Jahrbuch der Baumpflege 2016. Группа авторов

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erstreckt sich über ganz Europa, mit Ausnahme des höheren Nordens, und bis nach Russland. Es reicht deutlich weiter nach Norden und Osten als das der Sommer-Linde und sie bildet dort sogar natürliche Reinbestände. Ihr Vorkommen ist vor allem im Berg- und Hügelland und im Auenbereich größerer Flüsse, wobei Schwerpunkte die Regenschatten-Bereiche von Harz, Rhön und Erzgebirge sind sowie Auenwälder an Elbe, Rhein, Saale und Oder. Nur im Gebirge bleibt sie hinter der Sommer-Linde zurück, die höher steigt (Winter-Linde in den Alpen bis 1200 m, Sommer-Linde bis 1700 m).

      Die beiden Lindenarten unterscheiden sich deutlich in ihren Ansprüchen an Licht, Wasser, Wärme und Nährstoffe: Grundsätzlich ist die Sommer-Linde anspruchsvoller. Ihre größeren Blätter führen zu einer gröberen Verzweigung als die der Winter-Linde. Das fällt einem allerdings nur auf, wenn sie direkt nebeneinander stehen, sonst nimmt man den Unterschied nicht wahr. Im Englischen heißen die beiden daher small-leaved lime (Winter-L.) und large-leaved lime (Sommer-L.).

      Die Winter-Linde ist eine Schattenbaumart, d. h. sie erträgt bis ins Alter Beschattung – einer der großen Vorteile im Wald und in Parkanlagen, da sie auch unter Altbäumen gepflanzt werden und aufwachsen kann und dort kaum kümmert wie fast alle anderen Baumarten.

      Bei genauem Hinsehen findet man im Juli unter blühenden Linden sterbende Hummeln auf dem Boden, dies tritt am wenigsten bei Sommer-Linden auf, häufiger bei den später blühenden Winter-Linden und am häufigsten bei den noch später blühenden Silber-Linden (T. tomentosa), eine in der Stadt verwendete Lindenart aus Südosteuropa. Anfangs dachte man, dass der Nektar der nichtheimischen Silber-Linden für die Hummeln giftig wäre. Bei eingehenden Untersuchungen hat sich jedoch im Gegenteil herausgestellt, dass man die sterbenden Hummeln mit dem Nektar wieder zum Weiterleben animieren kann. Es liegt also nicht am Nektar, sondern daran, dass spät blühende Linden eine starke Lockwirkung auf die dann nach den versiegenden Nahrungsquellen suchenden Hummeln haben. Diese fliegen daher massenweise zu den Linden und dann reicht der Nektar der Bäume nicht mehr für die vielen Hummeln. Abhilfe kann nur geschaffen werden, indem für mehr Nektarquellen im Sommer gesorgt wird wie sie in Wildwiesen vorkommen, nicht jedoch in Golfrasen. Es sollten also noch viel mehr Winter-Linden gepflanzt werden, auch um den Hummeln zu helfen.

      Die Krone ist ein sehr beliebter Lebensraum bei Vögeln, zum einen als Nistplatz, zum anderen wegen der Früchte im Winter als Nahrungsquelle. Unter den Pilzen sind häufig am Stamm(fuß) Lackporlinge, Austernseitling und Brandkrustenpilz zu finden. Auch die Laubholz-Mistel fühlt sich wohl in Lindenkronen.

       Abbildung 8: Laubholz-Mistel in einer Lindenkrone

       3 Nutzung, Verwendung, Heilkunde

      Die Winter-Linde ist ein gleichermaßen sehr beliebter Wald- und Stadtbaum. Im Wald trägt dazu ihre Schattentoleranz und ihre Holzqualität bei, in der Stadt ihre Genügsamkeit, Heilwirkungen und Robustheit. In der Forstwirtschaft macht sie sich außerdem sehr viele Freunde als „dienende Baumart“ unter Eichen und Eschen, indem sie deren Stämme beschattet und so zur schnelleren Astreinigung führt, was bessere Holzqualitäten und damit höhere Verkaufspreise zur Folge hat.

      Das schlichte Lindenholz hat eine weißliche bis gelbliche, dabei öfters etwas hellbraune bis leicht rötliche Färbung. Die Jahrringe sind schwer zu erkennen und die Längsflächen sind entsprechend nur leicht gefladert. Es ist relativ leicht, in getrocknetem Zustand halb so schwer wie Eichenholz. Das Holz von Sommer- und Winter-Linde ist mit herkömmlichen Methoden nicht unterscheidbar. Es ist das beste Schnitzholz, da es sehr weich ist und nicht splittert. Viele Kasperlepuppen und Krippenfiguren bestehen daher aus Lindenholz, ebenso die meisten Altar- und Wandfiguren in Kirchen – es wird deshalb auch als Sakral- oder „Heiligenholz“ (Lignum sanctum) bezeichnet. Man kann sogar ganz zarte Holzblüten daraus herstellen. Weiter findet es in der Drechslerei und Bildhauerei und in leichten Musikinstrumenten, z. B. in preiswerten Gitarren, für die Decke oder den Boden Verwendung.

