Im Januar trug Natasha Rot. Manfred Eisner
Herr Baader, darf ich Sie um ein kurzes Gespräch bitten? Seien Sie so nett und begleiten mich in mein Büro.“ Im Vorbeigehen instruiert er leise den Mann an der Bar. Kurz darauf geht dieser an den Tisch der verbliebenen Gäste, legt den beiden Herren die Rechnung vor und beordert ihre drei weiblichen Begleiterinnen zurück an den Tresen. Als die beiden Männer, offensichtlich überrascht und verärgert, protestieren wollen, packt der kräftige Angestellte den einen etwas unsanft am Arm, reißt ihn vom Sessel hoch und flüstert ihm sehr leise ins Ohr. Wortlos erhebt sich der andere, legt das geforderte Geld auf den Tisch und geht, gefolgt von seinem Begleiter, den der Barmann inzwischen losgelassen hat, in Richtung Ausgangstür.
Kurz bevor sie den Salon verlassen, ersucht sie Natasha: „Geben Sie mir Ihre Clubchipkarten, ab sofort haben Sie Lokalverbot.“ Dann verlassen sie gemeinsam den Salon.
Wenig später folgt ihnen mit hochrotem Kopf Herr Baader, der sich ein blutgetränktes Taschentuch vor die Nase hält.
Der verunsicherte Dr. Allwardt hat das Geschehen beobachtet, das sich in weniger als fünf Minuten vor seinen Augen abgespielt hat. Nun weiß er nicht, ob er auf Jochens Rückkehr warten soll, weil dieser ihm eine Antwort schuldig geblieben ist, oder ob er sich besser verabschiedet.
Kurze Zeit darauf kommt Svetlana an seinen Tisch. „Herr Doktor, der Chef bittet Sie in sein Büro. Wollen Sie mir bitte folgen?“
Dr. Allwardt erhebt sich und folgt wortlos den unter dem eng anliegenden Kleid verführerisch wippenden Gesäßhälften, die vor seinen Augen zu schweben scheinen. Jedoch anstatt in das versprochene Büro zu gehen, öffnet Svetlana die Tür zu ihrem Liebesnest, zieht den verdatterten Rechtsanwalt mit hinein und verschließt die Tür.
Jochen Tiedemann Junior sitzt an seinem Büroschreibtisch. Er ist ein stämmiger Mann Anfang dreißig mit mittlerer Statur. Sein kahl rasierter Schädel und die dünnen Lippen verleihen ihm einen gewissen harten und leicht finsteren Ausdruck, der wohl seinen wahren Charakterzügen entspricht, auch wenn er – wie gerade beim Gespräch mit dem Rechtsanwalt – bei solchen Gelegenheiten stets bemüht ist, sich eher jovial und freundlich zu zeigen. Darüber kann auch sein tadellos sitzender Maßanzug samt Seidenschal um den Hals im aufgeknöpften rosa Signum-Hemd nicht hinwegtäuschen.
Er reibt sich die rechte mit der linken Hand, verspürt er doch noch eine leichte Nachwirkung des Faustschlags, den er kurz zuvor seinem Gast, Olaf Baader, verpasst hat, nachdem er diesen wegen des Drogenhandels zur Rede gestellt und anschließend hinausgeschmissen hatte. Dann greift er zum Telefonhörer. „Bobby, sag bitte Natasha, sie möchte zu mir kommen, sobald sie frei ist. Danke!“
Kurz darauf betritt Natasha das Büro.
„Bitte setz dich. Wir müssen reden.“ Er macht eine Pause, dann leert er sein Glas Bourbon in einem Zug. „Ich glaube, wir bekommen ein Problem“, meint er anschließend.
„Und das wäre?“, will Natasha wissen. Sie geht um den Schreibtisch herum und setzt sich auf Jochens Schoß.
