Jahrbuch der Baumpflege 2016. Группа авторов

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mit Längsrippen, steinhart Jahrestriebe & Blattstiele kahl behaart Austrieb, Blüte später 2 Wochen früher Ansprüche (Licht-, Wasser-, Nährstoffversorgung) geringer höher

       Abbildung 2: Herzförmige Blattform, kahle Blattunterseite und rötliche Achselbärte

      Dabei sind die wichtigsten/​hilfreichsten Unterscheidungsmerkmale die schon im Frühsommer kahlen Triebe und Blattstiele sowie die Blüten-/​Fruchtzahl (5 – 12) und die zerdrückbaren Früchte. Zwischen beiden Linden gibt es auch einen Kreuzungsbastard, dessen Merkmale variabel zwischen beiden Eltern stehen. Diese Holländische Linde (Tilia x europaea) ist in Sorten (z. B. „Kaiser-Linde“) einer der beliebtesten gepflanzten Stadt- und Straßenbäume und daher in der Stadt häufiger zu finden. Von Natur aus kreuzen sich beide Mutterarten kaum wegen des um zwei Wochen unterschiedlichen Blütezeitraums.

      Bei der Recherche nach Winterlinden-Naturdenkmalen war es leider so, dass sich von neun aufgesuchten Exemplaren drei als Sommer-Linden herausstellten. Auch in einigen Baumbüchern über besonders alte und dicke Bäume wird z. T. nicht die Art benannt, sondern nur von der Linde geschrieben. Dabei sind sie nicht so schwierig zu unterscheiden (s. oben). Genau dafür ist die Aktion „Baum des Jahres“ auch da: um die Artenkenntnisse von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu verbessern. Die Herbstfärbung der Winter-Linde kann sich sehen lassen: goldgelb im Oktober.

       Abbildung 3: Goldgelbe Herbstfärbung bis in den November

       Abbildung 4: Starker Altbaum mit zerfallendem Stamm und Selbstklonierung

       Abbildung 5: Häufige Stammknollen und -austriebe

      Die Wipfeltriebe der Linden wachsen zunächst (wie bei der Buche) waagerecht und richten sich erst im folgenden Herbst auf – wenn der Baum ausreichend Licht erhält. Dies weist bereits auf die hohe Schattentoleranz hin, denn das zunächst horizontale Wachstum verhindert die gegenseitige Beschattung der Blätter am selben Jahrestrieb. Zudem sind bei den Linden die schwingenden, hängenden Seitenäste im unteren Kronenbereich charakteristisch und schön anzusehen, sie geben der Krone „Schwung“ und werden Schleppen genannt; bei anderen Lindenarten ist dies z. T. noch ausgeprägter.

      Die Rinde entwickelt sich zu einer ausgeprägten Netzborke, wobei man bei genauerer Betrachtung sehr interessante Strukturen finden kann: An älteren Bäumen gibt es oft turbulente Bereiche, in denen die Dynamik des Stammdickenwachstums sehr schön sichtbar wird. Denn der Stamm kann bei den Linden bis zu 6 m dick werden, das gab es noch nie bei den Bäumen des Jahres. Dabei wird die Sommer-Linde allerdings meistens noch dicker als die Winter-Linde. So sind auch alle dicksten Linden Deutschlands Sommer-Linden, z. B. das Riesenexemplar in Heede im Emsland mit 18 m Stammumfang. Die stärkste mir persönlich bekannte Winter-Linde hat einen Stammumfang von 9,10 m (in 1,3 m Höhe, sog. BHU = Brusthöhenumfang) und steht bei Rochlitz/​Mittelsachsen.

      Beim Umfangmessen machen die häufigen Stammknollen der Linden oft Probleme, sie erhöhen natürlich das Messergebnis, was sich aber nicht ändern lässt. Diese Maserknollen am Stamm vieler Linden entstehen um frühere Astansätze herum, indem dort kleinräumige Zuwachssteigerungen stattfinden. Oft ist dies verbunden mit dem Austreiben zahlreicher schlafender Knospen, so dass es an diesen Knollen auch zu dichten Zweigbüscheln kommt.

