Trilogie des Mordens. Ulrich W. Gaertner

Trilogie des Mordens - Ulrich W. Gaertner


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aber vom Flur dringen kaum Geräusche herein. Die vier noch anwesenden KollegenInnen haben mit laufenden Ermittlungen zu tun. Kluge fährt sich durch das lichter gewordene Haar, das schon begonnen hat, an den Seiten grau zu werden. Vor ihm, auf dem Schreibtisch, liegt die Eiltmeldung , die er immer wieder zur Hand nimmt. Was steckt hinter dem Tod des noch unbekannten Mannes? Die Spurensicherer haben im Abteil zwar eine teure, lederne Akten-Reisetasche gefunden, darin aber keinerlei Hinweis auf den Besitzer. Die Unterlagen, Prospekte, Vertragsvordrucke ließen bei einer ersten Durchsicht den Hinweis auf eine Tätigkeit im pharmazeutischen Bereich zu. Von draußen sind Schritte zu hören. Kluge schreckt hoch.

      „Bist du etwa müde, Chef? Der Tag hat doch gerade erst angefangen.“

      Sein jüngerer Vertreter wedelt mit einem Blatt Papier.

      „Du hast gut reden, Winfred. Mir fehlen ein paar Stunden Schlaf. Aber das kennst du ja. Unsere letzte Moko liegt nicht allzu lange zurück. Der Russe, der das Fliegen lernen sollte, aus dem zehnten Stock, weißt du noch?“

      „Natürlich, erinner’ mich bloß nicht daran. Das war eine Katastrophe mit den abgefüllten Typen, die nicht mal mehr piep sagen konnten ohne zu kotzen. Ekelhaft.“

      „Setz’ dich Winfred. Apropos Staatsanwalt. Ich habe gerade mein Gespräch mit ihm beendet. Die Staatsanwaltschaft Hamburg wird den Vorgang übernehmen. So, wie er ist.“

      Kluge macht eine Pause und beobachtet seinen Kollegen und Freund. Scharnhorst blickt überrascht.

      „Juche! Gott sei’s gedankt“, ruft er frohlockend.

      „Ich weiß auch noch nicht genau, ob das für uns gut oder schlecht ist.“

      „Was meinst du damit?“

      „Ich bin einerseits natürlich heilfroh, dass wir nicht schon wieder eine Moko haben. Aber ich würde ich zu gern wissen, was hinter dem Tod des ICE-Reisenden steckt. Suizid oder doch Mord? So einen Giftmord hatten wir noch nie.“

      „Hier, vielleicht hilft uns das weiter. Lies mal.“

      Scharnhorst reicht seinem Kollegen einen Ausriss der „Bild“ vom Samstag.

      Kluge rückt die Schreibtischleuchte näher heran.

      „Tränengas-Anschlag auf ICE 1403.“

      „Moment mal.“

      Er legt den Ausschnitt zur Seite und greift nach dem Fernschreiben.

      „Das kannst du dir sparen, Bernhard. Es ist unser Zug.“

      Kluge lehnt sich nachdenklich zurück.

      „Du vermutest richtig, Bernhard.“

      „Auf ‚unseren‘ Zug ist ein Anschlag mit Gas, offensichtlich Tränengas, verübt worden. Das war auch der Grund für die Verspätung in Lüneburg.“

      „Aber warum? Gibt es da einen Zusammenhang mit unserem Toten?“

      „Erinnere dich an die Aussage des Gerichtsmediziners, Todeseintritt nach wenigen Sekunden.“

      Bernhard Kluge greift den Faden auf.

      „Und nach Aussage das Zugführers kam die Zugbegleiterin gleich hinter Hamburg zu ihm gerannt und berichtete ihm vom Leichenfund in der Ersten Klasse.“

      Beide Ermittler schweigen nachdenklich.

      „Es könnte sein, dass der Gasanschlag gezielt durchgeführt wurde, um den Zug nicht abfahren zu lassen. Hypothetisch könnte der Täter in dieser Zeit zugeschlagen und in dem Durcheinander den Zug verlassen haben.“

      Kluge reibt sich die Nase.

      „Das könnte erklären“, fährt sein Kollege fort, „warum die Gerichtsmediziner an der Leiche keine Spuren finden konnten.“

      Kluge nickt.