Gerade als sie ihren Arm um seine Schulter legen will, kontert Jochen schroff: „Lass das bitte, Natasha, die Sache ist zu ernst und mir ist gerade nicht nach Vögeln zumute!“
Ohne sich ihre Kränkung anmerken zu lassen, erhebt sich die Frau, wendet sich von ihm ab und setzt sich auf den Sessel. Stumm wartet sie ab, bis Jochen das Wort ergreift.
„Ich sagte, wir haben ein Problem, Natasha. Die Mädchen, die man uns herüberschickt, werden immer jünger und sie sehen auch ihrem Alter entsprechend aus. Wie alt sind die vier, die heute gekommen sind?“
„Eine ist siebzehn, zwei sind sechzehn und eine kurz davor!“
„Siehst du, gerade das meine ich! Ja, ja, ich weiß schon, was du sagen willst, es ist gerade dies, was unsere feinen Gäste begehren – junges Fleisch! Und es bringt uns sogar Prämienerlöse, auch das ist wahr. Aber es wird immer riskanter, ein solches Personal vorzuhalten, die Kontrollen werden häufiger und leider auch gründlicher. Zwei unserer Nachbarläden hat die Polente in diesem Monat schon erstürmt: Einer davon wurde sofort geschlossen und den Sigi haben sie sogar eingelocht!“
„Der hat wohl nicht ausreichend geschmiert, da hat er jetzt den Schaden!“, meint Natasha kühl.
„Irgendwann wird uns das auch nicht mehr helfen, mein Schatz. Unser Rechtsanwalt hat mich soeben deutlich gewarnt. Die Tiedemann Gruppe kann sich ein solches Risiko gegenwärtig überhaupt nicht leisten, da steht noch viel Ernsteres auf dem Spiel.“
„Ja, Jochen, ich hörte, dass dein Rechtsverdreher Thomas Greves Namen erwähnt hat. Meinst du das?“
„Unter anderem auch das.“ Jochen Tiedemann Junior nickt. „Ich denke, wir müssen vorerst den Nachschub aus Klaipéda stoppen, das Ganze wird mir im Moment zu heiß.“ Es folgt eine längere Stille. Dann fährt er fort: „Hör zu, Natasha, ich möchte, dass du dich gleich morgen früh nach Vilnius aufmachst und Natalja Wankowa kontaktierst. Das geht nicht von hier aus übers Handy, es muss persönlich sein! Sie soll die bereits erfolgten Anbahnungen absagen oder sie zumindest um, sagen wir, ein halbes Jahr verschieben. Falls nötig, zahle ihr den Ausfall, ich gebe dir ein paar Tausender Bargeld mit.“ Während er sich über den im Fußboden unter dem schweren Perserteppich verborgenen Safe beugt und diesem mehrere Bündel Euroscheine entnimmt, spricht er weiter: „Ich kümmere mich inzwischen darum, dass unsere Spedition dort vorerst ausschließlich Paletten lädt und hertransportiert. Und noch etwas: Tatjana muss sich besonders um die Neuen kümmern, damit kein Ungemach passiert. Ich denke, wir sollten sie vorerst irgendwo anders unterbringen, zum Beispiel auf Ivo Jankowicz’ Bauernhof bei Rendsburg. Bei ihm wären sie zurzeit sicher aufgehoben – soll ja auch nicht zu seinem Schaden sein. Ich rufe ihn gleich an. Wenn er zusagt, müssten die vier Mädels noch heute, spätestens aber morgen, möglichst in der Nacht hinüberbefördert werden. Darum soll sich Tatjana mit Hilfe von Alexej und Wlado kümmern. Sobald die Mädels dort sind, könnte Harro hinfahren und sich mal wieder um das Zureiten den jungen Stuten kümmern.“ Er übergibt Natasha das Geld. „Sei mir nicht böse, Liebes, und verzeih das von vorhin. Ich verspreche dir, ich mach’s wieder gut, sobald du zurück bist. Gute Reise und viel Erfolg!“ Zum Abschied küsst er sie leicht auf die Lippen.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.