      Wird die Winter-Linde abgesägt, treibt sie sofort wieder intensiv aus dem Stock oder Stamm aus. Dieses ausgeprägte Überlebenspotenzial trägt sicher auch zu ihrem hohen Lebensalter bei.

      Die älteste Linde Europas soll eine Winter-Linde bei Gloucester in England sein. Sie ist – von Baumexperten/​Dendrologen seriös datiert – über 2.000 Jahre alt, wurde allerdings immer wieder auf den Stock gesetzt (= am Stammfuß abgesägt), mit einen Durchmesser der Stockrudimente von inzwischen über 16 m. Allerdings existiert schon länger kein einzelner dicker Stamm mehr, sondern nur ein „Ensemble“ von 60 jüngeren Linden, die alle aus den Stockresten des alten Mutterbaumes ausgetrieben sind. Solche Klonbäume können mit dieser Strategie theoretisch immer weiterleben, sie sind dadurch also sozusagen unsterblich – bis sie von einer Krankheit oder einem anderen Naturereignis zum Absterben gebracht werden. Dabei stellt sich die interessante Frage, wie man das Baumalter zählt, wenn der Vorgänger nach seinem Absägen wieder aus dem Stock ausgetrieben ist? (Was wir ja bei vielen alten Linden heute gar nicht sicher wissen.) Zählt bei dem Alter der jetzigen Bäume auch das Alter des Vorgängers mit? Es ist ja immer noch derselbe Baum. Es besteht einigermaßen Einigkeit, dass nur der jetzt lebende oberirdische Baum berücksichtigt wird. Auch die Umfangmessung ist bei solchen Baumkränzen/​-gruppen natürlich problematisch bzw. unmöglich – man kann ja nicht einfach um alle 60 Einzelindividuen der Gruppe herum messen.

       Abbildung 6: Innenwurzeln im hohlen Stamm

       Abbildung 7: Attraktive, intensiv nach Honig duftende Blüten

      Oft bilden sich im Stamm dickerer Linden bis in größere Höhen Innenwurzeln, die sich vom zersetzenden eigenen Holz des Baumes ernähren. Sie treten in Erscheinung, wenn der Stamm aufreißt oder hohl wird und können beeindruckende Stärken und den Boden erreichen. Wenn man darauf achtet, wird man welche finden.

      Die Blüten stehen bei der Winter-Linde zu 5 – 12 in Trugdolden (d. h. sie stehen in einer etwas gewölbten Ebene, die Blütenachsen entspringen aber nicht wie bei einer echten Dolde von einem Punkt), sind 5-zählig (mit je fünf gelbgrünen Kelch- und Kronblättern und zahlreichen Staubblättern) und sehen von Nahem schön aus. Sie öffnen sich zu Massen an jedem Baum erst im Juli, bei der Spät-Linde (zweiter deutscher Name der Winter-Linde) zwei Wochen später als bei der Sommer-Linde, und werden erst im Frühjahr vor dem Austreiben angelegt. Damit gehören sie zu den Spätblühern. Von denen gibt es nicht allzu viele unter den einheimischen Baumarten, weshalb die Linden bei Imkern und Naturschützern so beliebt sind (Lindenblütenhonig). Was gleich deutlich macht, dass die Bestäubung von Bienen (und Hummeln) übernommen wird. Wenn Linden blühen, kann man das (mit etwas Übung) unverwechselbar auch am Honigduft bis zu 200 m weit riechen. Diesen Duft mögen eigentlich alle Menschen.

      Aus den Blüten entwickeln sich als Früchte kleine gestielte Nüsschen und das zum Blütenstand gehörige und mit seiner Achse verwachsene auffällige, längliche Tragblatt fördert die Windverbreitung bis zu 150 m weit. Die Früchte bleiben lange am Baum hängen (bis in den Winter) und dienen Vögeln und Kleinsäugern als Nahrung.

      Die Wurzeln entwickeln ein Herzwurzelsystem bis etwa 1,5 m Tiefe. Bei entsprechenden Bodenverhältnissen kann es zur Bildung eines Flachwurzelsystems und bei großen Bäumen zu Bodenbelagshebungen durch oberflächennahe Wurzeln kommen.

      


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