Ausbeutung - made in Germany. Frank Mehler
weiß nicht genau, was er damit meint. Aber ich lasse mich gern überraschen.
»Ist die Presse schon an?«
»Nein.«
»Also, hier hinten an der Seite ist der Hauptschalter …«
Ich folge ihm und er legt ihn um.
»Hier dann das Arbeitslicht einschalten und hier daneben die Presse einschalten.«
Frrrummm …, macht die Presse. Dann summt ein gleichmäßiger Ton.
»So, und ganz wichtig«, sagt er, »hier oben das Wasser andrehen! Das ist eine wassergekühlte Presse, und wenn der Hahn zu ist, läuft sie natürlich irgendwann heiß. Zum Feierabend, ich meine nach der Spätschicht, wird das Wasser selbstverständlich wieder abgedreht. Hier oben läuft nicht gerade wenig durch …«
»Okay.« Die Wasserrechnung, denke ich.
»Ja, und hier haben wir noch eine Beleuchtung für die Werkbank. Dort drüben steht eine zweite Werkbank, da kannst du zum Beispiel deine Jacke hinhängen, und wenn du mal das Fenster kippen willst, dann bitte nicht, wenn es draußen regnet. Die Werkzeuge hier sind richtig teuer. Das ist zwar guter Stahl, wenn da aber zuviel Feuchtigkeit rankommt, auch nur hohe Luftfeuchtigkeit, dann fangen die schnell an, zu rosten.«
»Hab verstanden. Also nicht bei Regen.«
»Genau. Dann werde ich jetzt zuerst das Werkzeug auswechseln, und du fährst solange die Gitterbox mit den fertigen Teilen dort rüber und bringst auch gleich wieder eine leere mit zurück. Die neu zugeschnittenen Bleche stehen dort hinten unter dem Regal auf einer Euro-Palette. Die kannst du ebenfalls gleich mit dem Hubwagen herfahren. Der Auftragszettel liegt oben drauf.«
Er fängt an, die Presse hochzufahren, und auch ich setze mich in Bewegung – ich gehe davon aus, dass es nicht ganz so staubig wie in der gestrigen Spätschicht werden wird.
AL Mg 3 lese ich. Sicherlich ist dies die Zusammensetzung der Metalllegierung, aus der die Bleche bestehen, um beim Gebrauch gewisse Eigenschaften zu erfüllen. Stückzahl: 1008, steht darunter. Ich frage mich, wie ich 1000 Bleche in einer Schicht schaffen soll. Doch dann verdränge ich das lieber und riskiere hier und da einen Blick, um mich besser mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut zu machen. Andere arbeiten bereits emsig an modernen Maschinen, die ich im Leben noch nie gesehen habe. Eine Laseranlage arbeitet direkt vor meinen Augen, es rumpelt und zischt, und auch ziemlich viele Funken wie bei einer Trenn-Schleifmaschine sprühen nach unten. Ich kann nicht sehen, was der Laser genau zuschneidet, aber ich vermute, dass es ebenso Metallbleche sind.
Hinter einer Maschine hebt ein Mann den Kopf und grinst mich aus breiten Mundwinkeln an. Ich nicke ihm freundlich zu, aber ich sage nichts zu ihm. Auch er sagt nichts zu mir, und ich ziehe dann schnell weiter.
Die Hydraulik-Presse ist eingerichtet: Der Werkzeugblock steht direkt in der Mitte auf der Arbeitsplatte – es ist das Schneidwerkzeug zum Beschneiden der vier Ecken vom Blech. Die Bleche messen 35 x 50 cm und sind 2,5 mm stark.
»So, dann nimm dir gleich mal einen Stoß her und setze dich hier ran«, sagt der Einrichter. »Das Einlegen der Bleche hat genau im rechten Winkel zu erfolgen. Ist eigentlich ganz einfach …«
Ich nehme ein Blech und lege es wie gesagt ein.
»Und jetzt«, verdeutlicht der Einrichter, »mit beiden Händen hier an den Seiten gleichzeitig die roten Knöpfe drücken. So kannst du während des Pressvorgangs niemals die Hände dazwischen haben.«
Ich drücke. Wumm! macht die Presse. Die Ecke vom Blech liegt daneben.
»Siehst du, und jetzt das Blech weiterdrehen und die nächste Ecke abschneiden.«
Wumm!
»Weiterdrehen …«
Wumm! Und noch einmal … Wumm!
