Du bist doch wer. Jürgen Weigel

Du bist doch wer - Jürgen Weigel


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sich nicht mit derartigen Reflexionen belasten. Man muss sich in der Tat nicht mit Psychologie und Philosophie beschäftigen – aber es lohnt sich.

       Ein Buch schreiben

      Wenn man schreibt hat man nicht die Vorstellung im Kopf eine Leserschaft zu bedienen. Man tut es, weil es einen irgendwie dazu treibt, weil es eine Leidenschaft und Freude ist, im Grunde um des Schreibens Willen. Ich kann es nur jedem empfehlen. Schreiben macht einfach Spaß. Vielleicht möchte man auch ein Thema, das einen bewegt abarbeiten und letztlich „wegpacken“. Das gilt wohl auch für mich. Dennoch muss man vor einer Veröffentlichung Realist sein und sich Fragen stellen: Wer will das lesen? Wer will das wissen? Ich denke, dies ist ein Buch für Suchende, für Menschen, für die nicht alles klar ist. Menschen, die sich für Philosophie und psychologische Fragestellungen interessieren. Und es könnten auch Menschen, insbesondere meines Berufsstandes sein, die bereit sind Anregungen aufzunehmen, um zu innerer Stärke zu finden.

      Bei Vorträgen vor Eltern vertrete ich die Behauptung, dass Kinder dann glücklich werden, wenn sie eben glückliche Eltern haben. Es kommt schließlich alles aus einem Selbst. Nur, wie sollte dieses Selbst strukturiert sein? Wann ist man glücklich und wirklich stark? Dies zu erkunden trieb mich an.

      Hinzu kam im Laufe der Zeit die Überzeugung: Hat man Probleme mit anderen Menschen, so kann man es wohl kaum schaffen, diese zu verändern. Was man jedoch tun kann ist, zu ihnen eine andere Haltung einzunehmen. Diese Botschaft zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch.

      Es liegt also an einem selbst, sich stark zu machen und glücklich zu leben. Eine These, die man heute in jedem Buchladen findet, in Büchern, die etwas spirituell angehaucht sind, in denen zum Beispiel gefordert wird, man solle sein inneres Kind heilen und sich selber lieben. Das bestätigt auch der Neurobiologe Joachim Bauer in seinem neuen Buch „Selbststeuerung“, in dem er beschreibt, wie es uns gelingen kann durch Ausprägung unseres Stirnhirns – dem Präfrontal-Kortexes – unser Impulsverhalten zu regulieren und uns selber zu kontrollieren. Er stellt dar, wie wir Herr/​Frau über unsere Gefühle und unser Leben werden können.1 Er belegt damit eindrucksvoll: Gedanken erschaffen unser Leben.

      Außerdem beschäftigt mich eine zentrale Fragestellung: Wie steht es um das Selbstwertgefühl meiner Zeitgenossen? Ich denke, dass es bei vielen nicht sehr gut damit bestellt ist. Mangelndes Selbstwertgefühl zwingt so manchen in das Hamsterrad unserer Leistungsgesellschaft, was einher geht mit einem enormen Funktionsmodus und mangelnder persönlicher Achtsamkeit. Eine Freundin meinte dazu ganz lapidar: „Man tut eben, was alle tun, fleißig sein, ohne zu reflektieren.“

      Hintergrund des Schreibens ist aber vor allem eine Leidenschaft. Ich sammele gerne Steine und es ist schön, daraus etwas Schönes zu bauen. Das ist im übertragenen Sinne zu verstehen. Bücher sind für mich wie Strandabschnitte am französischen Atlantik. Man „spaziert“ an diesen entlang und sammelt schöne Dinge. Manche finden Schnecken oder Muscheln. Ich liebe schöne Steine, die ich in einen Rucksack packe und mit nach Hause trage, um sie auszupacken, zu betrachten und zu sortieren. Wenn man will kann man daraus etwas bauen. Beim Lesen finde ich solche „Erkenntnissteine“, die ich in einem Büchlein verewige. Im Laufe der Zeit betrachte ich diese immer wieder und dann fange ich an zu schreiben. Es entwickeln sich so feste Überzeugungen und Haltungen, die ich gerne diskutiere. Das macht Spaß und ist zu einem leidenschaftlichen Hobby geworden. Meine ersten „Erkenntnissteine“ rankten um die Thematik des Lebens von Eltern mit ihren Kindern, die ich schließlich in dem Buch „Gelassene Eltern – starke und glückliche Kinder“2 zusammenfasste. Im Laufe der Zeit war es unbefriedigend geworden, mich bei von mir in meiner Funktion als Beratungslehrer organisierten Informationsabenden darauf zu beschränken, das bayerische Schulsystem zu erklären. Ein Grund liegt darin, dass ich es in seiner vertikalen Struktur mit der Selektion nach der vierten Klasse als grausam empfinde. Ich denke Kinder, Eltern wie auch Grundschullehrer und Grundschullehrerinnen leiden darunter. (Andererseits bietet seine horizontale Struktur der großen Durchlässigkeit wirklich gute Möglichkeiten!). Ich begann daher an solchen Abenden auch darüber zu referieren, was Kinder für ihr Leben bräuchten und das ist wirklich viel mehr als gute Noten und einen Abschluss an der Wunschschule. Mir war und ist noch heute die hohe Erwartungshaltung von Eltern, ihr Anspruchsdenken, der ganze Förder- und Erziehungshype und die oft zu beobachtende pädagogische Käfighaltung von Kindern ein Dorn im Auge. Ich kritisiere auch gerne fragwürdige Selbstverständlichkeiten im System Schule und so manches Verhalten von Lehrern, insbesondere wenn sie sich mehr dem Stoff als ihren Schülern verpflichtet fühlen. Es ist so wichtig, viel Verständnis für Kinder und Jugendliche aufzubringen. Ich bin überzeugt, man muss Menschenfreund sein um seinen Schülern gerecht zu werden. Aber das ist ein ganz eigenes Thema, auf das ich in einem eigenen Kapitel eingehe (siehe Abschnitt 15 Seite 122).

