Trilogie des Mordens. Ulrich W. Gaertner

Trilogie des Mordens - Ulrich W. Gaertner


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Hans-Georgs Handy ist ausgeschaltet. Das ist ungewöhnlich. Wieder spürt sie die Angst in sich hochsteigen. In den vergangenen zwei Wochen wirkte er oft gereizt, ohne einen erkennbaren Grund. Wahrscheinlich ist er doch noch in Berlin aufgehalten worden. Vielleicht hat er mit seinen Mitarbeitern einen Kudamm-Bummel gemacht oder ist mit ihnen „Unter den Linden“ versackt. Grund zum Feiern gab es ja.

      Ja, so wird es sein. Das ist zwar nicht unbedingt seine Art, aber bei einem so großen Auftrag schon mal möglich. Er wird in Berlin übernachten. Die Firma hat immer ein Platzkontingent im „Plaza“ zur Verfügung. Morgen früh rufe ich dort an. Dann wird Hansi ausgeschlafen sein und froh und glücklich nach Hause kommen. Aufgeräumt schaltet sie das Handy ab. In der Küche trinkt sie ein Glas Mineralwasser. Kühl sprudelnd vertreibt es die Trockenheit in ihrem Mund.

      Auf dem Weg ins obere Stockwerk horcht sie an Timms Tür. Alles ist ruhig. Bevor sie sich endgültig zum Schlafen hinlegt, hängt sie übertrieben sorgfältig ihren Hausmantel auf, bürstet ihr fülliges, dunkelbraunes Haar und klopft das aufgewühlte Bett zu Recht.

      Nach letztem Blick auf die Uhr rollt sie sich auf die Seite. Suchend streicht ihre Hand über das leere Kopfkissen.

      „Komm’ bitte wieder nach Hause, mein Hansi, lass mich nicht allein“, flüstert sie leise. Die beruhigenden Geräusche des plätschernden Flusses, die durch das gekippte Fenster hereindringen, lassen sie schnell einschlafen.

      Im Erste Klasse Abteil des leeren Waggons 28 des ICE haben die weiß gekleideten Männer der Spurensicherung alle Hände voll zu tun. Die Leiche des unbekannten Mannes, bekleidet mit einem teuren, dunklen Anzug, liegt nun in Rückenlage auf einer ausgebreiteten Plane, direkt unter dem hellen Licht einer hohen Halogenlampe des Bahnsteigs. Rund 20 Meter entfernt parkt der dunkle Mercedes-Kombi der Bestatter Firma. Die Träger warten im Auto auf einen Wink von Kriminalhauptkommissar Kluge. Der steht mit beiden Kollegen vor dem Toten. In den weißen Schutzanzügen ähneln die drei übergroßen Schmetterlingsraupen in ihren Kokons. Der junge Notarzt des Rettungsdienstes richtet sich gerade wieder auf.

      „Ich heiße Kluge“, sagt der Kriminalhauptkommissar.

      „Carstensen, Dr. Carstensen“, antwortet der Mediziner.

      „Sind Sie neu?“, fragt Kluge

      „Ich bin schon einige Zeit dabei.“

      „Aber ich habe noch nie was von Ihnen gehört.“

      Carstensens Gesicht verfärbt sich im Licht der Bahnhofslampe.

      „Ich von Ihnen auch noch nichts. Und außerdem arbeite ich meistens nachts.“

      „Na gut, meinetwegen. Was ist mit dem Toten hier?“

      „Ach ja. Erstens: Der Mann ist eindeutig tot. Zweitens: Zur Todesursache noch nichts Genaues. Der Mann hat sich vermutlich kurz vor seinem Tod erbrochen. Äußerliche Verletzungen sind zumindest jetzt nicht zu erkennen.“

      „Das sind ja überzeugende Erklärungen. Könnten von mir stammen.“

      Die Ironie in der Stimme des Ermittlers ist nicht zu überhören. Die beiden Kollegen blicken erwartungsvoll. Sie kennen Kluge.

      „Also natürlicher Tod, oder auch eine Vorerkrankung als Todesursache, Doktor?

      Kluge blickt den Mediziner forschend an.

      „Das ist durchaus möglich. Auch mit einem Angina-Pectoris-Anfall kann Erbrechen einhergehen. Aber ich denke, Sie sollten eine Leichenöffnung veranlassen. Das habe ich auch in den Totenschein geschrieben.“

      „Wann war die Todeszeit?“

      „Ungefähr vor zwei bis drei Stunden“ „Genauer geht’s nicht, Doktor?“

      „Da müssen Sie wohl die Obduktion abwarten, Herr Hauptkommissar. Sind Sie doch, oder?“

      Kluges Ermittler müssen grinsen. Das macht ja richtig Freude zuzuhören.