      „Um den Faden zu Ende zu spinnen: Es könnte so gewesen sein, dass sich Täter und Opfer kannten. Der Täter wusste, wo sein Opfer im Zug sitzt und hat den Angriff genau in dem Moment ausgeführt, als es auf dem Bahnsteig Tumult gab.“

      „Richtig!“

      Hauptkommissar Scharnhorst hält es nicht mehr auf seinem Stuhl. Er fixiert seinen Vorgesetzten.

      „Und dann hat der Täter die Cyan-Ampulle im Abteil zertreten.“

      „Danach brauchte er nur noch für eine halbe Minute die Tür fest zu halten und zusehen, wie sein Opfer jämmerlich krepiert.“

      Auf Scharnhorsts Stirn erscheinen Falten.

      „Aber der Abschiedsbrief? Was ist damit?“

      „Ich glaube, dass der Täter gut ausgerüstet war und vielleicht mit einer Maske geschützt das Abteil betreten, den Abschiedsbrief deponiert und seinem Opfer alles weggenommen hat, das zu einer schnellen Identifizierung hätte führen können.“ Überzeugt blickt er seinen Vertreter an.

      „Ja, so könnte es gewesen sein. Nur der Abschiedsbrief stört mich.“

      Scharnhorst wirkt skeptisch.

      „Du meinst, weil der offensichtlich auf einem PC geschrieben wurde?“

      „Richtig. Das ist auf jeden Fall ungewöhnlich. Üblich sind eher handgeschriebene Abschiedsbriefe.“

      Kluge blickt nachdenklich.

      „Wir werden den Brief sehr sorgfältig auf Fingerabdrücke untersuchen lassen. Dann sehen wir weiter. Wenn das Schreiben von dem Toten stammt, müssten auf dem Papier Fingerabdrücke von diesem zu finden sein. Wir hatten doch vor der Obduktion noch Vergleichsabdrücke genommen?“

      „Natürlich, ist doch Routine.“

      Vor Kluges Tür wird es laut. Die restlichen Kollegen, Jens Ehlers, Mike Gebert, Polizeioberkommissar Schneider und Kriminalhauptkommissarin Frauke Malz, für Vermissten Listen zuständig, treten ein.

      „Donnerwetter, Bernhard, was ist denn bei euch los? Ich hab’ schon geglaubt, ihr kriegt euch in die Plünnen.“

      Das ist Kriminalhauptkommissar Ehlers in seiner bodenständigen Art. Alle lachen.

      „Nun setzt euch schon. Ich wollte euch eh’ gerade rufen, weil es etwas Neues gibt.“

      Neugier macht sich breit.

      „Also das Gute zuerst: Wir werden die Ermittlungen ans LKA Hamburg abgeben. So besprochen heute Abend mit dem Abteilungsleiter I bei unserer Staatsanwaltschaft und der Hamburger Staatsanwaltschaft.“

      Kluge blickt gespannt in die Runde, aber die erwartete Erleichterung bleibt aus.

      „Nanu? Habe ich etwa was Falsches gesagt?“ grinst Kluge. „Also gut, ihr ahnt natürlich, dass da noch mehr ist. Wie immer.“

      „Mach’s nicht noch spannender, Bernhard. Wahrscheinlich kennst du den Mörder schon.“

      Das war wieder Mike. Verdammt gute Intuition, die Kollegen.

      „Winfred und ich haben unsere Hausaufgaben gemacht. Nach dieser Meldung aus der ‚Bild‘ dürfte unser Unbekannter in seinem Erste-Klasse-Abteil noch auf dem Hamburger Hauptbahnhof umgebracht und auch beraubt worden sein. Die ‚Bild‘ berichtet aber nur von dem Tränengas-Anschlag. Das andere wissen die noch nicht.“

      „Hier, seht mal die Überschrift.“

      Kluge reicht die halbe Zeitungsseite herum.

      „Obwohl wir den Vorgang abgeben, sollten wir so schnell wie möglich unseren Erkennungsdienst noch mal in Waggon 28 schicken. Vielleicht finden die Kollegen auf dem Fußbodenbelag Spuren, die uns bisher entgangen sind.“

      Kluge blickt die unruhigen Kollegen an.

      „Ich weiß, ich weiß, wo gehobelt wird, da fallen Späne. Aber wir wussten heute Morgen nicht, wonach wir suchen sollten. Also Jens, stell’ bitte bei der Bundespolizei fest, wo der Waggon steht, und schnapp’ dir die Kollegen vom Erkennungsdienst. Es wäre super, wenn


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