Kampf mit den Tloxi. Matthias Falke
Der eine hatte sein Heck, der andere eine Tragfläche eingebüßt. Wie es aussah, waren wir einem weiteren Angriff nur um Sekunden zuvorgekommen.
Wir sahen zu, wie die Piloten aus den Kanzeln kletterten. Die Maschinen mussten außerordentlich robust sein, wenn ihre Cockpits dieser Detonation standgehalten hatten. Es waren sinesische Fabrikate, nicht mehr ganz neu, aber extrem widerstandsfähig. Wortlos schauten wir auf die Männer hinab, die sich an die schwimmenden Trümmer aus aufgeschäumtem Elastil krallten. Dann überließen wir sie ihrem Schicksal.
»So weit, so gut«, sagte ich. »Zurück in die Stadt!«
Es war damit zu rechnen, dass die Laya von anderen unterseeischen Basen aus, über die sie ohne Zweifel verfügten, weitere Attacken starten würden, um sich zu rächen und um vielleicht doch unseren Brückenkopf im Turm zu zerschmettern.
»Seismische Aktivität?«, fragte ich den WO, während die Enthymesis gemächlich Richtung Pura City einschwenkte.
»Ein Erdstoß der Stärke sechs«, sagte er nach einem kurzen Check seiner Instrumente. »Die Flutwelle blieb kleiner als erwartet. Leichte Zerstörungen am Hafen und entlang der nördlichen Promenade.«
»Da ist von unseren Leuten sowieso niemand mehr.«
»Der Turm der Nationalbank hat geschwankt, aber er steht.«
»Danke.«
Jennifer meldete einen einkommenden Ruf.
»Was macht ihr denn da unten?«, fragte John Reynolds mit Vorwurf in der Stimme.
»Ich habe dir gesagt, wir müssen das zu Ende bringen, John.«
»Eine halbe Stunde und ich hätte die Satelliten kalibriert gehabt!«
»Wir hatten keine halbe Stunde.«
»So war alles umsonst.«
»Das ist keine Forschungsexpedition«, sagte ich mühsam beherrscht.
»Das habe ich auch nicht behauptet«, erwiderte er giftig. »Aber wenn ich die Instrumente auf dieses Ereignis gerichtet hätte, wenn ich gewusst hätte, was ihr vorhabt …«
»Ich habe es dir nicht vorenthalten. Es war klar, dass wir die Basis bombardieren müssen, und wir haben dazu nur ein einziges Mittel an der Hand.«
»Ich dachte, du wolltest einen umfassenden Tiefscan der gesamten Planetenkruste, Frank.«
»Daran bin ich nach wie vor sehr interessiert. Wir haben Grund zu der Annahme, dass dies nicht die einzige Basis war, wenn auch, vermutlich, die bedeutendste.«
»Wir können dir die Daten hochgeben«, versuchte Jennifer zu schlichten. »Wir gleichen die Rechner der Enthymesis mit der Marquis de Laplace ab. Wenn du die exakten Koordinaten, den Zeitpunkt und die Stärke der Sprengung hast, müsstest du trotzdem etwas damit anfangen können.«
»Wir werden es versuchen.« Ihr gegenüber gab er sich gleich wesentlich konzilianter. Das war schon immer so gewesen, aber ich regte mich nicht mehr darüber auf.
»Wie sieht es sonst bei euch aus?«, fragte ich. »Ist die Lage im Orbit jetzt bereinigt?«
»Die Gefangenen werden zur Stunde ins Kleine Drohnendeck gebracht.«
»Habt ihr wirklich nichts Dringenderes zu tun?«
»Es gibt so etwas wie ein Kriegsrecht, Frank.«
Ich seufzte.
»Ihre Schiffe waren doch manövrierunfähig«, fuhr Reynolds fort. »Die meisten brannten und sie drohten in die Atmosphäre zu stürzen.«
»Ist ja schon gut.« Ich hatte Jennifers drohenden Blick aufgefangen. »Auf die Gefahr, mich zu wiederholen: Es wäre eine enorme Erleichterung, die übrigen Basen zu orten und mit Antimaterieclustern zu belegen. Und dann würden die Truppen in dieser Stadt sich über jede Form der Unterstützung freuen.«
»Wir sind so gut wie bei euch«, sagte Reynolds auf der Brücke der Marquis de Laplace.
