Lust und Liebe dann kam das Leben. Peter Nimsch

Lust und Liebe dann kam das Leben - Peter Nimsch


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      Claudis Tränen kullerten nur so aus ihren großen Augen. Ich nahm ein Taschentuch und tupfte sanft die Tränen aus ihrem Gesicht. ›Eigentlich ein scheiß Leben, was Claudi da hinter sich hatte, einfach schrecklich kompliziert‹, und mit immer größer werdender Sehnsucht, sie zu trösten, nahm ich sie noch enger in meinen Arm.

      »Nach monatelangen inneren Kämpfen beschloss ich, mich zu meinen Neigungen zu bekennen und mein künftiges Leben nicht mehr als Mann zu führen, der ständig zwischen zwei Welten wechselte, ich wollte endgültig nur noch Frau sein. Mit Gelegenheitsjobs in Kneipen und Bars, hier war man öfter mit ähnlichen Schicksalen zusammen. Schwule, Lesben oder Transen arbeiten hier gern, da sich die Leute hier am wenigsten daran störten. Eisern begann ich für mein nächstes Ziel zu sparen. Wenn ich mich schon outete, wollte ich zumindest als erstes wunderschöne Brüste haben, einfach erst mal mit dem einfachsten Umbau anfangen …«

      Das erste flüchtige Grinsen nach langer Zeit flog wieder über Claudis Gesicht. Noch mit den letzten Tränen kämpfend, lächelte mich Claudi an und führte meine Hand langsam zu ihrer Brust.

      »Sind doch gut gelungen, oder?«

      Das konnten meine Hand und ich in diesem Moment mehr als bestätigen, hatten wir uns doch bis vor Kurzem an diesem Busen erfreuen können.

      »Aber es hatte leider verheerende Folgen. Es wurde ganz schlimm für mich und ich war schon einiges gewöhnt! Meine Universitätsstadt war nicht groß genug, dass ich ein ungestörtes neues Leben beginnen konnte. Ständig wurde ich beobachtet, mit blöden Blicken verfolgt und ganz oft ausgegrenzt. Ich musste schnellstens weg, wenn ich nicht ganz kaputt gehen wollte. Ich lebte vollkommen isoliert, stürzte oft in Depressionen, sah keinen Sinn mehr.«

      Wieder begann ich Claudi tröstend über den Rücken zu streicheln.

      »Die Rettung kam von einem meiner wenigen richtigen Studienfreunde. Er konnte es einfach nicht mit ansehen, wie ich fast stündlich mehr verkümmerte. Du musst in die Anonymität einer Großstadt, riet er mir immer öfter.

      Aber wohin? Berlin erschien mir damals einfach zu groß und so entschied ich mich für Leipzig. Leipzig war genau das Richtige für mich, stellte ich nach meinem Umzug fest. Eine relativ kleine Großstadt im Vergleich zu Berlin, aber groß genug, dass schräge Vögel wie ich darin ungestört und anonym leben konnten.«

      Leicht streichelte meine Hand immer wieder über Claudis Rücken, wenn sie ins Stocken geriet, um ihr Mut zum Weiterreden zu geben.

      »Schnell hatte ich in Leipzig meine sicheren Orte gefunden, wo sich solche Paradiesvögel wie ich ungestört und ohne blöde Anmache bewegen konnten. Ich stürzte mich mit neuem Lebensmut in die Subkultur, in die Welt der Schwulen, Lesben, Transen und aller Spielarten, die das Leben so zu bieten hatte. Aber richtig glücklich wurde ich auch hier nicht, musste ich enttäuscht nach einiger Zeit feststellen, oft ging es nur um eine schnelle Nummer oder wenn es sexuell passte, gefiel mir der dazu gehörige Mensch mit seinem Charakter nicht. Ich wollte einfach einen festen Partner, an große Liebe wagte ich fast nicht zu denken, obwohl es, wie eigentlich für fast alle, mein größter Wunsch ist.«

      »Komm, ich hol uns noch einen Drink«, flüsterte ich in Claudis Ohr, als meine Augen schon wieder kleine Tränen in ihren glitzern sahen.

      »Alles wird gut, Claudi«, flüsterte ich so tröstend wie möglich, setzte mich wieder neben sie und zog sie ganz fest an mich.

      »… aber irgendwann erwischte sogar mich ein bissel Glück. In meiner damaligen Lieblingsbar lernte ich Ronny und Clair kennen. Sie tingelten mehr oder weniger erfolgreich mit ihrer eigenen Travestie-Show durch Deutschland und manchmal auch durch Europa. Sie suchten verzweifelt nach einem Ersatz in ihrem bisherigen Trio, da sich ihr dritter Mann bei einer Tournee in Spanien Hals über Kopf verliebt hatte und unbedingt dort bleiben wollte. Da meine Geldsorgen immer größer wurden und es in meinen damaligen Überlegungen Richtung Zukunft einfach nicht so richtig weitergehen wollte, sagte ich spontan zu. Ich entdeckte viele bisher verborgene Talente in mir, brachte viel von meiner Kreativität mit ein und nach drei Jahren waren wir eine der gefragtesten Travestie-Shows, nicht nur in Deutschland. Endlich hatte ich einen Platz in meinem bisher sehr wirren Leben gefunden.«

      Bewundernd starrte ich sie an. Jetzt wusste ich auf einmal, warum mir Claudi schon die ganze Zeit irgendwie bekannt vorkam. Sie hatte mich vor langer Zeit einmal von einem Plakat für eine Travestieshow angelacht. Mir war dieses tolle Bild im Gedächtnis geblieben, auch wenn ich zum damaligen Zeitpunkt, nach dem Lesen von ›Travestieshow‹ kein Interesse mehr hatte, sie näher kennenzulernen oder die Show zu besuchen.

