Die Salonièren und die Salons in Wien. Helga Peham
mußten. Daß die Gebieterin dabei übellaunig wurde, daß die Zofen das entgelten mußten, ist ebenso natürlich – und die Erinnerung an alle die trüben Stunden, welche Putz und Toilette ihr gemacht hatten, mag wohl schuld gewesen sein, daß meine Mutter selbst in den Jahren, wo sie noch wohl Freude daran hätte haben können, sich vorteilhaft und ihrer sehr niedlichen Figur gemäß anzuziehen, sich schon ganz matronenhaft, und, wie ich mich aus den Bildern meiner Kindheit wohl entsinne, beinahe altfränkisch kleidete.“10
Die Kammerfräulein genossen Ansehen und Wohlstand, standen aber unter einer Art häuslicher, ja mütterlicher Aufsicht. Wollten sie ausgehen, mussten sie es melden, dann wurde eine Hofequipage angespannt, anders durften sie auf den Straßen nicht erscheinen. In Gesellschaften stand ihnen der Rang einer Hofrätin zu.
„Ihren Tisch hatten sie vom Hofe, ihre Besoldungen waren mäßig, aber die Freigebigkeit der Monarchin, die vielen Teilungen ihrer Garderobe ersetzte ihnen das reichlich, und sie fanden bei Ordnungsliebe und Sparsamkeit stets die Mittel, sehr geschmackvoll und glänzend angezogen zu sein und doch etwas zurückzulegen. An den Tagen, an welchen sie den Dienst nicht hatten, war es ihnen auch vergönnt, auf ihren Zimmern Bekannte, selbst Männer, nicht bloß vom Hofe, sondern auch aus der Stadt, zu sehen, nur mußte die Kaiserin davon benachrichtigt und diese Personen von unbescholtenem Rufe sein.“11
Ihre Stellung bei der Kaiserin bringt Charlotte Vorteile wie Aussteuer, Erziehungsbeiträge für Kinder und weitere Unterstützung von der Monarchin, die sich gerne und erfolgreich als Ehestifterin betätigt. Charlotte hat viele Verehrer, doch ihre Liebe, den Ungarn Ignaz Sautersheim, einen Honorarkonzipisten der Hofkammer in Pressburg, darf sie nicht heiraten. Die Kaiserin versagt ihre Zustimmung. Er ist ein zu unruhiger Geist, reist oft nach Wien, verschuldet sich und flüchtet 1762 in die Schweiz, der Spionage verdächtigt. Zwei Jahre später stirbt er in Straßburg. „Bei den meisten, ja fast bei allen, war meiner Mutter Herz gleichgültig geblieben. Nur einer, ein geborner Ungar, dessen Porträt sie noch lange Jahre nachher besaß – und dessen in Rousseaus Konfessionen als eines höchst interessanten und liebenswürdigen jungen Mannes erwähnt wird –, hatte ihr Herz tiefer gerührt. Nicht bloß der Wille der Monarchin, auch ungünstige Verhältnisse in der Familie des jungen Ungars zerrissen das Bündnis. – Er starb bald darauf; meine Mutter gedachte seiner nie ohne Rührung.“12
Charlottes späterer Ehemann, Franz Sales Greiner, geboren am 2. Februar 1730, entstammt einer kaisertreuen Beamtenfamilie. Sein Vater Franz Joseph besitzt eine beachtliche Kunstsammlung, seine Mutter Katharina, geb. Schwärzel, ist gebildet und beherrscht sogar Latein. Er studiert Rechtswissenschaften, seine Familie besitzt ein Haus am Tiefen Graben. In den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts, als der dritte schlesische Krieg gegen Preußen tobt, lernt Charlotte Franz Sales kennen, der um sie wirbt. Er ist zunächst Konzipist beim Hofkriegsrat, vier Jahre später Hofkriegssekretär und ab 1769 Hofsekretär der böhmisch-österreichischen Hofkanzlei.
Bisher hat die Kaiserin jeden Bewerber um Charlottes Hand abgewiesen, zunächst mit den Worten: „Du bist zu jung.“ Sie will ihre persönliche Sekretärin noch nicht entbehren. Erst nach dem Tod ihres Gatten, um den sie tief trauert, gestattet sie, weicher geworden, noch in ihrem Trauerjahr Charlotte die Ehe. Auch Charlotte ist in Hoftrauer. Sie stellt ihren zukünftigen Mann der Kaiserinwitwe vor, er gefällt ihr, aber die Monarchin meint: „Ich glaubte immer du würdest dir so einen galanten Herrn, einen Chevalier aussuchen.“13 – Eine Anspielung auf Sautersheim.
Zwischen Charlotte und Franz wird ein Ehevertrag geschlossen, in dem die Ehepartner finanziell abgesichert werden. Auffallend ist in diesem Vertrag die mehrmalige Feststellung der Gleichwertigkeit der Ehepartner. Kurz nach Charlottes 27. Geburtstag heiraten die beiden.
