Lust und Liebe dann kam das Leben. Peter Nimsch
dass ich lieber sofort mal schnell nach Leipzig fahren sollte, um Simone von ihrem Vorhaben abzuhalten. Aber Pam war auf einmal nicht mehr die Baywatch Nixe, sondern eine kreischende Sirene. Pams schrille, fast überschnappende Stimme brachte alles in der Wohnung zum Klingen. ›Wenn du jetzt wegen dieser Schnalle nach Leipzig fährst, drehe ich durch …, du hast sogar einmal gesagt, du willst dich trennen …, du Scheißkerl …‹ und ähnlich liebevolle Sachen versuchte ich in diesem Moment zu verarbeiten. Aber ich musste nach Leipzig, machte mir auf einmal ernsthaft Sorgen. Simone hatte, auch aus viel banaleren Anlässen heraus, und ohne dass eine andere Frau im Spiel war, immer mal wieder ihre Selbstmordgedanken geäußert. Mich von der kreischenden Pam losreißend rannte ich schnell zu meinem Auto.«
»Der gelbe Wartburg, den nur noch der Rost zusammenhielt, ha … haaa, sehe die Rostlaube noch vor mir.«
»Ja, genau der. Aber er fuhr wenigstens für damalige Verhältnisse sehr schnell. Was mich in Leipzig erwartete, übertraf all meine Ahnungen, die mich während der gesamten Fahrt plagten. Simone saß halbnackt in der Mitte unseres Zimmers und aus ihrer linken Armbeuge ragte eine Spritze. Schnell rannte ich zu ihr und meine Beine waren auf einmal wie Gummi, Simone machte ernst! Die Spritze war mit Luft gefüllt und steckte in der Armbeuge in einer Vene …«
»… die wusste wie’s geht, war Simone nicht irgendwie im Altenpflegebereich unterwegs?«
»Ja und deshalb hatten wir auch eines der wenigen Telefone im Osten, was ich nach zwei Stunden trösten und gutem Zureden mit Schrecken feststellen musste!«
»Wieso?« Freds Augen wurden immer größer und auch sein ›… ha, … haaa‹ war nicht zu vernehmen.
»Als ich Simone nach zwei Stunden endlich soweit beruhigt hatte, dass ich ihr die Spritze entfernen konnte und sie zur weiteren Beruhigung streichelnd im Arm hielt, schrillte dieses besagte Telefon endlos. Schon beim Abheben hörte ich das laute Schluchzen, und als der Hörer mein Ohr erreichte, erstarrte ich schon wieder an diesem Tag. Es war Pam. ›… schluchzzz …, mein Paaauul …, schluchzzz …, ich bin heute sogar das erste Mal in meinem Leben ungeschminkt auf die Straße gegangen … schluchzzz …, stehe hier vor allen Leuten in einer Telefonzelle schluchzzz …, wenn du nicht sofort zu mir zurück kommst, springe ich vom Balkon …‹ Mit einem nochmals verstärkten ›schluchzzzz‹ und einem ohrenbetäubenden Knall landete der Telefonhörer in Berlin auf der Hörergabel, die diesen Kraftakt bestimmt nicht überlebt hat.«
»… und wo wohnte deine Pam, hoffentlich im Erdgeschoss, … ha, … haaa.«
»… in der 11. Etage eines Plattenbaus!«
Freds Unterkiefer klappte nach unten.
»Mit tausend Versicherungen, dass ich sofort wieder zurückkomme, wenn ich Pam beruhigt hätte, düste ich zurück nach Berlin. Zum Glück waren damals die Straßen noch leerer als heute.«
»Stimmt, war viel einfacher zu fahren, wenn auch viel holpriger … ha, haaa.«
»Pass auf Fred, kaum hatte ich Pam soweit beruhigt, dass sie von ihrem Sprung vom Balkon abgelenkt war, klingelt es wieder Sturm an ihrer Wohnungstür.«
»Dreimal darf ich raten …, Telegramm?!« kam es sehr mitfühlend von Fred.
