Steine des Schreckens. Reinhard Kessler

Steine des Schreckens - Reinhard Kessler


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nicht!“

      Sie setzten ihren Weg vorbei an ein paar Windrädern in Richtung Ferienwohnung fort.

      Jelato fiel auf, dass diese Energieerzeuger im Wind alle in der gleichen Uhrzeigerrichtung drehten. Er grinste über das ganze Gesicht und fing an, sinnleere, aber doch interessante Gedanken zu entwickeln.

      „Normal wären doch rechtsdrehende und gleichviele linksdrehende Windmühlen. Hier scheint jemand das ökologische Windmühlengleichgewicht zugunsten einer bevorzugten Drehrichtung zu verändern – das sieht nach einer menschlichen Manipulation aus. Ein menschlicher Eingriff in das globale Windmühlengleichgewicht.“

      „Deine Sorgen möchte ich mal haben! Du machst dir aber auch über den letzten Mist Gedanken. Ob das mal besser wird?“

      „Das Gehirn hat eben auch Urlaub und will spielen. Ausserdem ist das kein Mist. Hier geht Diversität verloren, eine ganze Gattung andersrum drehender Windmühlen wird verdrängt, bis es am Schluss nur noch eine Sorte gibt. Bei unseren Planeten ist das auch so, die umkreisen die Sonne auch nur in einer Richtung. Das wär doch viel spannender, wenn da zwischendrin ein Planet eine gegensätzliche Umlaufbahn hätte.“

      „Stimmt eigentlich. So gesehen. Es gibt auch für die ganze Galaxie eine Drehrichtung.“

      „So weit müssen wir gar nicht gehen. Weisst du, auch die Bohnen wachsen immer so rum um die Stange“, sagte er und machte eine typische Wendeltreppen-Geste mit der Hand.

      „Ist es nicht gerade anders rum?“, sagte sie und machte exakt die gegensätzliche Bewegung mit der Hand.

      „Wir müssen das mal klären. Das ist doch wichtig, in welcher Richtung die Bohnen um die Stange wachsen.“

      „Ich glaube, wir sollten abends nicht so viel trinken“, sprach‘s und weiter ging es in Richtung der Ferienwohnung in dem umgebauten Nebengebäude eines früheren Bauernhofes. Es waren vom Strand aus nur ein paar hundert Meter und kurze Zeit später erzählten sie dem zufällig im Garten arbeitenden Vermieter von dem geheimnisvollen Fisch-Vorkommnis.

      Der konnte damit aber auch nichts anfangen. Die Problematik des Leerfischens der Meere war ihm zwar klar, aber von einer Kunstaktion war ihm nichts bekannt. Es war auch keine Protestaktion oder sowas angekündigt.

      Normalerweise wird ja bei solchen Events oder Happenings jeweils vorher zufällig die lokale Presse informiert, damit auch genügend Publikum anwesend ist. Die Informationen zu sowas sickern oft als gezielte Indiskretion durch, damit es noch interessanter wird.

      Surrealistische Performance oder so wird dann gemunkelt und schlussendlich lässt sich irgendein dümmlich in die Kamera grinsender Lokalpolitiker oder Tourismusdirektor mit dem sehr ernst wirkenden Künstler mit Bart und ungebändigtem Haar im Wollpullover und mit Wollmütze ablichten. Der Künstler würde deshalb so ernst dreinschauen, weil er damit die Bedeutungsschwere seines Werkes unterstreicht. Nein, sowas war es hier also nicht.

      Der Vermieter hatte eine weitere Deutung des Fisch-Rätsels: „Ein Fisch ist doch auch ein Symbol für die Zugehörigkeit zur christlichen Glaubensgemeinde. Der reiche Petrus war doch Mit-Erbe eines familieneigenen Fischereibetriebes, wenn ich mich nicht irre, ohne Fangquotenregelung übrigens. Handelt es sich eventuell um ein religiöses Ritual?“

      „Ob wir das je erfahren werden?“

      Der weitere Tag verlief, wie sie es geplant hatten – ganz ruhig.

      Sie konnten ja nicht ahnen, dass sie gerade den Anfang einer absolut mysteriösen und brutalen Entwicklung erlebt hatten. Schon bald sollten sie ein ähnliches Erlebnis haben.

       Burg auf Fehmarn:

       Medieninformation der Polizei vom 5. September

       Entdeckung – Toter Fisch illegal entsorgt?

       Bereits einige Tage zurück liegt eine Entdeckung, die Strandwanderer am Samstag letzter Woche machten.