»Das wäre sehr schön. Norton Ende.«
Jennifer sah mich tadelnd an, während der WO und die beiden Piloten sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnten.
»Hier unten müssen wir uns von den Bastarden zusammenschießen lassen und er hat nichts Eiligeres zu tun, als ihnen Tee und belegte Brötchen zu bringen.«
»Wir stehen unter spezieller Beobachtung«, sagte Jennifer, »unser Verhalten in diesem Konflikt wird von den übrigen Völkern unserer Einflusssphäre ganz genau betrachtet werden.«
»Unser Verhalten«, grollte ich. »Und die Laya? Angriffe auf Verwundete und Sanitätsstationen? Nach allem, was wir wissen, machen sie überhaupt keine Gefangenen!«
»Wir haben sie angegriffen und sind dabei, ihren Planeten zu besetzen.«
»Sie haben der Union den Krieg erklärt.«
»Sie haben ihren Austritt erklärt, das ist ihr gutes Recht.«
»Sie haben Musan besetzt und sämtliche Einrichtungen der Union gestürmt, Diplomaten ermordet, Zivilisten verschleppt.«
»Je härter wir zuschlagen, umso mehr Sympathien kostet uns das bei den anderen Völkern.«
»Wenn wir sie gehen lassen, erklären morgen alle anderen ihren Austritt.« Ich musterte sie fassungslos. Früher hätte ich gedacht, sie wolle mich nur provozieren. Aber so viel Energie hatte sie im Augenblick nicht mehr.
»Und wäre das so schlimm?«, sagte sie leise.
»Es war deine Linie«, rief ich. »Hart durchgreifen, ein Exempel statuieren! Trügt meine Erinnerung oder warst das nicht du, die mit Rogers immer die schönsten Aufmarschpläne ausgearbeitet hat?«
»Wir sehen ja, wohin uns das alles führt.«
»Sollen wir abziehen?«
»Natürlich nicht.« Sie sah mich unendlich müde und traurig an. »Wir haben schon zu viel Blut in diese Sache investiert.«
»Dann lass sie uns zu Ende bringen.«
Jennifer nickte, erwiderte aber nichts mehr. Auch die Mienen meiner Crew waren nachdenklich geworden.
Was taten wir hier? Den Völkern der Galaxis die Segnungen der Zivilisation bringen! Und wenn sie sie nicht wollten, drängten wir sie ihnen eben mit Waffengewalt auf.
»Es ist nicht der rechte Augenblick für Grundsatzdiskussionen«, sagte ich versöhnlich. »Lass uns das hier durchstehen, dann finden wir vielleicht ein wenig Muße.«
»Dieser Augenblick kommt nie.« Ihr Lächeln zeigte an, dass sie mein Angebot des Einlenkens annahm.
»Wir müssen zu Rogers«, sagte ich.
Die Enthymesis ging auf der Independence Plaza nieder. Als sei sie die natürliche Verlängerung des Sockels, stand sie vor dem mächtigen Portal der Nationalbank und schirmte es durch ihre wuchtige Masse ab. Ich übergab die Brücke wieder an die Crew, die bis auf Weiteres hier auf Bereitschaft bleiben musste. Die Männer hatten einen guten Einstand gegeben. Wenn das mal keine Feuertaufe war!
Im Elevator der mittleren Steuerbordstelze fuhren wir nach unten. Auf ihrem Display checkte Jennifer die Lage. In unmittelbarer Umgebung war alles ruhig. Wie stiegen aus der Kanzel und traten, unter dem Bauch unseres Schiffes, auf den riesigen Platz hinaus. Die Morgensonne kam auf der Ostseite über die Häuser und beschien die Fassaden der Westseite. Tauben und Möwen patrouillierten über der kilometerweiten Fläche. Der Schatten des mit Abstand höchsten Gebäudes der Stadt wies als riesiger schwarzer Balken direkt nach Westen. Trügerischer Frieden lag über diesem Herzen Pura Citys. Allein das Tageslicht linderte den Albtraum, in dem wir seit unserer Landung befangen gewesen waren. Aber noch war es nicht vorbei.
Geduckt liefen wir unter dem Schiff hindurch, an den Vorpostenstellungen vorbei, die hinter ihren Verhauen aus Schrott und heruntergebrochenen Betonteilen hervorlugten und grinsend salutierten. Wir vergewisserten uns, dass unsere IDs noch