Der Tanz der Koperwasy. Bernd Nowak

Der Tanz der Koperwasy - Bernd Nowak


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       Vom Autor

      Wir saßen am Küchentisch und redeten über die Familie, die Kindheit, wie wir zur Tante gefahren sind, mehrmals umsteigen und auf den Zug warten mussten … An diesem Tisch fiel der erste Satz des Romans: »Tante Gienia starb viele Male.« Und so begann ich mit dem »Tanz« … Redend und lachend. Ich bekam Lust, Firlefanz zu schwatzen, an Familienmitglieder zu erinnern, über ihre gewöhnlichen und doch so unglaublichen Abenteuer zu lachen … Also, das ist in etwa diese Art von Literatur. Diese Art der Improvisation, ein Sich-Erinnern an darauffolgende Geschichten aus langer Weile – was im Wesentlichen leicht ist, wenn man sich darauf einlässt, gleichsam mit der Forke hantiert und eine Garbe nach der anderen weiterreicht. Das ist die Grundlage der Literatur. Reden, ohne aus dem Rhythmus zu kommen oder denen die Arbeit zu komplizieren, die einem diese Garben abnehmen. Das ist so eine bäuerliche Metapher für das Schreiben. Danach braucht es nur noch Sorgfalt, um dieses Gerede nicht zu verlieren – und ein Stück zu erfinden, aus dem eine Wahrheit, an die wir nie gedacht haben, an die Oberfläche gelangt. Eine seltsame Wahrheit, aber eine seltsam wahre.

      Bernard Nowak

      DER TANZ DER KOPERWASY

       Übersetzung aus dem Polnischen von Zbigniew Wilkiewicz

       Mit einem Nachwort von J. Cymerman

       Engelsdorfer Verlag

       Leipzig

       2015

      Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

      Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig

      Alle Rechte beim Autor

      Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

      Bild »Totentanz«: Pieter Brueghel (Fragment)

      Homepage des Autors: www.bernard-nowak-wydawnictwo-test.com

      Übersetzung © Zbigniew Wilkiewicz

      Übersetzung des Nachwortes und redaktionelle Mitarbeit: Herbert Ulrich

       www.engelsdorfer-verlag.de

      Für meine Mutter

       Inhaltsverzeichnis

       Cover

       Titel

       Impressum

       Kapitel I. Der Tanz der Koperwasy

       Kapitel II

       Kapitel III

       Kapitel IV

       Kapitel V

       Kapitel VI

       Kapitel VII

       Kapitel VIII

       Kapitel IX

       Kapitel X

       Kapitel XI

       Kapitel XII

       Kapitel XIII

       Kapitel XIV

       Kapitel XV

       Kapitel XVI

       Kapitel XVII

       Kapitel XVIII

       Nachwort

       Biografische Anmerkung

       Der Tanz der Koperwasy

      Tante Gienia starb viele Male. Man könnte ohne größere Übertreibung sagen, dass sie diese Kunst in vollkommener Weise beherrschte. Dann kamen bei den Koperwasy alle Familienangehörigen zusammen, die engeren und die ferneren, in erster Linie aber ihre neun Kinder, und jedes von ihnen mit dem eigenen, zahlreichen Anhang. Es kamen alle, sogar »die Stettiner von hinter dem Bug«, die von der Familie am weitesten entfernten Umsiedler. Im Haus wurde es eng und dunkel, man hörte Geflüster und das fieberhafte Aufzählen von Details, man zählte die Ansässigen und die Angereisten, aber alle wussten, dass auf den Listen sowieso jemand fehlen würde. Immer wenn sie starb, warteten wir auf die Anreise einer weiteren Person. Gienia erwartete den Besuch ihrer Schwester, Tante Marta. Und immer wartete sie umsonst.

      Das Sterben fand im größten Zimmer des Fachwerkhauses statt, wo die Tante die Angereisten in dem bald nach dem Krieg irgendwoher beschafften Ehebett liegend empfing. »Meine lieben Kinder …«, seufzte sie auf den ihre vollbusige Gestalt stützenden Kissen. »Ihr seht mich zum letzten Mal, danke, dass ihr gekommen seid … Ist Iryś auch da? Aha, er soll übermorgen kommen, dieser Schlauberger taucht immer als Letzter auf. Du, Aloch, bist sicher wieder besoffen, was? Kannst du nicht die paar Tage abwarten, du siehst doch, wie schwach ich bin … Geh lieber und hilf Sabcia, das Mädel hat alle Hände voll zu tun«, dirigierte sie aus der Höhe ihres Todesthrons und zeigte damit allen, dass sie die Situation im Griff hatte und ihre Herrschaft bis zum letzten Atemzug verteidigen würde.

      Bei jedem dieser Auftritte vergaß sie auf keinen Fall, zumindest für einen Moment einen Schwächeanfall zu erleiden und eine ihrer Hände so herabsinken zu lassen, dass sie schließlich kraftlos herabhing. Diese leblose Gelöstheit, die leicht geöffneten altersschwachen leberblauen Lippen und ihre durch Kosmetika balsamierte Blässe hielten sie nicht davon ab, den Moment abzuwarten, bis ihr eine der Töchter einen Becher mit leicht verdünntem Kompott an den Mund hielt. Verstohlen lugte sie unter ihren Lidern hervor, welche von ihnen die Erste sein würde. Und gerade in diesem Moment, urplötzlich, als das Ritual beendet schien, warf sie die noch heute in meinen Ohren nachklingende Frage in den Raum: »Habt ihr Marta ein Telegramm geschickt?«

      Langsam und etwas zögerlich antwortete eine Stimme mit einem »Ja«.

      Dann


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