General, ihr Gott, ihr Heiland.

      »Findest du nicht, dass du es ein wenig übertreibst?« Gabriels Stimme klang belustigt. »Deine beginnende Hybris ist zwar interessant und auch ein gutes Stück weit unterhaltsam, aber pass besser auf, dass sie dich nicht wertlos für mich werden lässt.«

      »Musst du immerzu in meinen Gedanken herumschnüffeln?« Frank starrte die dunkle Gestalt, die sich aus dem Schatten eines Hauseingangs geschält hatte, hasserfüllt an.

      »Na, na, na, wer wird denn aufmucken wollen?« Gabriel schüttelte missbilligend den Kopf. »Muss ich dich ein weiteres Mal daran erinnern, wem du deine Treue geschworen hast?«

      »Treue bist zum Tod, wie?« Frank lachte trocken auf. »Leider bin ich über diesen Zustand schon hinaus, also sag mir: Was kommt als nächstes?«

      »Ich sehe, du bist wieder einmal in Philosophierlaune. Du weißt, dass ich unsere kleinen Geplänkel durchaus zu schätzen weiß, aber im Moment fehlt mir leider die Zeit, sie zu genießen.«

      »Oooch, das ist aber schade.« Franks Stimme troff vor Häme. »Macht dir gerade wieder jemand einen Strich durch deine allmächtigen Pläne? Womöglich ein Menschlein?«

      »Heute hast du – zumindest bisher – gut Arbeit geleistet, daher will ich dir deinen Spott nachsehen.« Gabriel legte den Kopf schief. »Aber sei gewiss, dass wir ein andermal auf dieses Thema zurückkommen werden, und ich hoffe sehr für dich, dass du bis dahin nicht neuerlich zu einer Enttäuschung geworden bist. Aber nun muss ich fort, meine Anwesenheit ist auch noch an anderer Stelle auf diesem fauligen Ball, den ihr ›Planeten‹ nennt, erforderlich.«

      »Sag bloß, die Pflicht ruft auch einen wie dich? So klang es nämlich gerade.«

      »Man könnte es durchaus so nennen, ja.« Gabriel nickte. »Aber sei versichert, dass das, was als Pflicht beginnt, als Vergnügen enden wird – zumindest für mich. Das Spiel ist nämlich noch lange nicht vorbei, es gibt noch einige Züge zu tun.«

      »Na, dann wünsche ich dir doch viel Erfolg.« Frank grinste. »Ich werde mich derweilen weiterhin um dieses Städtchen hier kümmern.«

      »Das will ich dir auch geraten haben.« Von Gabriels Körper ging für einen Moment eine Welle der Kälte aus. »Du weißt, was du zu tun hast, denn deine Armee wird bald eine Größe erreicht haben, bei der du Unterstützung benötigst. Du brauchst so etwas wie einen Adjutanten, also kümmere dich darum!«

      »Ja, großer Meister, alles was du sagst.«

      Doch Gabriel hatte Franks Worte schon nicht mehr gehört. So schnell wie er gekommen war, war er auch wieder verschwunden.

      Kapitel II

      Befreiung

      Das blonde Mädchen lag fiebernd in einem Bett auf der Isolierstation des Krankenhauses. Auf seiner Haut glänzte Schweiß, und seine Gliedmaßen wirkten aufgedunsen. Hinter den geschlossenen Lidern zuckten die Augen hin und her.

      Plötzlich bebten die Lippen des Mädchens, und ein einzelnes Wort, das mehr wie ein Seufzen klang, kam dazwischen hervor: »Eden …«

      Die Atemzüge des Mädchens wurden hektisch und der Herzschlag beschleunigte sich, dann beruhigte es sich langsam wieder. Noch einmal warf es den Kopf von einer Seite zur anderen, dann schien es wieder friedlich zu schlafen.

      ***

      Gabi stand auf einer duftenden Sommerwiese. Sie reckte ihre Arme in die Höhe und begrüßte freudig die Strahlen der Sonne, die


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