Herbst. Ben B. Black

Herbst - Ben B. Black


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sie, dass überall um sie herum fröhliche, glückliche Menschen waren, die den verschiedensten Freizeitbeschäftigungen nachgingen. Unweit von der Stelle, wo sie stand, spielte eine Gruppe Kinder mit einem Ball.

      »Lasst ihr mich mitspielen?«, fragte Gabi ein Mädchen mit langen, schwarzen Zöpfen, das ihr am nächsten stand.

      »Gerne«, antwortete die Angesprochene und warf Gabi den Ball zu. »Hier, fang!«

      Einen kurzen Moment war Gabi unsicher, denn sie wusste, dass Ballspiele eigentlich nicht zu dem gehörten, was sie besonders gut konnte, ihr Körper und auch ihre schlechten Augen spielten ihr dabei immer wieder Streiche. Doch diesmal war es anders. Geschickt fasste sie zu und hatte den Ball perfekt im Griff. Spielerisch ließ sie ihn von einer Hand zur anderen hüpfen, dann warf sie ihn einem der anderen Kinder zu. Der Wurf war dabei so exakt ausgeführt, dass der Fänger nur noch direkt vor seiner Brust zugreifen musste.

      »Du kannst aber toll mit einem Ball umgehen«, meinte das Mädchen mit den schwarzen Zöpfen. »Wo hast du das denn gelernt?«

      »Ich habe das nicht gelernt.« Gabi lächelte. »Ich kann das einfach so. Aber jetzt muss ich weiter. Vielen Dank, dass ihr mich habt mitspielen lassen.«

      Mit einem Mal wurde Gabi alles klar. Sie war wieder in ihrem Traum, das hier war Eden. Hier hatten ihre Beschränkungen noch nie eine Rolle gespielt, hier war sie schon immer »normal« gewesen.

      Aber heute war es anders. Sie spürte eine Kraft in sich pulsieren, die sie niemals zuvor gehabt hatte. Und noch etwas wurde ihr klar: Sie war jetzt totlebend.

      »Genau, totlebend«, murmelte Gabi und lauschte eine Zeitlang dem Klang des Wortes nach …

      ***

      Stephan stolperte und fiel der Länge nach hin. Sofort rappelte er sich wieder auf und wollte eben weiterlaufen, als etwas von hinten nach ihm grapschte. Gleichzeitig spürte er einen durchdringenden Schmerz am linken Oberarm.

      »Du gottverdammter Freak!«, schrie Stephan, während er dem Zombie einen fulminanten Tritt verpasste. »Lass los!«

      Doch der dachte gar nicht daran, dieser Aufforderung Folge zu leisten, sondern versuchte weiterhin, mit seinen maroden Kiefern den Ärmel der Jacke zu durchdringen.

      Gehetzt sah sich Stephan um, dann entdeckte er einen einzelnen Pflasterstein am Straßenrand liegen. Viel Zeit blieb ihm nicht mehr, denn die Kollegen seines »Anhängsels« würden nicht mehr lange auf sich warten lassen.

      Noch einmal trat er nach dem Untoten, doch das Ergebnis blieb dasselbe. Entnervt schleifte Stephan den stinkenden Körper hinter sich her, während er versuchte, den Pflasterstein in seine Reichweite zu bekommen.

      Als er nahe genug heran war, ließ er sich einfach fallen. Der Zombie folgte der Bewegung ohne nennenswerten Widerstand zu leisten, offenbar war ihm alles recht, solange er nur seine Kiefer nicht öffnen musste.

      »Du dumme Sau!«, schrie Stephan ihn an. »Das gibt wieder große blaue Flecken, du Arsch!«

      Gleichzeitig bekam er den Pflasterstein zu fassen und drosch damit auf den Schädel des Untoten ein. Schon beim ersten Schlag knackte der Knochen gänsehauterregend, doch es bedurfte dreier weiterer kräftiger Hiebe, bis der Kopf des Getroffenen vollends aufplatze und sich seine breiige Hirnmasse über Stephans Schulter ergoss.

      »Zum Glück ist das nicht meine Jacke«, erklärte Stephan dem jetzt reglosen Körper, während er sich vollends unter diesem hervorarbeitete. »Andernfalls würde ich mir nämlich noch etwas Hübsches für dich einfallen lassen. Aber ich finde sicher nochmal einen von euch Freaks, der eine stabile Lederjacke anhat, die er jetzt nicht mehr braucht, weil er ohnehin nicht friert. Hast also nochmal Glück gehabt, Schweinebacke.«

      Angewidert zog er die Jacke aus und ließ sie achtlos auf den Boden fallen. Die anderen Zombies hatten ihn inzwischen fast erreicht, es war also höchste Zeit, wieder ein gutes Stück Weg zwischen sich und deren gierige Mäuler zu bringen.

