Lust und Liebe dann kam das Leben. Peter Nimsch
verbesserte sich Claudi lachend. »Manchmal sind es sogar Pärchen, die sich bei mir die Seele auskotzen. Die verschiedensten und verrücktesten Beziehungsmodelle wurden mir schon serviert. Eines der am meisten zitierten Modelle ist, wir bleiben wegen der Kinder zusammen. Könnte manchmal fast losschreien, wenn ich mir vorstelle, wie viele Verletzungen und Kompromisse der jeweilige Partner oder auch beide Partner gleichzeitig aushalten müssen. Nur damit dieses Modell einer Beziehung funktioniert. Von den Kindern ganz zu schweigen.«
Nur für mich ergänzte ich schnell die Wunschliste für meine ideale Partnerin um den Punkt, sich auf keinen Fall zu verbiegen und so zu bleiben, wie man ist. Sex, Aussehen und Intellekt waren ja schon vorhanden in meiner Übersicht. ›Wird ja immer schwieriger…‹, schoss es mir durch den Kopf.
»An zweiter Stelle ist eigentlich immer das Modell, ich bin zufrieden mit dem, was ich habe, die Wünsche für die ideale Beziehung werden einfach etwas zurückgeschraubt. Bei dieser Form reden die Partner meistens noch miteinander. Am schlimmsten ist es bei Paaren, die einfach so nebeneinander her leben und sich das, was sie in der jeweiligen Beziehung vermissen, in Affären oder sonst wo holen. Ich könnte dann immer den jeweiligen Mann oder die Frau oder auch das Paar gemeinsam nehmen und sie kräftig schütteln, bis sie wach werden. Meine klaren Worte nach ihren Beichten sind oft ein Schock für meine jeweiligen Patienten. Ihr lebt nur einmal, rate ich ihnen dann immer. Lebt so zusammen, dass jeder glücklich ist, oder trennt euch.«
Insgeheim bewunderte ich Claudi, selbst vom Leben nicht oft verwöhnt, spielte sie nach ihren Shows noch Therapeutin.
»Meistens ist in solchen Beziehungen einer der totale Verlierer, sehr oft merkt der Betreffende es gar nicht. Wenn ich dann in die vielen verstörten Augen sehe, gebe ich meist noch eins drauf. Keine Kompromisse in einer Beziehung. Und wenn mich dann fast nur noch starre Blicke treffen und die Mäuler gefühlte Minuten schweigen, füge ich entschuldigend hinzu, zumindest keine Kompromisse, welche die Seele krankmachen.«
»… und hat es schon mal geholfen?«
Claudi entschwebte dem Pool, tänzelte zu ihrem Schreibtisch und kam mit vier Postkarten zurück. Wieder neben mir liegend, las sie mir den Text auf den Karten ein wenig stolz vor. Auf allen stand fast das Gleiche.»Danke Claudi!!!«, immer mit vielen Ausrufezeichen dahinter. »Ich bin nach Deinen Ratschlägen verfahren und habe endlich einen Partner gefunden, der mich so liebt, wie ich wirklich bin«, oder mit ähnlicher Wortwahl. Auf einer Karte stand als P.S. »Ich bin seit Jahren wahnsinnig verliebt und es ist immer noch wie am ersten Tag, ich werde einfach so geliebt, wie ich bin!«
»Ist doch schön Paul, aber warum schaust du so skeptisch?«
»Ich freu mich für dich, Claudi, aber so richtig Mut macht es mir nicht, diese vier Postkarten bedeuten ja nur acht glückliche Menschen von Tausenden, die immer noch auf der Suche sind.«
»Lass es einfach langsam angehen, irgendwann erfüllt sich auch dein Traum von der großen Liebe, oft merkt man es am Anfang gar nicht. Die Liebe kommt ganz unverhofft, meistens, wenn man gar nicht danach sucht.«
›Haste mir gestern auch versprochen, es langsam angehen zu lassen‹, grinste Klein-Paul voller Vorfreude auf oft wechselnde Mahlzeiten, die ihn bis dahin eventuell noch erwarten würden.
Claudi schaute plötzlich erschrocken auf die große Uhr an der Wand gegenüber. »Jetzt erzähl endlich, wie ich dir helfen kann, muss bald los. Hast mir ja heute auch schon so schön geholfen …«, lächelte sie mich verträumt an und streichelte zärtlich ganz kurz über den geschrumpften Paul.
»Lass uns erst mal aus dem Pool gehen, bekomme langsam Schwimmflossen« und dabei streckte ich ihr meine inzwischen schrumpeligen und aufgequollenen Finger entgegen. »Oder möchtest du noch ein bissel den Rubbeleffekt genießen?«, kam es spöttisch von mir.