      So durchlebte ich eine längere Zeit, in der ich so vieles hinterfragte und anzweifelte, die mich in der Folge in die Erkenntniswelt von Joachim Bauer, Gerald Hüther, Remo Largo und Jesper Juul führte. Ein faszinierende Welt voller Wissen und so vieler „Erkenntnissteine“. Es war letztlich auch befreiend, diese in einem Mutmachbuch für Eltern zusammenzufassen.

      Ganz anders verhält es sich mit diesem Buch. Am Ende brachte mich eine eigene Lebenskrise erneut zum Schreiben. So wurde es ein Ermunterungsbuch, das einen Weg beschreibt, wie man im Leben zu innerer Stärke finden kann.

      Auf dem Weg zur Erstellung dieses Buches hatte ich Begleiter. Menschen, die mich ermunterten, diese Erkenntnisse zu veröffentlichen, die mir ihre Sichtweisen vermittelten, die auch konstruktive Kritik äußerten und immer wieder Texte lasen und mir somit als Lektoren behilflich waren. Ich bin ihnen sehr dankbar. Ohne sie wäre dieses Buch nicht entstanden. Sie werden sich in diesem Buch wiederfinden. Somit ist es auch ihr Buch.

1. KAPITEL: Ein gelingendes Leben führen – Gesund leben in einer kranken Welt

      Nur, was kennzeichnet ein gelingendes Leben?

      Aus meiner Sicht sind die bedeutenden Dinge weniger Besitztümer, Geld, Wohlstand, Schönheit, Fitness, gesellschaftliches Ansehen, zum Beispiel durch einen angesehenen Beruf. Nein, dahinter steckt ganz viel Schein. Viel interessanter ist für mich das Sein im Leben. Im Grunde ist es, etwas überspitzt ausgedrückt, egal ob man Bäckereiverkäuferin, Fahrlehrer, Briefträger, Lehrer, Anwalt, Chefarzt oder ein Manager ist, letztlich ist das Wesentliche, wie man diese Tätigkeiten im Alltag ausübt. Und es geht aus meiner Sicht auch weniger um Erfolg im Leben als vielmehr darum, wie sehr einem das Leben gelingt. Ich bin ein großer Anhänger des Gehirnforschers Gerald Hüther und seiner Erkenntniswelt. Hüther beschreibt die Problematik mit dem Bild eines Kirschkuchens. Der kann kein Erfolg sein, er kann nur gelingen. So verhält es sich eben auch mit dem Leben. Man kann im Leben Erfolg haben, aber das Leben an sich kann nur gelingen.

      Und für mich geht es gar nicht um gesellschaftliche Konventionen und Hierarchien, um dieses perfide Machtgehabe, um dieses „Ich Chef – du nix“ Getue von gestern, von Menschen, die Regeln aufstellen und Disziplin und Gehorsam einfordern. Menschen, die in einer Welt des „Is so!“ leben.

      Nein, für mich geht es im Leben um etwas ganz anderes. Wir bekommen es gerade vorgelebt. Seitdem ich ihn das erste Mal sah, verfolge ich sein Wirken und seine Worte mit einem offenen Mund des Erstaunens: Papst Franziskus steht für mich für eine Zeitwende, die so viele spüren. Er ist ein Vertreter eines neuen Zeitgeistes und er lebt vor, was das Bedeutsame im Leben ist, nämlich das Menschliche. Das Wesentliche ist das Warmherzige, die Toleranz und Verständnis für die Schwachen. In dem Papst sehe ich so viele Werte gelebt, die mir wichtig sind und die mir so oft in unserer Welt von Konsum, Wohlstand, diesem Wettbewerb und diesem Vergleichen, dieser unsäglichen Neidkultur, dem Druck in unserer Leistungsgesellschaft und den fragwürdigen Folgen unserer Welt der Social Media, all diesem Opium für das Volk, abgehen. Und eins symbolisiert er ebenfalls, eine unsägliche Kraft und Stärke. Man kann die Zivilcourage von Papst Franziskus nur bewundern. Erstaunlich wie er mit den hierarchischen Strukturen und Konventionen in der Kurie aufgeräumt hat. In so vielen Bereichen


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