Ausbeutung - made in Germany. Frank Mehler

Ausbeutung - made in Germany - Frank Mehler


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sie ihre schmutzigen Mitbringsel ab, und ich schaue sie erstaunt an. Dabei dachte ich schon, aber ich habe wohl falsch gedacht.

      »Wissen Sie, eigentlich müssen Sie hinten noch die Kühlhäuser wischen und letzten Freitag haben Sie auch die Friteuse nicht sauber gemacht. Das Trockenlager wurde nicht gereinigt, das Getränkelager, und in den oberen Fettabzügen über der Kochstraße und der Ausgabe befinden sich spezielle Gittereinsätze, die müssen ebenso mit durchgelassen werden …«

      »Nun ja«, sage ich, »Sie haben mir bisher auch nicht gesagt, dass dies zu meinen Aufgaben gehört.«

      »Na schön, dann wissen Sie es eben jetzt!«

      »Hm!«, mache ich. »Soll ich nun erst einmal die Kühlhäuser wischen?«

      »Ja, ich bitte darum …, und vergessen Sie nicht, die Regale mit Desinfektionsmittel abzuwischen. Die Rollwagen können Sie solange in den Flur hinausschieben.«

      »Okay, wie Sie wünschen …«

      Ich bin bedient. Nein. Ich hätte es mir irgendwie denken können.

      Im Kühlhaus gebe ich mir ganze Mühe. Doch entdecke ich auch Dreck, der gewiss nicht von den letzten paar Tagen herstammt. Es sind die Ecken in den Regalen und besonders die dunklen Ecken hinter den Regalen, wo sich der Dreck festgesetzt hat. Weil ich mich in der Sache gut auskenne und über die Wirklichkeit in Verbindung mit Oberflächlichkeit Bescheid weiß, ist mir auf jeden Fall klar: Ich bin ihr neues Aschenputtel, das jetzt hier ran muss.

      Ich kratze den Keim aus den Ritzen und schrubbe ganz beflissen über die Fliesen, wische dann nach, und selbstverständlich spare ich mir jede kleinliche Bemerkung. Es steht einem Leiharbeiter nicht zu, die Betriebswirtschaft des Entleihers zu kritisieren.

      2 Tage später: »Wenn Sie hier mit dem Besteck fertig sind, können Sie noch die zwei Kühltruhen im hinteren Lagerraum reinigen. Abgetaut sind sie schon, und bitte auch dort das Desinfizieren nicht vergessen. Na ja, Sie wissen ja ungefähr …«

      Ich nicke nur und trockne die restlichen Bestecke ab. Ich kann es kaum erwarten, mich auf meine neue Aufgabe zu stürzen.

      Überrascht bin ich nicht, als ich in die zwei Kühltruhen blicke. Der blanke Keim grinst mich an, und ich sage mir: Na ja, sonst müsste ich sie wohl auch nicht sauber machen. Nur frage ich mich genauso, was das dann für eine fleißige Spülkraft sein muss, die ich hier gerade vertrete. Und wieso hat die aufgeblasene Köchin es ausgerechnet auf mich abgesehen? Aber nach gut einer Woche brauche ich als Spülmann mir keine großen Illusionen mehr zu machen: Arbeitsmäßig bin ich nun die unterste Schiene und selbst die drei fest angestellten Küchenhilfen im Haus sind besser dran als ich. Vermutlich weil sie immer so fleißig waren, und ich offenbar im Leben nicht richtig aufgepasst habe, was aus mir wird, und wo ich dann lande, absolut freiwillig zum Leiharbeiter geworden bin, und deshalb dürfen mich jetzt sogar die Küchenhilfen kommandieren. Nichtsdestotrotz behalte ich all den geistigen Dreck für mich. Ich schlucke quasi den Spül- und Putzmannfrust hinunter. Es ist leider so: Ich darf beim Auftraggeber laut Leihvertrag keinesfalls etwas bemängeln.

      Eine Unterschrift bitte! Ich lege meinen Stundenzettel vor. Alles darauf ist fein säuberlich ausgefüllt. Noch nicht einmal die 10 Minuten weniger Pause tagtäglich habe ich abgezogen. Es sollte ein letztes Entgegenkommen meinerseits sein.

      »32, 5 Stunden wären es dann diese Woche«, sage ich.

      Die stellvertretende Chefin schaut nach und rümpft die Nase. Es zeugt von nicht wirklicher Zufriedenheit.

