Mein Haus, mein Hof, mein Rudel. Gisela Gersch-Gernoth
auf.
Darauf habe ich doch schon so lange gewartet.
Anmerkung: Auf Anraten unserer Tierärztin, die Paula während der Welpenzeit betreut hat, haben wir beschlossen, dass Paula nach der ersten Läufigkeit kastriert werden soll. So geschieht es auch. Paula hat weder Gewichtsprobleme bekommen, noch war eine Wesensveränderung spürbar.
SCHWIMMEN LERNEN
Frau Messner, eine Nachbarin, ruft an. Ob wir Lust hätten, mit zum Hundesee zu kommen? Wie ich erfahre, ist der Hundesee ein Kiesteich östlich von unserem Dorf, gut eine halbe Stunde Autofahrt entfernt.
Frau Messner hat zwei Hunde, Andi und Berti, beide Golden Retriever mit Stammbaum, die schulbuchmäßig aufgezogen werden, denn meine Nachbarin möchte eine Hundezucht aufbauen. Berti ist genau wie Paula acht Monate alt.
Als wir Paula gerade bei uns aufgenommen hatten, kam Frau Messner sofort zu uns mit ihrem Berti, damit die Kleinen miteinander spielen konnten. Sie kugelten sich, lagen unter- und übereinander, tapsten umeinander herum, fielen hin, gnibbelten sich in Schnauze und Ohren. Es bereitete so viel Freude, ihnen zuzuschauen. Frau Messner empfahl mir auch ein anderes Futter als das, welches Paulas Züchter benutzte. Trocken-Premiumfutter für Welpen wäre das beste, meinte sie. Ich befolgte ihren Rat, wusste ja selbst noch nicht alles von den Dingen, die ein Hund so braucht. Wir mussten beide lernen – ich auf meine Art und Paula auf ihre.
Ein Hupen auf der Straße! Ich schnappe das Handtuch und die Leine, Paula steht schon am Gartentor und bellt vor Freude. Im Geländewagen von Frau Messner sitzen die Hunde hinten, vorschriftsmäßig durch ein Gitter vom Fahrgastraum getrennt. Schnell steigen auch wir ins Auto, und schon folgen wir den anderen. Der Kiesteich – so stellt sich heraus – ist ein Paradies für die Vierbeiner und ihre Besitzer, ein Geheimtipp, da er von menschlichen Schwimmern höchstwahrscheinlich wegen der Hunde nicht aufgesucht wird. Das warme Frühsommerwetter hat viele Hundefreunde hergelockt, sodass die Parkmöglichkeiten schon knapp sind. Ein kleiner Fußmarsch, begleitet von unseren tobenden Tieren, schon sind wir am Strand. Ja, so kann man das Fleckchen nennen, eine kleine feinsandige Stelle, umsäumt von Ginster- und Weidenbüschen. Einige Hunde schwimmen auf geworfene Stöckchen zu, einige spielen miteinander, rennen hintereinander her. Sofort werden die drei Neuen gebührend begrüßt und beschnüffelt. Paula wird von einem schwarzen Riesenschnauzer in Beschlag genommen. Doch er will nicht spielen, er will sie besteigen. Paula setzt sich in den Sand. Er ist weiter zudringlich. Paula steht auf, will sich durch Bewegung befreien, doch er lässt sich nicht abschütteln. Sie setzt sich wieder in den Sand. Aber Paula hat keine Chance, denn der Schnauzer steigt immer wieder auf. Plötzlich hat Paulas Friedfertigkeit ein Ende, sie dreht sich um, bleckt die Zähne und verbellt ihn knurrend mit massiver Drohgebärde. So habe ich sie noch nie gesehen. Das soll meine sanftmütige, immer gut gelaunte Paula sein? Aber immerhin – die Geste zeigt Wirkung. Der Schnauzer nimmt Abstand und nach einem kurzen Moment des Zögerns trollt er sich. Ich umarme Paula. »Das hast du gut gemacht, mein tapferes Mädchen.« Sie wedelt und stupst mich an. Ihr Selbstbewusstsein ist wieder etwas größer geworden.
Ich ermutige sie ins Wasser zu gehen – vor Regenpfützen weicht sie ja immer aus, sie mag sich keine nassen Pfoten holen. Für mich eigentlich eine feine Sache, hat mich diese Eigenart doch schon vor manch zusätzlichem Schmutz im Haus bewahrt. Also bleibt sie auch hier erst mal vor dem Wasser stehen und beobachtet die anderen Hunde, wie sie sich schwimmend und planschend bewegen. Doch der Durst verführt zum Kosten. Paula tapst ins Wasser. Nun sind die Vorderpfoten schon mal nass. Mit Stöckchen-Werfen kann ich sie noch nicht überlisten. Daran zeigt sie erst in späteren Jahren Interesse. Ein nasser Hund kommt auf sie zu und schüttelt sich. Es ist Berti, der als Retriever Wasser über alles liebt. Spielend überzeugt er sie, es einmal mit der köstlichen Kühle zu versuchen und – Paula schwimmt! Sie paddelt mit den Vorderläufen, die Schnauze zur Hälfte im Wasser, ein kleines Stück hinaus, dann wieder zurück, kommt an Ufer, schüttelt das Fell aus, springt wieder hinein, wirkt zunehmend stolzer und begeisterter. Noch einmal, noch einmal … Als sie befindet, dass es genug ist, kommt sie zu mir, schüttelt sich und schenkt mir einige Tropfen vom Nass. Danach wälzt sie sich grunzend im Sand und schüttelt sich gleich erneut.
