Die Salonièren und die Salons in Wien. Helga Peham

Die Salonièren und die Salons in Wien - Helga Peham


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Köpfe dadurch ermuntert werden, daß man ihnen erlaubte, hervor zu treten und ihre Productionen, nach vorheriger Prüfung und Billigung, öffentlich zu lesen. Ein solches Institut, welches weder dem Staate, noch sonst jemanden, den zwanzigsten Theil eines Pfennigs kostete, würde in wenigen Jahren den falschen Geschmack verbannen, den beßern allgemein machen, und endlich an die Stelle der leeren Unterhaltung treten, mit welchen man jetzt die Zeit tödtet. Im Sommer wäre der akademische Cirkel in einem Garten, oder in einem Lustwalde: die Schönheit der Natur würde sich vereinigen mit den Schönheiten der poethischen Kunst, und beyde würden in jeder empfindsamen Seele das reinste Vergnügen hervorbringen, dessen ein Sterblicher fähig ist.“31 Genau dieser Traum Haschkas wird in Greiners Salon Realität. Die Übersiedlung in das Haus im Salvatorgässl 1775 markiert dessen Beginn und Aufstieg zum führenden bürgerlichen Salon Wiens. Gelehrte und Künstler gehen dort ein und aus. Kennzeichnend für den aufgeklärten Lebensstil sind wissenschaftliche Gesellschaften und Akademieliteraturzirkel, welche die deutsche Sprache fördern. Die gebildeten Beamten sind Träger der Aufklärung, und Franz Sales von Greiner ist durch seine Ehe mit Charlotte in eine Spitzenposition bei Hof gelangt. Man kann davon ausgehen, dass auch karrieristische Absichten hinter der Errichtung eines Salons standen. Die Trennung nach sozialer Herkunft ist weniger ausgeprägt, es handelt sich bei den Salongästen um Mitglieder des „Zweiten Standes“, des Bürgertums und des niederen Adels. Mitglieder des Hochadels sind nicht darunter.

      Kennzeichnend für den Kreis um die Hofrätin Greiner ist die geschickte Auswahl ihrer Gäste. Lorenz Leopold Haschka führt seinen Freund, den Dichter Johann Baptist Alxinger, im Salon ein, der bald täglicher Gast bei Greiner wird. Der Dichter Gottlieb Leon – späterer Kustos der k. k. Hofbibliothek – wird von Haschka als Hofmeister des Sohnes ins Haus gebracht. Haschka gewinnt beim Ehepaar Greiner an Ansehen und Einfluss und bringt „nach und nach die damaligen Schöngeister von Wien“32 als Gäste.

      Die Damen gruppieren sich strickend um den runden Tisch, die Männer diskutieren lebhaft, während sie auf und ab gehen oder in kleinen Gruppen zusammenstehen. Man kann auch in einem der Nebenzimmer am Spiel teilnehmen. Um die Hausfrau sammelt sich die geistige Elite Wiens. Streitgespräche finden beispielsweise zwischen dem Chemiker und Mineralogen Ignaz Edler von Born und dem Botaniker Joseph Franz Freiherr von Jacquin statt. Von Leon und Haschka eingeführt, gehören zu den Gästen: Josef Franz von Ratschky, der es vom Hofkonzipienten zum Hof- und Staatsrat bringt; Johann Nepomuk Denis, zunächst Lehrer am Theresianum, später wirklicher Hofrat an der Hofbibliothek, ausgezeichnet als Gelehrter, Dichter, veröffentlicht meist unter dem Pseudonym „Sined der Barde“ – Sined als Anagramm seines Nachnamens; Karl Mastalier, ehemaliger Jesuit, geht seiner Muse, der Dichtung, nach; Johann Alois Blumauer, ebenfalls ein ehemaliger Jesuit aus Oberösterreich, Freimaurer, Bücherzensor, Dichter und Buchhändler, schreibt seine Aeneis, die Hofrat Greiner und Charlotte subskribieren. Die Familie Greiner lernt Professor Johann Jacob Weil, den Botaniker und Naturforscher, kennen, der auch als Verfasser der Schrift Kurzgefasste Gründe zur Pflanzenlehre bekannt ist; weiters Nikolaus Joseph Freiherr von Jacquin, der viele Pflanzen zum ersten Mal beschrieben hat, wie auch den berühmten Numismatiker Abbé Joseph Hilarius Eckel. Ebenfalls häufig zu Gast sind Joseph Freiherr von Sonnenfels, ein Kollege Greiners, Hofrat beim Direktorium; ferner Joseph Freiherr von Sperges, ein ausgezeichneter Staatsmann, Dichter und Kunstmäzen, und Joseph Maffei, Direktor der chemischen Schule, ein mathematisches Genie, der interessante Vorträge hält. Durch sie werden „die ernstern Wissenschaften in unsern Kreis gezogen“33, erzählt Karoline Pichler.