»Ja, und ungefähr mit diesem Inhalt:«
›Paul, wo bleibst du? Betrügst du mich schon wieder? Ich mache ernst, wenn du nicht sofort hier bist!!!‹
»Dachte Simone, du kannst fliegen? Eine Fahrt von Leipzig nach Berlin dauerte doch damals fast drei Stunden.«
»… wusste damals auch nicht, wie sie sich das so vorstellte. Jedenfalls wiederholte sich dieser Psychoterror noch einmal an diesem Tag. Kam mir vor wie bei Hase und Igel. Ich sah aus, wie mein eigener Leichnam. Der krönende Abschluss war, dass mich auf der letzten Fahrt nach Berlin die Bullen anhielten. Sie hielten mich für einen vermeintlichen Republikflüchtling, als sie mich aufgeregt und schweißüberströmt hinter dem Lenkrad erblicken. Etwas Gutes hatte diese Sache aber auch, konnte wenigstens in meiner Zelle während der zweitätigen Verhöre etwas schlafen.«
»Wie ging die Geschichte aus, ist ja kaum zu glauben, Paul?«
»Sie leben beide noch, zum Glück. Als sich ihre Verzweiflung etwas gelegt hatte, haben mich beide fast gleichzeitig vor die Tür gesetzt. Glücklicherweise ist es ja meistens so, wer laut mit Selbstmord droht, verwendet es nur als Erpressung, macht es aber nicht. Wenn ich damals schon gewusst hätte, wie wahr dieser oft zitierte Satz sein sollte, wäre mein späteres Leben garantiert anders verlaufen. Von Simone werde ich immer ein Andenken besitzen« und ich zeigte auf meine Narbe an der Stirn.
»… das ist von Simone, habe die Narbe schon oft gesehen, dachte immer es wäre ein kleiner Unfall, bist ja nicht der Geschickteste … ha, … haaa.«
»Als ich nach meiner Entlassung mein Zimmer bei Simone betrat, ging der Albtraum weiter. Alle meine Möbel, Klamotten und sonstigen Gegenstände waren in der Mitte des Zimmers wie zu einem Scheiterhaufen gestapelt. Auf die Spitze des Haufens hatte sie einen Besen gesteckt und ihn mit dem von ihr so gehassten roten Kleid versehen, welches sie, vermutlich wutentbrannt, noch mit einer Schere verschönert hatte.
Dieses Kleid war natürlich ein Geschenk von mir gewesen. Sie hatte es nie getragen, mit der Begründung, solch sexy Fummel nicht zu brauchen. Kaum saß ich auf dem Scheiterhaufen, eine andere Möglichkeit war in dem Zimmer ja nicht mehr zu finden, wurde die Tür aufgerissen.
›Habe etwas vergessen … duuu Drecksack …‹, schrie Simone und der große schwere Kuchenteller meiner Großmutter schoss wie ein Ufo direkt an meine Stirn.«
»Einfach unglaublich deine Story, soll mir eine Warnung sein, es auch mit zwei Frauen auf einmal treiben zu wollen … ha, … haaa.«
»Immer wenn ich es erzähle, schütteln alle nur mit dem Kopf. Ist aber wirklich passiert dieser Albtraum. Hinterher hatte ich noch jahrelang Magenschmerzen.«
»Richtig so … ha, … haaa, … haaaa! Muss jetzt aber los, meine Reha-Fahrgäste wollen zu ihrer Wassergymnastik.«
»Muss auch los Fred, will in mein neues Büro, alles für den Ernstfall vorbereiten. Lass deine Fahrgäste nicht warten, ich bezahl für dich mit. Habe von Claudi einen Vorschuss für ihre gewünschten Arbeiten bekommen.«
»Bis bald mal, Paul.«
»Is ja nisch zu glauben, was du so gedrieben hast, mei Paul« kam es auf einmal von Claus.
Erst jetzt bemerkte ich, dass das kleine Café recht leer geworden war und Claus hinterm Tresen bestimmt viel von meiner Erzählung mitbekommen hatte.
»Da häd ich dir damals lieber Gamillendee bringen sollen und geen Bier«, grinste Claus.
»Ja, wär vielleicht besser gewesen, aber jetzt kommen hoffentlich wieder bessere Zeiten, tschüss Claus.«
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