Hier fahren wir jetzt immer hin!
DIE BULT
In Hannover gibt es ein anderes Hundeparadies: das Gelände der alten Pferderennbahn, die Bult. Es ist auch ein Paradies für die Begleiter der Hunde, daher kommen sie vielfach aus dem Umland, denn die Hunde können ungestört frei laufen, toben und spielen. Keiner ist da, der meckert und schimpft. Keiner, der sich aufregt. Keiner ist unbegründet ängstlich … Nur manchmal gibt es jemanden, der seine Hundephobie überwinden möchte, doch der kommt freiwillig. Auch viel später, als wir schon auf unserem Hof leben, besuchen wir, wenn wir in Hannover sind, die Bult, solange es Paulas Gesundheit zulässt. Und natürlich lernen wir das Gelände durch Frau Messmer mit Andi und Berti kennen.
Bevor dieses Spielparadies erreicht wird, verlässt man am Bismarckbahnhof die Hauptstraße und biegt in eine kleine Sackgasse ein, die zu Kleingärten führt. Dort kann man parken. Manchmal muss man aber auch schon an der Hauptstraße den Wagen stehen lassen, denn es ist kein freier Platz zu finden, besonders zur Zeit des Leinenzwangs. Schon beim Einbiegen in diese Sackgasse erhebt sich immer ein Geheul hinter mir im Auto. Die Vorfreude ist so groß! Haben wir dann einen Parkplatz gefunden, lasse ich Paula sofort, ohne sie anzuleinen, aus dem Wagen, denn aus allen Ecken tauchen Hunde mit ihren Chauffeuren auf! Hunde verstehen sich immer bedeutend besser ohne Leine. Auch Reiter auf ihren Pferden kreuzen hier die Wege. Diese sind so souverän, dass sie sofort ihr Pferd wenden und auf den Hund zugehen, falls dieser es gewagt hat, sich an des Pferdes Fersen zu heften. Auf dem Parkplatz lernen wir zunächst die Rückkehrer mit ihren Hunden kennen, dann folgen wir dem Weg durch ein kurzes Waldstück. Hier ist Aufpassen nötig: Radfahrer! Danach öffnet sich der Wald, und wir schauen auf das Gelände der Bult, ursprünglich eine kleine bewachsene Erhebung über dem Wasserspiegel eines Moores. Sie wirkt heute wie eine englische Parklandschaft, zur Hälfte umgeben von Wald, sanft hügelig mit so manchem Kaninchenbau. Sträucher, Baumgruppen und Solitäre, vereinzelt auch Sitzbänke sind hier zu finden, und das ganze Gelände ist mit kleinen und größeren Trampelpfaden durchzogen, die von durcheinander wuselnden Hunden in bunt gemischter Vielfalt in Besitz genommen sind. Sie ziehen mit ihren Besitzern ihre Bahnen rechts oder links herum, in kleinen oder großen Gruppen, zu zweit, zu dritt oder manchmal auch allein. So kommt es zu immer neuen Begegnungen und Begrüßungen. Von großer Anteilnahme bis zu völligem Desinteresse ist alles dabei. Die Hunde wissen sofort, ob ihnen ihr Gegenüber behagt, und mancher Besitzer wechselt nach der Begegnung seine Laufrichtung und sie gehen noch ein Stück gemeinsam, weil die Hunde Gefallen aneinander gefunden haben. Bei diesen Runden erlebe ich, dass Paula bestimmte Hunderassen wie West Highland Terrier (Westis) und Bobtails nicht mag – höchstwahrscheinlich begründet durch die Erfahrungen in unserem Dorf –, dass sie vor Doggen einen mächtigen Respekt hat, Hovawarts schon von Weitem erkennt und mit Münsterländern besonders gerne spielt. Einmal treffen wir auf ein älteres Ehepaar mit einem Golden Retriever, das sich ausführlich nach Paula erkundigt. Ja, sie hätten schon zweimal eine schwarzmarkene Hovawarthündin gehabt – tolle Hunde, aber anstrengend. So hätten sie sich jetzt im Alter für einen Retriever entschieden, der sei doch bedeutend leichter zu handhaben.
Als ich das erste Mal allein mit Paula zur Bult fahre, kommt ein junger Münsterländer in Paulas Alter, zehn Monate, wie aus dem Nichts auf uns zugeschossen, und schon sind die beiden in ein übermütiges Spiel verwickelt, jagen sich gegenseitig, werfen einander auf den Rücken, gnibbeln sich in die Lefzen … Die beiden werden schnell unzertrennbar und der Kleine geht mit uns mit. Kein Besitzer ist weit und breit zu sehen. Das geht eine lange Weile so, dann kommt Herrchen auf dem Fahrrad daher. Er habe gerade seine Gartenlaube repariert, und da Felix schon unruhig wurde, seien sie kurz mal hergekommen, und kaum hätten sie das Gelände erreicht, sei Felix schon weg gewesen. Nun gehen wir gemeinsam die nächste Runde. Felix, der Glückliche, ist durch Paula noch beglückter. Er liebt sie und sie liebt ihn – es ist nicht zu übersehen. Die Zeit vergeht und die Heimfahrt steht bevor. Wir werden zum Parkplatz begleitet, denn