      Charlotte von Greiner steht den Ideen der Aufklärung offen gegenüber. Was die Stellung der Frau in der Gesellschaft betrifft, geht sie weit über die Forderungen der meisten Zeitgenossen hinaus. Diese damals ungewöhnliche Denkungsart dürfte damit zusammenhängen, dass Charlotte im Umfeld Maria Theresias aufgewachsen ist. Zwar hat die Kaiserin nie ihre eigene Rolle als Frau in der Gesellschaft hinterfragt, aber ein wacher Geist wie Charlotte könnte da schon angefangen haben, im Sinne der Aufklärung weiterzudenken. In späteren Jahren studiert sie gewissenhaft das Buch von Mary Wollstonecraft A vindication of the rights of a woman. Die Autorin vertritt die Ansicht, dass ursprünglich die Frauen die Herrschaft übernehmen sollten, aber die Männer hätten sie durch ihre physische Kraft verdrängt. Charlotte will das weibliche Prinzip an die Stelle des kriegerisch-männlichen Selbstbewusstseins setzen.34 Ihr geht es um das „mütterlich Liebende“ anstelle des „väterlich Herrschenden“35. Sie denkt, dass Frauen zur Herrschaft bestimmt seien, nur durch die an Muskulatur kräftigeren Männer sei ihnen ihre Macht entrissen worden.36 Sie befasst sich zu einer Zeit, als dieses Gebiet noch kaum von Wissenschaftern beleuchtet wird, mit der Frage des Matriarchats.

      Besonders liebt Charlotte Gespräche über Mythologie, denn sie glaubt, dadurch zu tiefer Erkenntnis zu gelangen. Ihre Bibliothek ist gefüllt mit Büchern aus diesem Gebiet. Nach Maria Theresias Tod reduziert sich Hofrat Greiners Einfluss, doch sein Haus behält wegen Charlotte seine große Bedeutung. Sie ist in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts der Mittelpunkt ihrer täglichen Abendgesellschaften. Es gibt viel Abwechslung. „Während sie selbst mit ihren Freunden eine Art gelehrter Akademie wöchentlich abhielt …, veranstaltete ihr Gatte seiner Neigung gemäß, größere Gesellschaftskonzerte, an denen die Tochter des Hauses mitwirkte … Als Sohn und Tochter erwachsen waren, da gab es für die Freunde des Sohnes gelehrte Kränzchen … und für alle jungen Leute Tableaux und Theatervorstellungen …, bei denen man sich die Liebe ins Herz mimte. Während die Frau des Hauses auf ihrem Ehrenplatz am Sopha thronte … da flirteten die jungen Leute, aller Standesunterschiede vergessend, und aus ihren Herzen knospte die luftige Zukunft in die Gegenwart hinein.“37

      Karoline Pichler erinnert sich an ihre Jugendzeit: „Mein Geist war lebhaft, meine Phantasie beweglich. Die schönen Künste lebten und herrschten in unserm Hause, Dichter umgaben uns beständig, Musiker, Maler von einiger Bedeutung, welche nach Wien kamen, ließen so wie Gelehrte anderer Art sich bei meinen Eltern einführen, deren Haus vor vielen der Hauptstadt sich auszeichnete. Alles, was von neuen Dichterwerken im In- und Auslande erschien, wurde sogleich bei uns bekannt, gelesen, besprochen. Herr v. Leon, unser Hofmeister, damals ein junger Mann von 23 – 24 Jahren, fand Vergnügen an der lebhaften Weise, womit mein Geist alles auffaßte, was Dichtung hieß, so z. B. die Bürgerschen Romanzen, die ich bald auswendig wußte. Wenn ich gut gelernt hatte, las er mir zur Belohnung eine Szene aus Götz von Berlichingen, ein Stück aus Werther, Woldemar oder einer andern Dichtung vor.“38 Weitere Gäste sind der Dichter Leopold Friedrich Günther Göckingk, der Schauspieler und Freimaurer Friedrich Ludwig Schröder, die Komponisten Giovanni Paisiello, Domenico Cimarosa, Antonio Salieri und der Maler Hoffinger.

      Das Haustheater wird wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Beamte – oft Kollegen des Hausherrn und seines Sohnes – und Schriftsteller wie Alxinger übernehmen Rollen. Begabungen zeigen sich, Theaterspielen wird zum Freizeitvergnügen, zum Fieber. Anton Bernhard Eberl übernimmt im Salon Greiner begeistert Rollen gefeierter Wiener Schaupieler des Nationaltheaters nächst der Burg, dem späteren Burgtheater. Karoline mimt mit Eberl eine Szene voll Leidenschaft, sodass ihre Kräfte versagen, sie ist Eberl sehr zugetan. Neben dem Theater wird pantomimische Darstellung und „Geschichten spielen“ gepflegt, wobei Szenen aus Theaterstücken, Mythologie und weltlicher wie geistlicher Geschichte aufgeführt werden. Man erzählt sich überall von den immer interessanter werdenden pantomimischen Bildern.

      Eines Tages spielt Wolfgang Amadeus Mozart in einem Nebenzimmer des Salons am Piano. Charlotte kann mit Musik wenig anfangen, nicht einmal mit dieser, daher auch mit Mozart nicht. Sie führt eher oberflächliche Gespräche mit ihm. Johann Baptist Alxinger und Alois Blumauer versuchen ihre Meinung zu ändern. Mozart unterrichtet Nikolaus Joseph von Jacquins Tochter Katharina und komponiert für sie sogar ein Trio mit Klarinette. Auch Karoline, die gerne Klavier spielt, ist von Mozarts Ratschlägen entzückt.

      Die Greiners sammeln einen „Kreis vorzüglicher Menschen“ um sich. Ihr Haus besuchen junge Leute aus besseren Familien, die nach höherer Bildung streben und diese im Greinerschen Salon finden, wo sie auch gutes Benehmen lernen. Die jungen Männer, oft Freunde von Charlottes Sohn, werden vielfach angesehene Staatsbeamte, einer von ihnen später Karolines Ehemann.

      Als Joseph II. 1780 Alleinregent wird, spricht man noch offener und freier als zur


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