      Der Rindenbast wurde früher für Schnüre (Schnürsenkel), Kleidung, Taschen und Schuhe verwendet, bis heute als „Gärtnerbast“ – wegen seiner Reißfestigkeit. Daran merkt man, dass die Linde nah mit der Jutepflanze verwandt ist.

      In der Stadt hat die Winter-Linde große Vorteile und

      Vorzüge (Tab. 2).

       Tabelle 2: Positive Eigenschaften der Winter-Linde als Stadtbaum

      + sehr gute Kompartimentierung (Abschottung bei Verletzungen und Pilzbefall)

      + sehr hohe Reiterationsfreudigkeit (Wiederaustrieb nach Verletzungen und Schnitt)

      + wichtiges Bienen-/​Hummelgehölz

      + späte, aromatisch duftende Blüte

      + anspruchslos und tolerant

      + kaum Krankheiten und Schäden

      + hohes Lebensalter bis 1.000 Jahre

      Die Linden sind in den meisten Städten Mitteleuropas die häufigsten Bäume (nur Ahorne sind noch ähnlich verbreitet). Dazu trägt neben ihrem guten Anpassungsvermögen auch ihre Reaktionsfähigkeit auf Stammverletzungen und ihre hohe Schnitt-Toleranz bei. Selbst Verstümmelungen durch Kappungen überleben sie meist, allerdings nur mit der Folge erheblicher und lange anhaltender Stammfäulen (infolge der dann einige Jahre fehlenden Blätter, so dass es zur Unterversorgung mit Kohlenhydraten kommt). Leider war das Kappen von Linden vor Jahrzehnten sehr in Mode, die negativen Folgen wirken oft noch bis heute. Trotzdem wird es auch heutzutage noch häufig gemacht und dann gelegentlich als Regenerations- oder Verjüngungsschnitt bezeichnet.

      Probleme verursacht an warmen Frühlings- und Sommertagen der aus Lindenkronen tropfende Honigtau: Kleine Zuckerwasser-Tröpfchen machen Fahrräder, Autos und Bänke klebrig, das hat wohl jeder schon erlebt. Selbst wenn diese beim nächsten Regen wieder abgewaschen werden und absolut unschädlich sind, machen sich die Linden dadurch zunehmend unbeliebt, denn unsere Ansprüche und Empfindlichkeiten gegenüber Stadtbäumen nehmen in letzter Zeit immer mehr zu. Gelegentlich wurde deshalb von Bürgern schon das Absägen von ganzen Lindenalleen in Wohngebieten gefordert, allerdings bisher ohne Erfolg.

       Abbildung 9: Sehr gute Überwallung und Abschottung bei Verwundungen und Stammfäulen

      Jungbäume sind empfindlich gegen Sonnenbrand: der dunkle Stamm mit seiner noch dünnen Rinde erhitzt sich bei neu auf Freiflächen gepflanzten Linden auf über 45 °C, was zu Rindenschäden auf der Südbis Westseite des Stammes und in der Folge zu einem Absterben und Aufplatzen der Rinde führen kann. Deshalb sieht man inzwischen so viele weiß angestrichene neu gepflanzte Bäume in der Stadt.

      Beide Lindenarten haben gute Eigenschaften zur Lärmminderung und tolerieren auch höhere pH-Werte über 7, wie sie in der Stadt weit verbreitet vorkommen. Die Winter-Linde wächst am besten in leichten/​sandigen oder durchlässigen Böden. Sie ist überschüttungs- und strahlungstolerant, aber immissionsempfindlich.

      Als Solitärgehölz oder in Alleen kann sie ihre Wirkung besonders gut entfalten. Die Linden haben ihren festen Platz als Gehölze in Siedlungen und in der Landschaft: Sie sind als Zierbaum in Parkanlagen und Gärten, auf Dorfplätzen, vor Kirchen, um Kapellen und auf Friedhöfen sehr beliebt. Hier werden sie auch häufig traditionell als Kopfbaum beschnitten. Etwas ganz besonders Schönes sind Tanzlinden: Früher sehr verbreitet, heute nur noch in wenigen älteren Exemplaren (zu 95 % Sommer-Linden), wurden in den Kronen alter Linden die Äste so „geleitet“, dass man einen Tanzboden in die Krone einbauen konnte, mit Geländer rundherum und einer Treppe zum Hochsteigen. Dann fanden Festveranstaltungen in und unter diesen Bäumen statt. Besonders schöne alte Exemplare, in denen


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