      »Also, wissen Sie«, sagt sie, »ich weiß nicht, ob es mir nur so vorkommt, aber irgendwie seid ihr Zeitarbeiter alle ein bisschen langsam oder vielleicht nicht richtig bei der Sache. Ist das so eine Art Berufskrankheit bei euch?«

      Ach, du hast sie doch nicht alle! denke ich. Sage jedoch: »Ich weiß es nicht, ich bin noch nicht so lange dabei.«

      »Aha! Na, wenn das bei Ihnen am Anfang schon so ist, dann weiß ich ja nicht …« › … was das werden soll‹, wollte sie wohl sagen. »Bei Ihrem letzten Kollegen ließ auch schon die Gründlichkeit zu wünschen übrig und er hat mehr Pause gemacht, als ihm eigentlich zustand. Ich denke, wir sollten uns langsam mal nach einem neuen Vertragspartner umsehen.« Sie unterschreibt und trennt den Beleg für den Kunden heraus.

      Zu den Pausen sage ich nichts, ich nehme nur stillschweigend den Durchschlag vom Stundenzettel zurück. Aber es ärgert mich jetzt, dass ich die Pausenzeit nicht regulär voll ausgeschöpft habe.

      »Ist noch was?«, fragt sie.

      »Nein.«

      »Na dann, schönen Tag noch …«

      »Tschüss!«, sage ich.

      Und trotzdem: Es gibt Vorteile in der Küche, die andere Brachen im Winter gewiss nicht so zu bieten haben: Es ist warm und es gibt immer etwas zu essen und zu trinken.

      Das Leid des Spülers sind die unvermeidlichen Spülhände, wobei sie bei mir gerade erst anfangen, so richtig aufzuquellen. Dazu kommen dann irgendwann Rückenschmerzen durch eine oft gebückte Haltung beim Spülen, insbesondere beim Reinigen der schweren Töpfe und Pfannen. Auch die Knie- und Gelenkschmerzen werden sich später einstellen, wurde mir von so manchen Altspülern gesagt. Aber ich bin noch halbwegs jung, denke ich zumindest, und nehme es somit gelassen. Außerdem bin ich ohnehin ein Koch und kein Spüler mit extra Spülabitur der höheren Hauswirtschaft.

      Kaum zwei Stunden später komme ich dennoch mächtig ins Schwitzen – ich habe den Mund im jugendlichen Leichtsinn wohl etwas zu voll genommen. Heute ist die Hölle los und ich stehe mittendrin im Geschehen. Eigentlich weiß ich gar nicht so recht, wo ich zwischen all den Aufwaschbergen zuerst anfangen soll.

      Der Küchenchef kommt um die Ecke gestolpert und fast fällt er über einen riesigen Topf, der unten auf der Erde steht. »Man, du bist ja immer noch nicht weiter!«, nölt er die übliche Leier, die er scheinbar am besten drauf hat. Seit Tagen ist er schlecht gelaunt und seit Tagen hat er blutunterlaufene Augen. »Weißt du, tu mir bloß einen Gefallen, und ziehe endlich mal den Finger!« Er dreht sich um. »Mein Gott nee, und der Topf hier unten muss auch weg!«

      »Den haben Sie doch selbst dort abgestellt«, entschuldige ich.

      »Quatsch nicht rum, mache lieber!«, ist die klare Anweisung, die ich bekomme.

      Ich gehe völlig unter im Modder und mir sind bereits 3 Teller aus den Händen gefallen, weil der Mensch seine Handbewegungen eben nicht x-beliebig schneller schalten kann. Das Problem ist das Greifen und Packen, ab einer bestimmten Geschwindigkeit wird man da automatisch schusselig. Aber welchen superwirtschaftlich denkenden Boss interessiert das schon, wenn doch heutzutage rein das Maximum am Limit zählt – die klingelnde Kasse natürlich. Ich gebe dennoch nicht auf und beiße mich durch, und trotzdem benötige ich zum Ende des Mittaggeschäfts tatkräftige Unterstützung von einer jungen Frau.

      Später hole ich kurz Luft und rauche am Hinterausgang zum Hof mit zwei anderen Küchenhelfern eine Zigarette. Nebenher beiße ich von einem Brötchen ab, das ich mir von einer zurückgekommenen Platte des Cateringservice entnehmen durfte. Dass ich manchmal auch heimlich esse, sage ich nicht. Es sind die kleinen Bröckchen, die hier und da vom Geschäft übrig bleiben, oder die zusammengekratzten Reste aus Salatschüsseln, die ohnehin im Müll gelandet wären. Zur täglichen Verkostungsrunde unter Köchen werde ich natürlich nicht eingeladen.

      Auch mit der vollen Pausenlänge sieht es heute wieder ziemlich schlecht aus – es ist noch jede Menge zu tun und wie immer sitzt einem die Zeit im Nacken. Noch dazu kommt gerade der Küchenchef raus und er sieht nicht wirklich begeistert aus, uns Helfer hier so stehen zu sehen. Meine »Kollegen« verdrehen schon die Augen. O Scheiße! denke ich.

      Er kommt näher, und als er dann ganz nahe vor mir steht, kann ich es nur zu deutlich sehen, wie der Küchenfrust innerlich in ihm kocht.

      »Na, ihr Urlauber, ist doch ein ganz nettes Leben bei uns«, beginnt er,


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