       Die betreffenden Personen waren auf dem Weg zu ihrer Ferienwohnung, als sie auf dem asphaltierten Deichweg von Presen in Richtung Puttgarden einen toten Fisch fanden. Bei dem toten Fisch handelt es sich nach Auskunft eines Experten um einen sogenannten Koi von beachtlichem Wert.

       Diese Fische kommen in keinem dortigen Gewässer vor, sondern sind ganz sicher aus privater Zucht. Deshalb besteht die Vermutung, dass das tote Tier von einem Züchter oder Teichbesitzer illegal entsorgt wurde.

       In unmittelbarer Nähe des Fisches lag ein Stein in Form eines Fisches. Offensichtlich ist das tote Tier zusammen mit dem Stein zur Fundstelle transportiert und dort abgelegt worden.

       Die Polizei sucht Personen, die Angaben zu dem Vorgang machen können.

      Einen genauen Plan für diesen Tag hatten sie nicht. Brauchten sie auch nicht. Schliesslich waren sie ja in den Ferien. Das ist eben das Gute an Ferien, dass der Tagesablauf nicht verplant ist. Jelato meinte immer, es müsse doch möglich sein, sich mal wie ein Blatt im Wind zu verhalten und einfach mal abwarten und schauen, wo man landet. Wegen seiner naturwissenschaftlichen Ausbildung nannte er das manchmal auch anders: wir lassen uns mal von der Brownschen Molekularbewegung regellos herumtreiben.

      Andererseits war ihm bewusst, dass ein strukturierter Tagesablauf jeder Form von Verwahrlosung vorbeugt. Sonst ist als Ergebnis nachher der kostbare Ferientag verbummelt und man hat nichts Richtiges unternommen.

      Also gingen sie wie am Vortag am Strand entlang spazieren, das ist immer eine gute Lösung. Deswegen waren sie ja eigentlich auch hier. Spazierengehen am Strand, das war es.

      Und wie schon gesagt: auf’s Wasser schauen. Und Muscheln sammeln.

      Verlaufen kann man sich auf einer Insel kaum. Wenn man genügend lange geht, kommt man irgendwann zum Ausgangspunkt zurück. Gilt aber nur für kleine Eilande. Für sowas ist Fehmarn dann aber doch wieder zu gross und so hatten sie sich zur Sicherheit wenigstens eine Wanderkarte eingesteckt. Guter Gedanke und trotzdem falsch.

      Die Wanderkarte konnten sie heute nämlich überhaupt nicht gebrauchen. Wieso denn nicht? Das ist doch immer gut. Vorschlag zum Selbstversuch: studieren Sie doch mal eine Wanderkarte bei so einem Wind! Selbst mit zwei Händen fest gehalten flattert die wild herum, die richtige Seite kippt dauernd weg, und sie droht trotz plastifizierter Ausgabe und somit erhöhter Stabilität beinahe zu zerreissen. Da hilft es auch wenig, wenn zwei zusätzlich helfende Hände bei der Zähmung der Wanderkarte mitmachen.

      Die Wolken jagten wie ein Schnellzug durch den Himmel, ab und zu kam vollkommen überraschend die Sonne kurz durch, dann rasten wieder die Wolken vorbei. Es war ungemütlich. Ein lästiger Wind war das hier – fast schon Sturm. Speziell heute war der Wind richtig unangenehm, weil die Sonne immer nur ganz kurz und nie so prall schien. Bei knalligem Sonnenschein ist der Wind ja nützlich, aber nicht heute. Es war zeitweise sogar total bewölkt. Es sah auch bedrohlich nach Regen aus.

      „Nix mit Sonneninsel heute.“

      „Die Sonneninsel ist kaputt, funktioniert heute nicht. Die sollten besser werben mit dem Ausdruck Windinsel. Ich vermute mindestens Beaufort sieben, da schau, siehst du den weissen Schaum auf dem Wasser?“

      „Ich würde am liebsten rückwärtsgehen, damit ich den Wind nicht so ins Gesicht kriege.“

      „Das ist nicht dein Ernst. Sollen wir wirklich rückwärtsgehen?“

      „Nein, sicher nicht. Das habe ich nur so gesagt. Da fallen wir bloss auf die Nase oder stossen mit anderen Wind-Wanderern zusammen! Aber so blöd das ist, ich muss doch meine Sonnenbrille aufsetzen, meine Augen tränen sonst zu viel in dem Wind und es hat auch Sandkörner in der Luft.“

      „Das ist gut für den Teint. Die Haut wird sandgestrahlt und ist nachher wie neu. Porentief rein,


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