      „Ist Ihnen sonst noch etwas an der Leiche aufgefallen, Doktor?“

      Der Mediziner überlegt und blickt Kluge verdutzt an.

      „Wenn Sie mich so fragen, Herr Hauptkommissar. Da war etwas Auffälliges. Fast hätte ich es vergessen. Als ich im Abteil bei der Leiche war, glaubte ich einen ganz leichten Geruch nach Mandeln wahrzunehmen. Aber das war sofort wieder vorbei.“

      „Nach Mandeln? Meinen Sie etwa Bittermandelgeruch?“ Kluge spannt sich deutlich.

      „Mein Kollege hat von einer auffälligen Hautverfärbung im Gesicht des Toten berichtet. Rosarot. Ich hatte es der Bauchlage zugeschrieben. Aber es könnte vielleicht eine andere Bedeutung haben.“

      Die beiden Männer, der jüngere Mediziner und der ältere Kriminalist, schauen sich an. Jetzt sind sie auf Augenhöhe. Jetzt zählen nur noch die Fakten.

      „Lassen Sie uns noch einmal genau das Gesicht betrachten, Doktor. Es ist möglich, dass das Kunst licht hier die Hautfarbe beeinflusst.“

      Dr. Carstensen beugt sich konzentriert über den Oberkörper des Toten. Aus seiner Tasche zieht er eine kleine Maglite Taschenlampe. Der helle Lichtstrahl gleitet langsam über Wangen und Stirn des Toten. Nun erkennen Kluge und seine Kollegen sehr deutlich: Die Gesichtshaut des Mannes weist einen rosaroten Farbton auf, der sich zum Halsbereich erweitert, als der Arzt die Krawatte lockert und den Kragen öffnet.

      „Ziemlich eindeutig.“ Der Mediziner lässt die kleine Lampe verschwinden.

      „Was meinen Sie damit, Doktor? Passt es zu Ihrer Vermutung mit dem Geruch?

      „Vermutlich ja. Nach den jetzigen Feststellungen kann ich sagen, dass der Mann vermutlich vergiftet wurde. Durch Blausäure. Wie, weiß ich nicht – ich meine, wie das Gift in seinen Körper gelangt sein könnte. Das müssen Sie herausfinden.“

      Die drei Kriminalisten blicken sich eine Weile sprachlos an.

      „Auf jeden Fall ist Blausäure ein äußerst wirksames und absolut schnell tötendes Gift. Man kann es oral verabreichen, aber auch durch Inhalation der freiwerdenden Cyan-Dämpfe.“

      Die Ermittler staunen.

      „Donnerwetter, Doktor, woher …?“

      „Ja, Herr Kluge, ich hatte während meiner AIP-Zeit im Krankenhaus die Möglichkeit, mit einem Pathologen zusammen zu arbeiten, der eine Koryphäe in Toxikologie war. Von dem habe ich viel gelernt. Aber nun sind Sie mit Lernen dran, Herr Kommissar.“

      Der Arzt blickt zufrieden lächelnd auf die Uhr; fast zeitgleich beginnt sein Rufmelder zu summen.

      „Also, tschüss die Herren Kriminalisten. Die Arbeit ruft. Ich stelle Ihnen einen neuen Totenschein mit der wahrscheinlichen Todesursache aus: Tod durch Intoxikation, vermutlich einer Cyanid Verbindung.“

      Mit eiligen Schritten verschwindet der weiß Gekleidete in Richtung Bahnhofsgebäude und lässt drei ratlose Kriminalisten zurück.

      „Den Schein können Sie heute Vormittag im Städtischen abholen lassen“, hallt es über den leeren Bahnsteig.

      „Na, das ist ein tolles Ding, Bernhard, was?“

      Jürgen Bauer blickt nachdenklich auf die Leiche des Mannes, dem die Aussage des Mediziners gilt. Was mag dem grausamen Tod vorangegangen sein?

      „Dann war es doch richtig, dass wir dich aus dem Bett geholt haben!“

      Bauer grinst ironisch.

      „Mord oder Selbstmord, das ist hier die Frage, die uns auch heute noch der Staatsanwalt stellen wird. Aber erst mal muss jetzt die Leiche weg, danach sehen wir uns nochmal den Fundort an, okay?“

      Kluge reibt sich unruhig die Nase.

      „Außerdem ist mir noch etwas aufgefallen, Kollegen.“

      „Ich glaube, ich habe diesen Mann schon mal irgendwo gesehen. Vor längerer Zeit. Aber mir fällt im Moment nicht ein, wo.“

      Der zweite Beamte, Torsten


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