      In ihrem Gesicht konnte ich die Freude über das Erreichte sehen. Ganz spontan gab ich ihr einen kurzen Kuss. Auf einmal spürte ich, dass es mir vollkommen egal geworden war, was für eine Spielart der sexuellen Vielfalt dieser Welt hier neben mir saß. Ich hielt einen sehr oft verletzten Menschen im Arm, der genau so wie ich schon viele Höhen und noch mehr Tiefen im Leben durchgemacht hatte. Ein Mensch, der auch nur ganz simple und einfache Wünsche hatte, genau wie ich.

      »Es ist schon ganz schön verrückt, unsere Shows sind fast immer seit Wochen ausverkauft, aber im normalen Leben werden wir oft wie Außerirdische angestarrt, die eigentlich nur zur Unterhaltung vieler Kleingeister auf oder hinter der Bühne leben sollten. Ganz schön traurig …, … aber man kann verdammt gut davon leben«, fügte Claudi hinzu und lächelte mich nach langer Zeit wieder glücklich an.

      Das hatte ich schon beim Betreten ihres Himmelreiches feststellen können und jetzt sah ich in dem mittlerweile sonnendurchfluteten, riesigen Zimmer diese verrückte, kreative und geschmackvolle, manchmal etwas schrille Einrichtung. Die große, runde Spielwiese stand unmittelbar vor den überdimensionalen Fenstern im hinteren Teil des Zimmers. An den Wänden hingen gewaltige, äußerst einzigartige erotische Bilder aus allen Epochen. Dicke Teppiche und natürlich ein riesiger alter Kamin vervollständigten diesen traumhaften Anblick. Aber der schrägste Höhepunkt war ein großer Whirlpool, der sich, elegant eingefügt, mitten im Zimmer befand. Die Teppiche ringsherum schlossen direkt am Rand des Pools ab, da dieser in den Boden eingelassen war. Goldene Schwanenhälse, aus deren geöffneten Schnäbeln bestimmt das Wasser floss, vervollständigten diese fast surreale Poolerscheinung. Umgeben von großen Ficus Bäumen sah er sehr einladend aus.

      Claudi hatte bemerkt, dass mein verzückter Blick sich nicht mehr von diesem Bild lösen konnte. Langsam stand sie auf, fasste zärtlich meine Hand und flüsterte lächelnd mit ihrer mittlerweile wieder zurückgekehrten rauen, erotischen Stimme »Komm, lass uns ein Bad nehmen.«

      Nackt, wie wir ja immer noch waren, versuchte sie mich sanft zum Pool zu ziehen. Mein Blick wanderte über diesen hocherotischen Körper, mit den so verlockenden Brüsten, die mir einladend entgegen lachten. Nur als meine Blicke weiter nach unten glitten, war da eben noch etwas, was einfach für mich nicht dahin gehörte. ›Ein Prachtschwanz!‹, musste ich nicht ohne Neid feststellen. Schon wieder leicht angeschwollen baumelte er halb aufgerichtet vor Claudis Schenkeln.

      »Ich kann … so etwas … nicht …«, versuchte ich mich zwischen einer auch in mir langsam und völlig unerwartet aufsteigenden Lust, aber auch mit Angst, was da kommen könnte, stockend zu entschuldigen.

      »Komm, ich zeig’s dir …« kam es zärtlich zurück und Claudi schritt Richtung Pool, drehte an den goldenen Wasserhähnen und aus den Schwanenschnäbeln schoss natürlich das Wasser …

      Immer wieder wanderte mein Blick abwechselnd über diese einladenden, fraulichen Superformen und den nicht mehr zu übersehenden steil aufgerichteten Prachtschwanz.

      »… alles ist irgendwann das erste Mal …«, hauchte Claudi, stellte sich vor mich und zog meinen Kopf langsam in die Richtung von ihrem und schaute mir dabei liebevoll in die Augen.«

      »… hab keine Angst«, sprach sie weiter, »du bist einer der wenigen, die meine ganze Geschichte kennen und du warst so mitfühlend eben, wie ich es lange nicht erlebt habe. Genauso einen Partner wie dich stelle ich mir in meinen einsamen Stunden vor. Leider bist du nicht aus meiner Welt …, aber ich scheine dir ja trotzdem zu gefallen«, flüsterte sie zärtlich und grinste dazu leicht spöttisch. Ihre Hand glitt über meinen


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