»Immer schön im 90° Winkel ansetzen, ja. Dann probiere gleich das Nächste …«
Ich jage das Blech durch.
»Gut. Weiter so«, sagt er.
Wumm! – Wumm! – Wumm!
Irgendwie einfach, denke ich. Aber auch irgendwie laut …
»So, du könntest jetzt ebenso mit der Lichtschranke arbeiten, damit es schneller geht. Das sind die beiden rechts und links von dir angebrachten Sensoren. Aber ich denke, für den Anfang machst du so weiter wie bisher. Wenn du gut bist, schaffst du den Auftrag bis zum Mittag.«
»Okay«, sage ich. Wie gut ich in der Sache tatsächlich bin, weiß ich natürlich nicht.
Er geht und ich stecke mir ein paar Ohrstöpsel ein, die in einem Karton auf der Werkbank liegen.
Zwei Stunden später: Ich arbeite in einem gewissen Takt und bilde mir ein, dass ich allmählich immer schneller werde. Ein Drittel, schätze ich, habe ich bereits geschafft. Doch ist mir klar, dass ich jetzt auch nicht allzu sehr nachlassen darf.
Es ist Frühstückspause und ich sehe, dass die Mitarbeiter hier unten lieber unter sich bleiben, als in den Pausenraum nach oben zu gehen. Ich tue dem gleich und frühstücke quasi gleich neben der hydraulischen Presse.
Später: Wumm! – Wumm! – Wumm! – meine Presse.
Tack! – Tack! – Tack! – die Maschine von nebenan.
Zzzzzzt … zzzzzzt … zzzzzzt! – eine Bandsäge sägt sich durch das Blech.
Es ist laut, und auch mit Ohrstöpseln drinnen ist es ziemlich laut. Es ist so ein alles durchdringendes Wummern, das einem die Gehirnmasse erbeben lässt. Doch sage ich mir: Nun muss ich da durch, auch wenn ich heute mit Kopfschmerzen nach Hause gehe.
Der Einrichter schaut nach mir.
»Na, wie ich sehe, bist du ja ganz gut dabei«, sagt er und schaut auf die Einstellungen und Druckanzeigen an der Presse. Seiner Mimik nach scheint alles in Ordnung zu sein.
Ich nehme die Ohrstöpsel heraus und nicke. »Ist halt laut!«, schreie ich fast, weil ich mir selbst so leise vorkomme.
»Das ist reine Gewohnheitssache«, entgegnet er. »Aber du kannst dir auch die großen Ohrschützer hier überstülpen, manch einer findet die besser.«
Er reicht sie mir, und ich setze sie auf.
Wumm! – Wumm! – Wumm! Es kommt mir nicht sonderlich besser vor als mit den Stöpseln. Ich zucke mit den Schultern.
»Na ja, Hauptsache du trägst eines von beiden«, sagt er. »Ich schätze, du schaffst noch den Rest bis zum Feierabend …«
Ich nicke bejahend und mache gleich weiter. Wumm! – Wumm! – Wumm!
Der Einrichter geht, bleibt dann aber stehen und schwatzt kurz mit einem Kollegen. Im Allgemeinen scheinen die Stammmitarbeiter an weit moderneren Maschinen zu arbeiten als ich. Die meisten von denen sind mit einem Computer gekoppelt und somit programmierbar. Die Maschine arbeitet dann fast von alleine. Bei mir hingegen geht es noch rein mechanisch zu. Es ist körperlich harte Arbeit ganz nach der klassischen Art.
Der Kollege kommt zur Spätschicht und ich schaue zur Uhr – Punkt 1345 zeigt sie an. Er ist pünktlich. Ob er aber ein echter Kollege ist, kommt mir nicht wirklich so vor. Er wirkt eher ein wenig seltsam auf mich. Umgekehrt muss es ihm wohl ähnlich vorkommen, wenngleich wir von derselben Firma sind.
»Hallo!«, sage ich.
Er nickt nur unmerklich und sagt nichts.
Die 1.000 Bleche habe ich geschafft und ich fühle mich beinahe gut dabei, auch wenn der Rücken etwas schmerzt und der Schädel brummt, doch als Herausforderung sage ich mir, war es das irgendwie wert. Ich kann also auch noch etwas anderes in Sachen Handwerk leisten.
»Ich habe dir bereits eine neue Palette mitgebracht«,