»Stimmt, habe langsam Appetit, zur Abwechslung mal auf richtiges Fleisch und nicht auf dein schrumpeliges Anhängsel«, kam es leicht ironisch aber mit lustigem Grinsen aus ihren Augen zurück. »Ich brate uns ein saftiges Steak und dabei erzählst du mir alles …, bis gleich in der Küche, muss mich langsam reisefertig machen« und Claudi verschwand in ihrem Ankleidezimmer.
Aus dem bis gleich wurde zwar eine halbe Stunde, aber das Ergebnis entschuldigte alles. Vor mir stand eine vollkommen neue Claudi. Ein super kurzes mausgraues Kleid mit aufgesetzter Korsage, cremefarbene Leggins mit im Farbton ihres Kleides zart aufdruckten Grafiken von Liebesszenen, ähnlich des Kamasutras und natürlich High-Heels, weinrote mit metallbeschlagenen Spitzen und superdünne, bestimmt 20cm hohen Metallabsätzen brachten mich mal wieder fast um den Verstand. Von ihrer kräftigen, aber geschmackvollen Kriegsbemalung im Gesicht ganz zu schweigen.
»… du siehst wie immer wahnsinnig aus!«, konnte ich nur stammeln, als meine Augen an ihr hoch und runter taumelten.
Das Fett zischte leise in der Pfanne, als Claudi zwei saftige, dicke Wisent-Steaks hineinlegte.
»Also Werbung, du willst wieder Werbung machen?«, holte mich ihre Stimme in die Küche zurück.
»Ja, muss einfach endlich was tun, Geld wird langsam echt knapp. Weiß aber nicht, wie ich anfangen soll.«
»Wieso?« und ein erneutes heftiges Zischen beim Wenden der Steaks ertönte.
»Habe fast nichts, was man dazu braucht. Büro, grafikfähigen Computer, am liebsten einen Mac wie früher und bestimmt bräuchte ich auch ab und zu ein Auto, wenn es Kunden geben sollte, die etwas weiter weg von Leipzig sind. Du hast mir ja öfter Hilfe angeboten, aber war das wirklich so gemeint, mit einem Büro in deinem kleinem Himmelreich und so?«
Claudi holte die Wisent-Steaks aus der Pfanne und legte sie auf die von mir schnell auf den Tisch bereitgestellten Teller.
»Nimm Platz Paul, guten Appetit …, wenn es weiter nichts ist, was du brauchst«, kam es aus Claudis zuckersüßem, weinrot geschminkten Mund.
»Willst dich lustig machen …?!«, erwiderte ich verärgert »… meine finanzielle Lage ist miserabel, kann nicht lachen darüber! Ich muss es einfach noch mal mit der Werbung versuchen, bei anderen Dingen sehe ich für mich zurzeit keine Chance. Aber Büro, Computer und Auto auf einmal geht einfach nicht.«
»Aber du kennst doch Claudi?«
»Ja, aber …?«
»… und die mag dich wirklich sehr und hat dir Hilfe angeboten. Und was Claudi einem sehr lieben Freund und Kumpel verspricht, hält sie auch.«
»Ja?«
»Iss schön deinen Teller leer und dann zeige ich dir etwas!«
»… bin nicht dein Kind, das ist kein Spaß für mich!«, gab ich nicht sehr nett zurück.
»War doch nur ein lieber Spaß, mein lieber Paul«, hauchte Claudi zurück, »… bitte nicht sauer sein!«
Mich schnell bei der Hand nehmend zog mich Claudi vom Tisch weg und führte mich zu dem letzten Zimmer im Flur, gleich links neben der Haustür vom Himmelreich.
Als sich meine Augen an das dämmrige Licht gewöhnt hatten, erkannte ich in diesem großen Zimmer halbvolle Bücherregale, einige moderne Designersideboards und vor dem Fenster einen großen alten Schreibtisch. Und auf diesem Schreibtisch stand der modernste Mac, genau so einer, wie ich ihn vor Kurzem sehnsuchtsvoll in einem Schaufenster bestaunt hatte.
»Dein Büro?« und ich schaute fragend zu Claudi.
»Deine neue Agentur Paul!« kam es von Claudi zurück. Auf dem Computer müssten auch alle Programme und Daten sein, die du brauchen könntest, hatte bis kurz bevor wir uns kennengelernt hatten eine freie Grafikerin angestellt. Die kam aber nicht so richtig mit Mann und Frau in einer Person klar. War ein sehr zart besaitetes Künstlerseelchen. Aber jetzt habe ich ja dich kennengelernt, den Profi in Sachen Werbung!«
›Spinn ich oder träum ich?‹
»Meine neue Agentur …???«
»Ja, deine neue Agentur Paul. Du kannst hier erst einmal arbeiten und versuchen, die ganze Sache neu zum Laufen zu bekommen, danach sehen wir weiter.«
Ich