Zur Hochzeit legt Maria Theresia Charlotte eine sehr wertvolle Perlenschnur aus dem habsburgischen Familienschmuck um den Hals, die sie nach den Trauungsfeierlichkeiten jedoch wieder zurückgeben muss. Für Charlottes hervorragende Stellung bei der Kaiserin spricht, dass Obersthofmeisterin Gräfin Maria Josepha Paar, Nachfolgerin der Gräfin Fuchs, die Braut in der Kammerkapelle der Kaiserin zum Altar führt. „Als der Geistliche … die Braut auffordert, das Ja auszusprechen, mußte diese (so gebot es die Etikette), ehe sie antwortete, sich mit einer Verneigung gegen die Obersthofmeisterin wenden, sie gleichsam um die Erlaubnis dazu ersuchen. – Die Obersthofmeisterin erhob sich, drehte sich gegen das Oratorium, in welchem sich die Monarchin befand, und wiederholte die Verbeugung und die stumme Anfrage. Hierauf nickte die Kaiserin bejahend, die Obersthofmeisterin überlieferte durch ein ebensolches Zeichen die Einwilligung der, Mutterstelle vertretenden, hohen Frau; die Braut verbeugte sich dankbar, wendete sich dann gegen den Priester und sprach ihr Ja aus.“14 Die Trauzeugen sind Kollegen des Bräutigams.
Mit der Eheschließung geht für Charlotte eine große Umstellung einher, sie verlässt den Glanz des Hofes, um sich in einer wohlhabenden Wiener Beamtenfamilie einzurichten. Doch das bereitet der jungen Ehefrau keine großen Schwierigkeiten, sie freut sich, dass sie nun freier leben kann. „Hier begann nun für meine Mutter eine ganz neue Lebensweise, ja, sie fand sich eigentlich in einer neuen Welt, nicht bloß durch den bedeutenden Unterschied, den die Verheiratung in das Leben jedes Mädchens bringt, sondern hauptsächlich dadurch, daß sie sich plötzlich aus den glänzenden, geräuschvollen Räumen eines der ersten Höfe Europas und aus der unmittelbaren Nähe einer regierenden Monarchin in die Stille und Dunkelheit einer wohlhabenden, aber im Vergleich mit ihren frühern Gewohnheiten doch sehr beschränkten Haushaltung versetzt sah. Dennoch scheint dies so sehr mit den geheimen und lange genährten Wünschen ihres Herzens übereingestimmt zu haben, daß ich sie nicht allein dieser Epoche nie mit Trauer oder düsterer Erinnerung erwähnen hörte, wie man sonst wohl später sich an trübverlebte Stunden erinnert, sondern sie vielmehr mit Freude von dem Zeitpunkte sprach, wo sie endlich einer glänzenden und von vielen beneideten Sklaverei los ward und sich selbst angehören durfte.“15
Charlotte beginnt ihr Leben nach eigenen Vorstellungen aufzubauen, Selbstständigkeit und innere Unabhängigkeit zählen zu ihren herausragenden Eigenschaften. Eine Rente von 1000 bis 3000 fl. ist nach Beendigung des Dienstes für Hofdamen und Kammerfrauen üblich, Kammerdienerinnen erhalten bei der Heirat 1000 bis 2000 fl. Charlotte ist finanziell unabhängig. Ihr Mann profitiert ebenfalls von der Eheschließung. Maria Theresia wird auf ihn aufmerksam. Franz Greiner macht rasch Karriere und avanciert 1771 zum jüngsten Hofrat der österreichischen Monarchie.
Verstört die Damen des Salons durch seine derbe Art: Franz Sales von Greiner, der Ehemann Charlottes.
Zahlreiche Schreiben Greiners tragen eigenhändige Bemerkungen der Kaiserin. Die beiden Eheleute verstehen sich, nach den Schilderungen der Tochter Karoline, nicht besonders, denn sie haben recht unterschiedliche Interessen. Charlotte, die Offizierstochter, ist ehrgeizig, intellektuell; Franz Sales stammt aus einer alten österreichischen Beamtenfamilie, ist voller Pflichtgefühl, künstlerisch interessiert, ein sympathischer „Dilettant“. Er liebt die Musik und seine Kinder. Ein schöner Mann ist er nicht, ein Herr mit gewaltigem „Embonpoint“, aber wenig Ausstrahlungskraft und einer derben Art sich auszudrücken, was gelegentlich die Damen des Salons entsetzt. Die Eheleute sind gegensätzliche Charaktere, die Männer aus ihrem geistigen Freundeskreis sind Charlotte näher als ihr eigener Gemahl.
Im Jahr 1767 erwartet Charlotte ihr erstes Kind. Sie steht im 29. Lebensjahr und ist für eine erste Schwangerschaft in dieser Zeit eine reife Frau. Am 19. Oktober kommt Joseph Franz Vinzenz zur Welt. Anton Faucherand, ein Hof-Kammerdiener, vertritt als Taufpate die Kaiserin. Der Junge gedeiht zunächst prächtig, stirbt aber früh an „Kopffraisen“, eleptoiden Krämpfen. Am 7. September 1769 kommen die Zwillinge Karoline und Franz Salesius zur Welt. Charlotte hat ihr erstes Kind selbst gestillt, was in diesen Kreisen unüblich ist, und möchte dies auch bei den Zwillingen tun. Bei einem Besuch bei Hof erzählt sie Maria Theresia von ihrer Absicht, doch die Kaiserin verbietet ihr „ausdrücklich, mehr als ein Kind zugleich zu stillen, und so überließ meine Mutter die Wahl, welche ihr schwer gewesen sein würde, der Vorsicht, indem sie beschloß, das Erstgeborne selbst zu tränken. Das war nun zu meinem Glücke ich, und obwohl ich, wie man mir später erzählte, so klein und schwach auf die Welt kam, daß man an meinem