      ***

      Gabi sah den Schmetterlingen nach, die aufstoben und davonflogen. Sie winkte ihnen noch einmal hinterher, dann wandte sie sich lächelnd dem dunklen Mann zu.

      »Hallo«, begrüßte sie die vernarbte Erscheinung. »Es ist schön, dass du mich wieder einmal besuchen kommst.«

      »Hast du denn gar keine Angst mehr vor mir?«

      »Ich weiß nicht.« Gabi zuckte mit den Schultern. »Vielleicht noch ein ganz kleines bisschen.«

      »Du brauchst dich nicht zu fürchten, ich will dir doch nur helfen.«

      »Das haben die Ärzte auch gesagt, dass sie mir helfen wollen.« Gabis Miene verfinsterte sich. »Aber das Gegenteil war der Fall. Sie haben mir wehgetan und mich anschließend sterben lassen.«

      »Du bist nicht tot, Gabi.«

      »Doch, bin ich. Okay, nicht wirklich, ich bin totlebend, das buchstabiert man t-o-t-l-e-b-e-n-d.«

      Der dunkle Mann lächelte, was sein entstelltes Gesicht zu einer Fratze werden ließ, doch das Mädchen lächelte zurück.

      »Ich finde das gar nicht so schlecht«, erklärte Gabi. »Ich bin jetzt viel geschickter als früher, und mein Kopf arbeitet auch viel besser. Ich verstehe auf einmal Dinge, die mir sonst immer unklar waren. Das finde ich schön.«

      »Möchtest du mehr davon? Willst du richtig stark werden und alles tun können, wozu du Lust hast? Nicht nur hier, sondern überall auf der Welt?«

      »Wie meinst du denn das?«

      »Soll ich dich befreien, dir zu einem neuen Leben verhelfen?«

      »Kannst du das denn?«

      »Glaubst du, dass ich es kann?«

      »Ich denke schon.«

      »Dann kann ich es auch. Also, möchtest du?«

      »Ja, das wäre sehr schön.« Gabi nickte eifrig und strahlte dabei.

      Der dunkle Mann nickte ebenfalls, dann begannen seine Hände zu leuchten. Gleichzeitig setzt ein Flüstern und Summen wie von zehntausenden Stimmen ein.

      »Was tust du da?« Gabi sah sich unsicher um. »Wird es wehtun?«

      »Nein, wird es nicht. Es ist gleich vorbei. Nur noch einen kleinen Moment.«

      Das Summen und Flüstern wurde immer lauter, steigerte sich zu einem regelrechten Orkan. Überganglos wurde Gabi von dem dunklen Mann fortgerissen, überschlug sich wild wirbelnd und verlor jegliche Orientierung.

      Dann wachte sie auf.

      Für ein paar Sekunden saß sie einfach nur da, lauschte nach innen und befühlte ihren Körper. Ja, der dunkle Mann hatte nicht gelogen. Ihr Körper war endlich nicht mehr tumb und träge, ihre Gedanken nicht mehr schwer. Der dunkle Mann hatte sie wirklich befreit, und Gabi war ihm unendlich dankbar dafür.

      ***

      »Hey! Hier bin ich!« Stephan brüllte aus Leibeskräften und winkte dabei mit beiden Armen. »Hier drüben, wo die Hand leuchtet!«

      Doch die Masse der Zombies nahm keine Notiz mehr von ihm. Zwar hielten einzelne noch auf ihn zu, aber das waren nur die, die sich sowieso schon in seiner Nähe aufgehalten hatten.

      »Dann halt nicht, ihr blöden Affen.« Stephan reckte seinen Mittelfinger in Richtung des Stroms der Untoten. »Sucht euch euer Fresschen doch alleine. Aber kommt nachher nicht, um euch zu beschweren, wenn ihr nichts gefunden habt.«

      Seine markigen Worte sollten darüber hinwegtäuschen, dass er sich Sorgen darum machte, ob Martins Plan trotzdem noch aufgehen würde. Stephan musste es gelingen, den Junkie – wie er Martin gerne nannte – und die Kinder zu befreien, denn nur gemeinsam hatten sie eine Chance, lebend aus dieser Apokalypse zu entkommen.

      Ein Teil des Planes war es dabei, mit Hilfe der Zombies die Bewacher des Gefängnisses zu überwinden, oder zumindest so viele von Duponts Einsatzkräften


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